Nach SEC-Klage XRP im freien Fall: Eine Ripple-Schadensbilanz

Seitdem die US-Börsenaufsicht vor wenigen Wochen Ripple der Ausgabe nicht-registrierter Wertpapiere beschuldigt hat, kämpft das Unternehmen um Schadensbegrenzung. Dabei steht weit mehr als nur die Reputation auf dem Spiel.

Moritz Draht
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Ripple-Münze XRP

Beitragsbild: Shutterstock

60 Prozent Kursabschlag in etwas mehr als zwei Wochen: Das ist die vorläufige XRP-Bilanz einer wahrscheinlich noch lange währenden Auseinandersetzung zwischen Ripple und der Securities and Exchange Commission (SEC). Seitdem die US-Börsenaufsicht am 21. Dezember Ripple wegen der Ausgabe nicht-registrierter Wertpapiere verklagt hat, häufen sich die Hiobsbotschaften für das kalifornische FinTech – und schließlich auch für Anleger.

Der erste Streich

Vor knapp zwei Wochen erhielt die Ripple-Chefetage ein Schreiben der SEC, in dem das Unternehmen über ein drohendes Verfahren in Kenntnis gesetzt wurde. Nach Jahren der Ungewissheit hat sich die SEC schließlich doch noch zu der Entscheidung durchringen können, die Ripple-Währung XRP als Wertpapier, also als Security Token, und nicht als Utility Token zu klassifizieren. Die Entscheidung münzt auf dem Howey-Test, der anhand verschiedener Kriterien eine Grenze zwischen Währung und Wertpapier zieht.

Welches Kriterium letztlich den Ausschlag gegeben hat, ist nicht ganz klar. Eine wesentliche Bedingungen sei es laut SEC, „wenn Geld in ein gemeinsames Unternehmen investiert wird, mit der begründeten Erwartung von Gewinnen aus den Bemühungen anderer“. Dies ist beispielsweise dann der Fall, „wenn ein Token dem Inhaber das Recht gibt, sich an den Erträgen oder Gewinnen des Unternehmens zu beteiligen bzw. um Gewinne aus der Wertsteigerung des digitalen Assets zu realisieren“. Die nicht gerade trennscharfe Verflechtung von XRP- und Ripple-Marktkapitalisierung dürfte die SEC in ihrer Ansicht gestärkt haben.

Pikante Verflechtungen im Hause Ripple

Hinzu kommt, dass sich nicht unerhebliche XRP-Mengen in privaten Händen von Ripple CEO Brad Garlinghouse und Co-Founder Chris Larsen befinden. Somit ist auch ein weiteres Kriterium der SEC gegeben: „Der Emittent besitzt oder kontrolliert den Besitz von geistigen Eigentumsrechten des Netzwerks oder digitalen Asset – direkt oder indirekt“. Dass Ripple zudem regelmäßig XRP-Kontingente freischaltet und Teile davon in Treuhandkonten zurücküberweist, nährt den Verdacht, dass „der Herausgeber einen Markt für sein Asset [erschafft] und über die Anzahl der erschaffenen Token [bestimmt]“.

Somit könnte es sich bei XRP nach Meinung der Behörde letztlich um ein Wertpapier handeln. In diesem Fall hat Ripple potenzielle Investoren nicht ausreichend aufgeklärt (Stichwort: Wertpapierprospekt), damit die geltenden US-Bundeswertpapiergesetze verletzt – und sich nach Auffassung der SEC schließlich der Ausgabe nicht-registrierter Wertpapiere schuldig gemacht.

Ripple-GAU

Der Vorwurf hat eine Lawine in Gang gesetzt. Dass die Kryptowährung mittlerweile von Litecoin (LTC) überholt und auf den fünften Platz der nach Marktkapitalisierung größten Kryptowährungen gerutscht ist, stellt dabei nur die Spitze des Eisbergs dar.

Den Anfang machte die Krypto-Börse Coinbase, die bereits eine Woche nach Bekanntwerden der Anschuldigungen mitteilte, sämtliche XRP-Handelspaare ab dem 19. Januar von der Plattform zu nehmen. Es folgte eine Reihe weiterer Handelsplätze, darunter Binance US, Bittrex, CeFi-Plattform Crypto.com, der Broker eToro und jüngst Blockchain.com, die allesamt ebenfalls den Handel mit XRP einstellen werden. Aus gutem Grund, schließlich drohen US-amerikanischen Unternehmen rechtliche Konsequenzen, wenn sie weiterhin den Handel mit XRP betreiben.

Das hat den Unmut einiger Investoren auf sich gezogen, die nun teils schwere Verluste mit XRP-Investments eingefahren haben. Ein Coinbase Kunde will mit einer Sammelklage gegen Coinbase nun klären, ob die Börse mit dem Handel von XRP wissentlich Wertpapiere an Kleinanleger ausgegeben hat. In diesem Fall hätte Coinbase das kalifornische Wettbewerbsrecht verletzt. Auf der anderen Seite habe Ripple-Unterstützer im Dezember eine Petition ins Leben gerufen, die von der US-Regierung fordert, XRP als Währung einzustufen. Bereits 35.000 Unterschriften wurden gesammelt.

Investoren streichen die Segel

Doch damit nicht genug. Laut eines Bloomberg-Artikels vom 5. Januar soll nun auch die Investmentgesellschaft Tetragon eine Klage gegen Ripple eingereicht haben. Tetragon hat sich 2019 mit 200 Millionen US-Dollar bei der Series-C-Finanzierungsrunde von Ripple beteiligt, die ursprünglich den Grundstein für einen Börsengang legen sollte. Demnach soll Ripple die an Tetragon ausgegeben Vorzugsaktien wieder zurückkaufen.

Die Antwort von Ripple ließ nicht lange auf sich warten:

In der Series-C-Investitionsvereinbarung von Ripple gibt es eine Klausel, die besagt, dass Tetragon die Möglichkeit hat, ihre Ripple-Aktien von Ripple zurückkaufen zu lassen, wenn XRP auf einer Go-Forward-Basis als Wertpapier eingestuft wird. Da es keine solche Bestimmung gegeben hat, hat diese Klage keinen Wert. Wir sind enttäuscht, dass Tetragon versucht, den Mangel an regulatorischer Klarheit hier in den USA auf unfaire Weise auszunutzen. Die Gerichte werden diese Klarheit schaffen und wir sind sehr zuversichtlich in unserer Position.

Mit anderen Worten: So lange das Urteil der SEC nicht rechtskräftig ist, gibt es auch kein Geld von Ripple. Immerhin Zahlungsdienstleister MoneyGram hält (noch) zu Ripple. In einem am 23. Dezember veröffentlichten Schreiben heißt es jedoch:

Zur Erinnerung: MoneyGram nutzt weder die ODL-Plattform noch RippleNet für direkte Überweisungen von Kundengeldern – ob digital oder nicht. Darüber hinaus ist MoneyGram keine Partei in der SEC-Klage.

Man wolle „weiterhin die Entwicklung der Klage im Hinblick auf mögliche Auswirkungen beobachten“ und Risiken wie „Rechtsstreitigkeiten oder Untersuchungen […], die zu wesentlichen Vergleichen, Geldstrafen oder Bußgeldern, Vertragskündigungen, anderen Verwaltungsmaßnahmen oder Prozessen und negativer Publicity führen könnten“ im Blick halten. Ein Treueschwur klingt anders.

Grayscale löst XRP-Fonds auf

Am 5. Januar folgte sodann ein weiterer Rückschlag. Der weltweit größte Vermögensverwalter für digitale Assets Grayscale hat bekannt gegeben, den XRP-Fonds aufzulösen. In einer offiziellen Mitteilung erklärte Grayscale, „die Bareinnahmen zum Kauf der verbleibenden Fondsbestandteile zu verwenden: Bitcoin, Ethereum, Litecoin und Bitcoin Cash“.

Am 30. Dezember 2020 gab Genesis Global Trading, Inc. als autorisierter Teilnehmer des Fonds bekannt, dass er mit Wirkung vom 15. Januar 2021 um 17 Uhr ET den Handel mit XRP vorübergehend aussetzen wird. Gemäß der Dokumentation des Fonds kann der Manager während der vierteljährlichen Überprüfung des Fonds beschließen, einen digitalen Vermögenswert aus dem Portfolio des Fonds auszuschließen, auch wenn er die Aufnahmekriterien des Fonds erfüllt, insbesondere wenn der zugelassene Teilnehmer nicht in der Lage ist, diesen digitalen Vermögenswert zu handeln oder anderweitig zu unterstützen.

Infolgedessen werde „der XRP Fonds aus dem Portfolio entfernt und die XRP-Bestände verkauft“.

Walpopulation sinkt

Im Zuge dessen wundert es kaum, dass die Zahl der XRP-Großinvestoren drastisch gesunken ist. Coinmetrics zufolge ist die Anzahl der Adressen, die mindestens eine Million XRP halten, von 1.721 am 21. Dezember auf 1.567 am 3. Januar gefallen.

Der prominenteste unter ihnen dürfte Jed McCaleb sein, ehemals Ripple CTO und Mitgründer von Stellar. Als Abfindung erhielt McCaleb 2014 9,5 Milliarden XRP, von denen er Teile im regelmäßigen Takt veräußert. Laut Whale Alert hat McCaleb allein in 2020 „weitere 1,2 Milliarden XRP für insgesamt 411 Millionen US-Dollar verkauft, was den Gesamtwert seiner Verkäufe auf 546 Millionen US-Dollar bringt“. Es scheint, als habe der Ripple-Gründer die Zeichen der Zeit früh erkannt. Die meisten XRP-Investoren haben sich hingegen verkalkuliert und können nur noch in die Röhre gucken.

Das Drama um Ripple dürfte auch in den nächsten Wochen und Monaten eines der spannendsten Themen im Krypto-Space bleiben. Zu Ripples Verteidigung muss erwähnt werden, dass die Haltung der US-Börsenaufsicht kein Rechtsurteil darstellt. Der Fall muss erst vom zuständigen Bundesbezirksgericht in Manhattan geklärt werden und könnte sich noch einige Jahre hinziehen. Ob Ripple und XRP noch dann eine wichtige Rolle im Krypto-Ökosystem spielen werden, ist jedoch angesichts der sich überschlagenden Ereignisse fraglich.

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