Umweltdebatte wird zur Schlammschlacht “Gift” für die USA? Jack Dorsey und Co. wehren sich gegen Mining-Vorwürfe

US-Demokraten und Krypto-Promis bekriegen sich im Streit um das Schürfen von Kryptowährungen. Sein Ausgang könnte die ganze Branche gefährden.

Giacomo Maihofer
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Mining

Beitragsbild: Shutterstock

Zwischen führenden US-Demokraten und Prominenten der Krypto-Industrie bahnt sich eine Schlammschlacht an – um das umstrittene Mining von Kryptowährungen. Ihr Ausgang könnte die ganze Branche gefährden. Denn kein Land schürft so viel Bitcoin wie die USA.

Es verbrauche zu viel Energie und torpediere den Kampf gegen den Klimawandel, so der wiederholte Vorwurf der US-Demokraten. Im April 2022 wenden sie sich mit drastischen Worten direkt an die führende Umweltbehörde der USA, die Environmental Protection Agency (kurz EPA). Sie fordern eine harte Regulierung der Branche.

Mining soll gerecht und nachhaltig werden

“Das Mining von Kryptowährungen vergiftet unsere Gemeinden”, schreiben die Demokraten in einem offenen Brief an die EPA. Unter den über 50 Unterzeichnern finden sich politische Schwergewichte wie Alexandria Ocasio-Cortez. Man müsse die schnell wachsende Kryptoindustrie zur “Rechenschaft ziehen” und “sicherstellen, dass sie auf nachhaltige und gerechte Weise arbeitet.”

Die Liste ihrer Vorwürfen ist lang, schwerwiegend – und altbekannt. Das Mining von Bitcoin verbrauche so viel Energie wie ganz Griechenland, produziere gigantische Mengen an Elektroschrott und verletzte mit der Verpestung von Luft und Wasser geltende US-Gesetze. Dazu kämen Beschwerden von Gemeinden über starke Lärmbelästigung durch Mining-Farmen.

Die Demokraten beziehen sich in ihrer Kritik auf Studien von Forschern weltweit. Und werben gleichzeitig für eine Alternative: den Umstieg auf Kryptowährungen, die ohne Mining auskommen, wie beispielsweise Algorand. Sie nutzen einen anderen Konsensalgorithmus, Proof of Stake. Dieser würde “99 Prozent weniger Energie” verbrauchen. Ethereum plant für Ende des Jahres den Umstieg auf dieses Modell. Warum das für Bitcoin keine Option ist, lest ihr hier.

Die Mining-Industrie antwortet

Das “digitale Gold” gerät aufgrund seines hohen Energieverbrauchs weltweit in die Schusslinie von Regulatoren. Die Volksrepublik China schickte 2021 seine Miner wegen Umweltbedenken gleich in den massenhaften Exodus. Die EU hat aus denselben Gründen beinahe ein de facto Bitcoin-Verbot im März 2022 verabschiedet – BTC-ECHO berichtete. Auch Wikipedia und Mozilla strichen Krypto-Spenden aus ihrem Repertoire. Die Luft für Miner wird demnach immer dünner.

In den USA feuern diese nun zurück – mit einem Antwortbrief an die EPA. Er trägt die Handschrift vieler prominenter Unterstützer von Kryptowährungen wie Michael Saylor, dem umstrittenen Gründer von MicroStrategy. Seine Firma hält die meisten Bitcoin der Welt und sieht sich gerade Betrugsvorwürfen ausgesetzt. Auch Ex-Twitter-Chef Jack Dorsey hat unterzeichnet. Er leitet heute Block, ehemals Square, eine der größten Firmen für BTC-Mining der Welt. Sie arbeitet mit Tesla am ökologisch nachhaltigen Betrieb von Bitcoin-Farmen, beispielsweise in Texas.

Mit ihrem Brief wollen die Miner-Promis “Ungenauigkeiten korrigieren und die Öffentlichkeit aufklären”, so Saylor in einem Tweet, der in den sozialen Medien unter Bitcoin-Fans viral geht. Die Miner gehen acht zentrale Vorwürfe der Demokraten im Detail durch, entkräften diese mit eigenen Studien, Zahlen und Statistiken. Und sperren sich gegen jede staatliche Intervention.

Dass Bitcoin-Farmen massenhaft Elektroschrott produzierten sei beispielsweise eine reine “Schimäre” und “akademischer Fantasie entsprungen”. Es gebe diesen Müll schlicht nicht und die Forscher würden keine “relevanten” Industriedaten einbeziehen. Auch würden viele Mining-Firmen auf erneuerbare Energien setzen, ihr Anteil am Strommix betrage über 60 Prozent, mehr als in den meisten anderen Industrien. Und würde stetig wachsen.

Die Strohmänner der Miner

Teilweise bauen die Miner in ihre Argumentation aber selbst Strohmänner auf. So weisen sie darauf hin, dass Bitcoin-Farmen keine Stromproduzenten seien, sondern Datencenter, so wie die von Google, Apple und Co. Diese erzeugten streng genommen weder Strom noch Emissionen, sondern bezögen Energie vom Netz. Ob das abgesehen von technischen Begrifflichkeiten einen Unterschied macht, darf man bezweifeln.

Gleichzeitig stellen Experten die von ihnen angeführten Studien in der Vergangenheit infrage. So schreiben Cambridge-Analysten in einem Report von 2022, der weltweite Anteil an erneuerbaren Energien beim BTC-Mining sei letztes Jahr auf 25 Prozent gefallen – nicht wie von der Industrie behauptet gestiegen.

Debatte dreht sich im Kreis

An diesem Beispiel offenbart sich das Kernproblem des politischen Schlagabtausches zwischen Minern und Regulatoren. Komplett unabhängige Studien, auf die sich beide Seiten beziehen können, gibt es kaum. Viele Aussagen beruhen auf Hochrechnungen lückenhafter Datensätze. Manche Miner sperren sich aus Überzeugung jeder Offenlegungspflichten, beispielsweise Slush Pool, die älteste Miner-Gruppe der USA. Ihr Ethos: Man kontrolliere seine Miner nicht, erhebe keine Daten.

Ohne klare Fakten dreht sich die Debatte um Bitcoins ökologischen Fußabdruck in einer sinnlos eskalierenden Rhetorikspirale. Die Gefahr einer harten Regulierungslinie wächst. Bisher hat die EPA zu keinem der beiden Briefe eine Stellung bezogen. Doch das dürfte nur eine Frage der Zeit sein. US-Präsident Joe Biden ordnete im März 2022 die Regulierung der Krypto-Branche an. Bis Ende des Jahres erwartet man erste Gesetzesentwürfe.