Der tiefe Fall eines Hoffnungsträgers Sam Bankman-Fried: Gescheiterter Visionär oder Milliardenbetrüger?

Nur Zuckerberg wurde schneller reich. Niemand verlor so schnell sein Vermögen. Nächste Woche startet der Prozess gegen SBF. Das Porträt eines Mannes voller Widersprüche.

Giacomo Maihofer
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FTX-Gründer Sam Bankman-Fried

Beitragsbild: FTX

| FTX-Gründer Sam Bankman-Fried.

Er verspricht, die zu Welt retten – mit Krypto. So viel Vermögen anhäufen wie möglich, dann fast alles spenden. Das war seine Mission. Ihr Name: “effektiver Altruismus”. Und lange Zeit sieht es so aus, als würde Sam Bankman-Fried (kurz: SBF) sein Versprechen verwirklichen. Einige sahen in ihm bereits den J.P. Morgan der Krypto-Ära. Andere gleich: den Retter der Krypto-Branche, ihren Robin Hood.

Mit einem Vermögen von über 11 Milliarden US-Dollar wird der FTX-Gründer in fünf Jahren der zweitreichste Krypto-Unternehmer der Welt, direkt nach Binance-CEO Changpeng Zhao. Nur Mark Zuckerberg wurde laut Forbes schneller reicher als der heute 30-Jährige.

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Dann stürzt am 9. November 2022 sein Imperium ein, die größte US-Kryptobörse: FTX. Und mit ihr: das Bild des gefeierten, gewissenhaften und genialen Jungunternehmers. Dahinter: tiefe Abgründe. Zehn Milliarden US-Dollar seines Vermögens werden in diesem Moment ausgelöscht – über 94 Prozent seines Reichtums. In 24 Stunden. Ein Rekord. Noch nie hat ein Milliardär aus der Forbes-Liste an einem einzigen Tag so viel seines Vermögens verloren wie er.

Die Staatsanwaltschaft spricht von einem der “schlimmsten Finanzbetrüge” der US-Geschichte. Am 3. Oktober 2023 beginnt in New York der Prozess gegen SBF. Maximalstrafe: 115 Jahre Gefängnis. Die große Frage: Ist er ein gescheiterter Visionär – oder skrupelloser Milliardenbetrüger?

Er braucht nur drei Jahre für den Aufstieg

Sam Bankman-Fried wird 1992 auf dem Campus von Stanford geboren, als Sohn zweier Rechtsprofessoren der Elite-Uni. Nach Abschluss einer privaten High School in der Bay Area studiert er vier Jahre Physik am MIT. Die meiste Zeit verbringt er allerdings mit Videospielen wie “Starcraft” und “League of Legends”. Er liebt den Rausch, schnelle Entscheidungen unter Zeitdruck zu treffen: “Beim Schach oder anderen Spielen bestand er immer darauf, mit einem Timer zu spielen”, sagt ein Studienkollege über ihn einmal im Interview.

Am Anfang seines Weges besitzt er nicht einmal einen Bitcoin. Dann kommt er als Krypto-Trader zu Millionen – durch das Ausnutzen eines Schlupflochs, einer beachtlichen Preisdifferenz des Bitcoin-Preises zwischen Japan und den USA, der “Kimchi Prämie”. Am Ende macht er 25 Millionen US-Dollar Gewinn mit einem Trade. Mit dem Geld und großzügigen Finanzierungen durch Fonds gründet er 2019 FTX. Nach nur drei Jahren ist es eine der wertvollsten und größten US-Kryptobörsen, mit gigantischer Kriegskasse.

Nach außen inszeniert er sich bescheiden

Forbes 30 unter 30, Retter einer zweifelhaften Branche, der Mann, dem scheinbar alle vertrauen: Stars wie Tom Brady und Larry David, selbst die Regulatoren aus Washington und Hunderttausende von Kleinanlegern – weltweit. Der Grund auch: sein Image. Sam Bankman-Fried geriert sich als “effektiver Altruist”. Krypto für ihn: Mittel zum Zweck. Die Philosophie: So viel Reichtum anhäufen wie möglich, um fast alles davon zu spenden.

Nach außen inszeniert SBF sich bescheiden. Veganer aus Überzeugung. Zerzauste Haare und Schlabberlook. Über die Straßen der Bahamas, in denen FTX seit 2021 seinen Sitz hat, fährt er mit einem Toyota Corolla. Nachts schläft er im Büro, auf einem Sitzsack. Weniger als fünf Stunden pro Nacht. Die Mitarbeiter können ihn jederzeit wecken, wenn sie Rat suchen. Ein Mann auf heiliger Mission. Ein Wohltäter.

Die andere Seite des Erfolgs

Oder doch: Übeltäter? Der Sturz von FTX bringt andere Bilder ans Licht. Drogenexzesse, offene Sexbeziehungen, verschwenderischer Luxus: So lebt die FTX-Elite auf den Bahamas. 250 Millionen US-Dollar verprasst SBF für Apartments und Partys. “Sie machten die Nächte durch, schnupften Adderall und rochen, als hätten sie eine Woche lang nicht geduscht”, erzählt ein Anwohner des Luxushotels Albany gegenüber der New York Post. Dort hat sich SBF für 40 Millionen US-Dollar mit FTX-Gefährten ein Penthouse gegönnt.

Er schmeißt mit Geld um sich: 16 Millionen gibt er an seine Eltern, 100 Millionen an Parteispenden, vor allem an die Demokraten. Er ist der zweitgrößte Spender ihrer Geschichte. Wieder Millionen fließen an Sportvereine, die Universität von Stanford und für Werbung mit Stars, wie Larry David. Geld regiert die Welt. Und SBF hat tiefe Taschen, wird gefeiert: ein US-amerikanischer Held.

Alles stürzt zusammen

Dann macht am 9. November 2022 eine Nachricht die Runde. Angeblich fehlen sieben Milliarden US-Dollar im Balance Sheet von FTX. Kundengelder wurden veruntreut. Die Börse geht pleite. Assets werden eingefroren. Im Raum stehen Vorwürfe von Bilanzfälschung, Kundengelder-Veruntreuung bis Geldwäscherei. Und Sam Bankman-Fried: am Pranger.

“Ich habe eine Pflicht, zu erklären, was passiert ist, das Richtige zu tun – und unseren Kunden zu helfen”, sagt er in seinem ersten Interview mit der New York Times am 1. Dezember 2022. Seine Anwälte raten ihm davon ab. Er spricht auch mit VOX – gegen ihren Willen. Und er lässt sich auf Schritt und Tritt vom Journalisten Michael Lewis für dessen Buch über den FTX-Skandal begleiten.

Er hat mich alles sehen lassen. Als FTX im November letzten Jahres zusammenbrach, waren es buchstäblich nur ich, seine Eltern und sein Therapeut. Und ich kann so lange bleiben, wie ich will, und sehen, was ich will. Und dann ist da die andere merkwürdige Sache. Er hat nicht nur nie versucht, etwas zu kontrollieren, was ich denke oder was ich schreibe, er hat auch nie gefragt: Was machst du da? Er hat mir einfach die Freiheit gelassen, eine Freiheit, die wirklich ungewöhnlich ist, vor allem in Anbetracht der Umstände, um einfach zu versuchen, ihn und seine Situation zu verstehen.

Michael Lewis gegenüber The Guardian

Zwei Geschichten, (k)eine Wahrheit

“Entweder du bist ein junger Mann, der eine Serie von schrecklichen Entscheidungen traf. Oder du hast einen massiven Betrug begangen, das hier ist ein Ponzi Scheme”, sagt der NYT-Journalist Andrew Ross Sorkin, in dem ersten Interview mit SBF. Und diese Frage steht immer noch im Raum. Mit ausreichend Beweisen für beide Seiten.

Die Insolvenzverwalter von FTX entlarven ein schockierendes Datenchaos: Milliarden von US-Dollar werden in einem unübersichtlichen Sammelsurium von Google-Dokumenten und Excel-Tabellen verwaltet, Schlüssel zum Vermögen auf Cloud-Servern gespeichert, tausende Transaktionen verschludert. Risikomanagement? Gibt es kaum, so das Fazit.

Aus der Sicht von SBF ist der Crash einfach passiert, ohne Intention. Er habe die Übersicht verloren. Der Grund: Alameda Research, der von ihm gegründete Hedgefonds, habe eine immer größere Short-Position aufgebaut. Und das auch mit Kundengeldern. Er selbst habe darüber nichts gewusst.

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Anders erzählen es ehemalige Weggefährten, beispielsweise Caroline Ellison, die Chefin von Alameda und lange Zeit: seine Geliebte. Sie habe in Absprache mit ihm gehandelt. “Ich wusste, dass es falsch war.” Ellison bekennt sich schuldig. Und wird vor Gericht gegen ihn aussagen. “Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass all das geschehen konnte – ohne SBFs Beteiligung”, meint der Reporter Matthew R. Lee, der den Fall im Gericht begleitet, gegenüber BTC-ECHO.

Sam Bankman-Fried plädiert auf unschuldig. Und sitzt seit Wochen in Manhattan in Haft. Fernab von allem Luxus. Er ernährt sich von Brot, weil die Wärter dem Veganer ansonsten nur Fleisch vorsetzen, heißt es von Seiten der Verteidigung. Und er streitet mit dem Justizministerium um mehr Zugang zu seinem Laptop. Am 3. Oktober 2023 bekommt er vor Gericht die Bühne, um der Welt endlich zu sagen, “was wirklich passiert ist”. Ob ihm dann noch irgendjemand glaubt?

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