Populismus à la Lagarde Die EZB-Chefin im Krypto-Faktencheck

Krypto sei reine Spekulation, bedrohe den Westen und spiele Putin in die Hände, so Lagarde. Wo die EZB-Chefin recht hat – und wo sie irrt.

Giacomo Maihofer
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Christine Lagarde

Beitragsbild: Shutterstock

Wenn Christine Lagarde über Krypto spricht, knallt es meist – und zwar heftig. Neben US-Demokratin Elizabeth Warren hat sich die EZB-Chefin in den vergangenen Monaten zu einer absoluten Hardlinerin bei der Regulierung von Bitcoin und Co. aufgeschwungen.

Kryptowährungen seien rein “spekulative Assets”, dienten der Geldwäsche, dem Drogenhandel und anderen kriminellen Machenschaften, neuerdings auch dem Kreml, der über Krypto die Sanktionen des Westens umgehe. “Sie sind eine Gefahr”, resümiert die EZB-Chefin. Und fordert immer strengere Regulierungen. Ist das düstere Bild gerechtfertigt? Ein Faktencheck.

1) Lagarde zum Währungsstatus von Krypto

Kryptowährungen sind keine Währungen, Punkt. Sie sind hochspekulative Assets, die sich als Währungen rühmen, aber sie sind keine.

Christine Lagarde (Bloomberg, 2021)

Über 18.000 Kryptowährungen existieren mittlerweile. Einige, wie Monero oder Litecoin, verstehen sich als digitales Zahlungsmittel, andere wie Bitcoin werden als Wertspeicher gesehen, ähnlich wie Gold. Sind Kryptowährungen wirklich Währungen? Das ist eine philosophische, politische und rechtliche Frage. Die Antwort darauf liegt nicht allein in den Händen von Christine Lagarde und der EZB. Auch wenn sie sich gerne so aufführt.

Mit der Unterscheidung zwischen Asset und Währung trifft die EZB-Chefin keine faktische Aussage. Sie spricht ein Machtwort aus, in eigenem Interesse. Die Revolution der meisten Kryptowährungen ist, dass sie ohne Vermittler funktionieren, sie brauchen keine Staaten oder Banken zur Abwicklung. Das bedroht die geldpolitische Vormachtstellung von Institutionen wie der Europäischen Zentralbank. Sie kann Krypto nicht so leicht kontrollieren wie den Euro.

Fakt ist: Bisher akzeptiert nur El Salvador Bitcoin als Währung, andere Regionen wie Lugano in der Schweiz erkennen Kryptowährungen immerhin als Zahlungsmittel an. Auch immer mehr große Unternehmen wie PayPal oder Tesla tun das, zumindest im angelsächsischen Raum. Viele Staaten arbeiten gleichzeitig an digitalem Zentralbankgeld, die EU unter Schirmherrschaft von Christine Lagarde. Das zeigt auch: Am Ende geht es bei der Definition knallhart um Macht. Ein digitaler Euro wäre de facto eine Kryptowährung, allerdings programmiert nach den Vorstellungen der EZB und in ihren Händen. Er ist deshalb hochumstritten.

2) Lagarde über Krypto und Geldwäsche

Bitcoin ist ein hochspekulativer Vermögenswert, der einige fragwürdige Geschäft und interessante und völlig verwerfliche Geldwäscheaktivitäten zur Folge hat.

Christine Lagarde (Reuters, 2021)

Der Ruf als Eldorado für Geldwäsche begleitet Kryptowährungen wie Bitcoin schon lange. Fakt ist: In den letzten fünf Jahren wurden weltweit mithilfe von Krypto 33 Milliarden US-Dollar gewaschen. Allein 2021 sah einen Anstieg um 30 Prozent, so der US-Datendienstleister Chainalysis, der Krypto-Finanzkriminalität seit 2014 untersucht. Zum Vergleich: Allein in Europa werden jedes Jahr zwischen 715 Milliarden und 1.87 Billionen mit dem Euro gewaschen, so das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC).

Die Transaktionen von Kryptowährungen werden auf Blockchains gespeichert, für alle einsehbar. Diese Transparenz erleichtert die Verfolgung von Finanzkriminalität, betonen Experten wie Chainalysis immer wieder. Tatsächlich konnten Datendienstleister und Behörden in den vergangenen Jahren viele Betrügereien, Hacks und Geldwäsche-Aktivitäten im Bereich Krypto genau deshalb aufklären und die Hinterleute überführen. Einen genaueren Report zum Thema findet ihr in der März-Ausgabe von BTC-ECHO.

Lagarde über Krypto und Sanktionen

Krypto-Vermögenswerte werden in diesem Moment sicherlich als Möglichkeit genutzt, um die Sanktionen zu umgehen, die von vielen Ländern auf der ganzen Welt gegen Russland und eine bestimmte Anzahl von Akteuren beschlossen wurden.

Christine Lagarde (Virtuelle Konferenz, 2022)

Nach Beginn der Invasion explodierte der Handel zwischen Kryptowährungen und dem Rubel kurzzeitig um 900 Prozent. Darauf verweist auch die EZB-Chefin. Russische Wale verschoben im März über dubiose Krypto-Börsen ein Vermögen im Wert von 62 Millionen US-Dollar, beide Zahlen waren ein Rekord seit Mai 2021. Mittlerweile sind die Volumen radikal gefallen. Viele Krypto-Börsen wie Coinbase haben Sperren gegen Accounts verhängt, die mit sanktionierten Personen aus Russland in Zusammenhang stehen, insgesamt Tausende. Auch ist das Bruttoinlandsprodukt von Russland viel zu groß, um durch Krypto sinnvoll abgedeckt zu werden.

Dass Russland im großen Stil auf Kryptowährungen setzt, lasse sich nicht beweisen, resümiert ein detaillierter Bericht von Chainalysis, dem weltweit führenden Datenanalysten in Sachen Krypto. Ähnlich skeptisch äußerte sich der FBI-Chef. Die Fähigkeit der Russen, die Sanktionen mit Kryptowährungen zu umgehen, werde “massiv überschätzt”. Die Aktivitäten auf der Blockchain seien einfach nachzuverfolgen und die Behörden mittlerweile Experten darin.

Von Lagarde bisher unbeachtet, zeichnet sich aber durchaus eine Gefahr ab. Russland baut sich zum Krypto-Staat um, so scheint es. Der Premier fordert, Kryptowährungen schnellstmöglich in die Wirtschaft zu integrieren. Auch das Mining von Bitcoin soll staatlich reguliert und gefördert werden. Bereits jetzt ist Russland der drittgrößte Schürfer von Bitcoin auf der Welt, nach den USA und Kasachstan.

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