Alles unter Kontrolle? Decentralized Finance (DeFi): So wahrscheinlich ist ein Verbot

Der Sektor der dezentralen Finanzanwendungen, kurz DeFi, wächst unaufhaltsam. Mit zunehmender Relevanz droht allerdings auch staatliche Gegenwehr in Form massiver regulatorischer Maßnahmen. Wo wir aktuell in puncto DeFi-Regulierung stehen, warum man den Einfluss der Bankenlobby nicht unterschätzen sollte und wieso progressive Banken selbst auf DeFi zugehen.

Sven Wagenknecht
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Bitcoin Münze angekettet im DeFi Sektor

Beitragsbild: Shutterstock

Schon seit einigen Monaten können Finanzinstitute und vor allem Vermögensverwaltungen Mittelabflüsse in den Krypto-Sektor feststellen. Das Gros des Kapitals dürfte vorerst bei den zentralen Krypto-Börsen wie Coinbase oder Bison sowie BSDEX von der Börse Stuttgart landen.

Mit dem gegenwärtig starken Ausbau des dezentralen Finanzsektors (DeFi), der eben nicht wie die genannten zentralen Krypto-Börsen klassisch reguliert wird, droht nun die nächste Abwanderung gen dezentrale Börsen wie Uniswap oder Non-custodial Wallets wie MetaMask. Immer mehr Gelder fließen also wieder in den dunkelgrauen Kapitalmarkt, bei dem keine Behörde wirklich weiß, wer wie viel und was im DeFi-Sektor investiert.

Know-Your-Customer- oder Anti-Geldwäsche-Vorgaben existieren schlichtweg nicht. Sowohl Staaten als auch traditionelle Finanzinstitute haben also allen Grund, gegen den DeFi-Sektor vorzugehen.

DeFi: Schluss mit Nische

Der Prozess, bis es zu harten regulatorischen Maßnahmen kommt, ist dabei fast immer der Gleiche. Anfangs ist etwas – in diesem Fall der Krypto bzw. DeFi-Sektor – zu klein, als dass man sich als Staat respektive Behörde darum sorgt. Doch mit zunehmender Größe und Relevanz ist ein Ignorieren schlichtweg nicht mehr möglich.

Kommt es zu diesem Punkt, dann sehen sich Staaten – zum vermeintlichen Schutze der Verbraucher und zum Unterbinden von Kriminalität sowie Terrorismus – gezwungen, zu handeln. Bei den DeFi-Anwendungen sind wir dieser Schwelle inzwischen ziemlich nahegekommen. Schließlich sind es Unternehmen wie Square und Personen wie Jack Dorsey, die mit gefüllten Taschen und riesiger Reichweite den DeFi-Sektor mehrheitsfähig machen. So schnell wie sich der Sektor weiterentwickelt, wäre es nicht undenkbar, dass die DeFi-Branche die Nische in den nächsten zwei bis drei Jahren verlässt und eine kritische Masse an Nutzern weltweit für sich gewinnt.

Regulierung ad absurdum

Aktuell versucht der Staat vor allem die zentral verwalteten Anwendungen der Krypto-Ökonomie zu regulieren. Also beispielsweise die zentrale Verwahrung von Kryptowährungen und dessen steuerliche Erfassung, wie sie unter anderem bei Brokern wie Coinbase, Bitpanda etc. vorkommt. So legt man oftmals die gleichen Kriterien und Maßstäbe an, wie für traditionelle Banken respektive Finanzdienstleistungen. Gerade mit Hinblick auf den DeFi-Sektor sind derartige Vorgaben in der Praxis aber kaum umsetzbar. Auch der Digitalverband Bitkom betonte bereits die Nachteile, die dem Sektor dadurch entstehen. Die dezentrale Logik des DeFi-Sektors lässt sich nicht in ein zentralistisches Korsett drängen. Die Straßenverkehrsordnung gilt schließlich auch nicht für die Schifffahrt oder den Flugbetrieb.

DeFi-Anwendungen, wie beispielsweise Initial Dex Offerings, NFT Staking innerhalb von DAOs, Liquidity Mining etc., mögen zwar auf der To-do-Liste der Behörden stehen, doch werden diese gegenwärtig – aufgrund der behördlichen Ohnmacht – toleriert. Doch nicht nur der Staat schaut dieser Entwicklung unbeholfen zu, sondern auch viele große Banken wissen nicht, wie sie mit dieser Entwicklung umgehen sollen. Gerade die Finanzinstitute, die sich in die Ecke gedrängt fühlen, könnten dafür sorgen, dass sich der Druck auf den dezentralen Krypto-Sektor erhöht.

Bankenlobby sollte nicht unterschätzt werden

Im Gegensatz zum Blockchain-Sektor verfügt die traditionelle Finanzwelt über massiven Einfluss auf die Politik. Bankenlobby-Gruppen gehören zu den einflussreichsten Lobbyverbänden. Vor allem in den USA zeigt sich der Einfluss ehemaliger Spitzen-Banker in der Politik. Vom Finanzminister bis hin zum Notenbankchef, viele Spitzenpositionen in öffentlichen Ämtern werden von ehemaligen Bankern der Top-Adressen, wie Goldman Sachs oder JP Morgan, besetzt.

Sollte es den Top-Banken in nächster Zeit nicht gelingen, selbst Schnittstellen zu DeFi-Anwendungen zu integrieren und seinen Kunden anzubieten, dann könnte man sehr wirksam seine Interessen an die Politik richten. Auch wenn es aus den USA und Europa immer wieder heißt, dass man Krypto nicht verbieten wird, so schließt das nicht aus, dass man den DeFi-Sektor de facto zu Tode reguliert. Die Anforderungen an DeFi-Nutzer und Betreiber könnten derart hochgeschraubt werden, dass sie im legalen Rahmen nicht mehr wirtschaftlich attraktiv sind. Ein konkretes Beispiel dafür ist der Entwurf des Bundesfinanzministeriums (BMF). Dieser sieht eine Verlängerung der Staking-Haltefrist von einem auf zehn Jahre vor.

Banken und DeFi schließen sich nicht aus

Vertritt man die Annahme, dass sich Innovation langfristig immer durchsetzt, dann ist es ein großer Fehler der Banken, nicht auf DeFi zu setzen. Entgegen der Ansicht, dass der DeFi-Sektor zur Substituierung des Bankensektors führt, können Banken ihre eigene Wertschöpfung mithilfe von DeFi-Protokollen erhöhen.

Ein rein dezentraler Finanzsektor mag für manche ein idealistischer Wunsch sein, der allerdings vollkommen unrealistisch ist. Für eine funktionierende Ökonomie braucht es Mittelsmänner, die Verantwortung und Haftung übernehmen sowie Risiken reduzieren. Der DeFi-Sektor kann daher viel mehr als eine Erweiterung des Finanzsektors gesehen werden, die zu besseren, inklusiven und faireren Angeboten führt. Erste Banken haben das verstanden und versuchen, sich an diesen Schnittstellen – so etwa die ING Diba oder die TEN31 in Deutschland.

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