Sebastian Markowsky im Interview: “Bitcoin ist ein Rettungsanker”

Die Inflation frisst Fiat-Ersparnisse und schafft soziale Ungleichheit. Warum Bitcoin als Rettungsanker vielen Menschen helfen kann, erklärt Krypto-Experte Sebastian Markowsky im Interview.

Tobias Zander
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| Warum Bitcoin ein Rettungsanker ist, erklärt Sebastian N. Markowsky im BTC-ECHO Interview

Weltweit sehen sich Menschen mit einer beschleunigten Entwertung ihrer Fiatwährungen konfrontiert. Vor allem in Schwellenländern wie Argentinien und der Türkei ist die Situation dramatisch. Abhilfe könnte Bitcoin schaffen, das meint zumindest Sebastian Markowsky. Bei der CAC in Frankfurt traf BTC-ECHO auf den Geschäftsführer und Managing Director bei Capitalmind Investec für den Bereich Technologie in Deutschland sowie Aufsichtsrat der Advanced Blockchain AG.

Kürzlich erschien von ihm das Buch “Rettungsanker Bitcoin – Wie uns das digitale Gold vor der Inflation schützen kann“, welches unter Mitwirkung der Philosophin Simone Matthaei und des im Januar überraschend verstorbenen Ökonomen und Krypto-Experten Philipp Sander entstand. Ein Gespräch darüber, warum die Krypto-Leitwährung ein besserer Wertspeicher ist als Gold und der Fall El Salvador noch immer unterschätzt wird.

BTC-ECHO: Das Bitcoin Halving dominierte wochenlang den Krypto Space und wurde nun erfolgreich abgeschlossen. Was macht dieses Ereignis überhaupt so wichtig?

Sebastian Markowsky: Durch das Halving werden alle vier Jahre die Mining Rewards halbiert. Und wegen des reduzierten Angebots bei gleichbleibender Nachfrage kam es bei vergangenen Zyklen zu einem Preisanstieg nach dem Halving. Vermögensgegenstände mit einem begrenzten Angebot können schlussendlich nicht über die Menge, sondern nur über den Preis reagieren und sind dementsprechend volatil.

Das war bei Gold über hunderte Jahre hinweg ganz ähnlich. Dazu kommt das neue Thema Bitcoin ETF, die erste Stufe der institutionellen Adoption, wodurch die Nachfrage zunimmt. Es sind derzeit noch viele Privatanleger, aber wenn die institutionellen Investoren mit noch mehr Masse in den Markt kommen, könnte der Preiseffekt durchaus explosiver sein als bei den letzten Halvings, auch wenn der absolute Effekt des Halvings kontinuierlich abnimmt.

Du bist also Optimist und glaubst, dass es nach dem Halving erst so richtig losgeht mit dem Bitcoin-Bullrun?

Ja, ich denke schon. Wobei es erfahrungsgemäß kurzfristig immer ein “Sell the News” Event war und es dann doch einige Monate gedauert hat, bis der Bitcoin-Preis angezogen hat. Wenn man das langfristig verfolgt, sieht man, dass die Tendenz und die positiven Vorhersagen oftmals auf längere Sicht richtig sind. Aber im ersten Moment treffen sie nicht ein, weil die Mehrheit einen zu unmittelbaren Effekt erwartet. Und wenn es dann tatsächlich passiert, hat die breite Masse nicht mehr den Fokus auf das Geschehen.

Kürzlich erschien unter deiner Mitwirkung das letzte Buch von Philipp Sandner mit dem Titel “Rettungsanker Bitcoin”. Was macht Bitcoin zum Rettungsanker?

Bitcoin wird sich vermutlich als einer der besten Wertspeicher durchsetzen und macht das auch bereits. Es ist die am schnellsten wachsende und sich am besten entwickelnde Assetklasse, die die Welt je gesehen hat. Das ist auch an dem größten Vermögensverwalter BlackRock nicht vorbeigegangen.

Es gab nur eine ganze Menge an Themen, die gelöst werden mussten, sodass der ETF-Genehmigung eine Menge Arbeit vorausging. Zunächst einmal das notwendige technologische Verständnis für Bitcoin. Das nächste war die regulatorische Einschätzung und da wird Bitcoin jetzt von der CFTC in den USA finanztechnisch und rechtlich als Rohstoff eingeordnet. Das dokumentiert eindrucksvoll, dass auch aus Sicht der CFTC niemand verantwortlich zeichnet für das Angebot neuer Bitcoin. Stattdessen handelt es sich um ein programmatisches Ereignis, weshalb Bitcoin schlussendlich ein Rohstoff ohne Emittent ist, genau wie Öl oder Gold.

Hältst du das für die richtige Einordnung: Bitcoin als Rohstoff?

Absolut. Ich beschreibe Bitcoin sogar gerne als eine anorganische Lebensform. Weil es funktioniert und nicht zu stoppen ist. Aber es gibt keinen, der dafür die Verantwortung trägt und man muss es auch nicht organisch am Leben erhalten. Erst die Klassifizierung als Rohstoff machte die Bitcoin ETFs möglich, denn wäre Bitcoin eine Security, dann wäre das regulatorisch in der Form nicht zulässig gewesen.

Wenn man sich anschaut, wie weit das Thema auf der institutionellen Seite schon durchdringen konnte, dann überrascht es, dass viele Privatanleger noch immer ein verzerrtes Bild von Bitcoin haben. Deshalb wollten wir aufklären und haben den Begriff des Rettungsankers gewählt. Bitcoin ist vermutlich einer der wichtigsten Wertspeicher unserer Zeit. Das wird sich auf lange Sicht vermutlich bewahrheiten, während es kurzfristig Volatilität und andere Dinge gibt, die Einzelinvestoren abschrecken.

Warum ist deiner Einschätzung nach Bitcoin ein besserer Rettungsanker als das klassische, physische Gold?

Gold ist ein Wertspeicher, der seit vielen hundert Jahren kulturell sehr etabliert ist. Schlussendlich ist Gold aber auch eine Möglichkeit, auf zensurresistente Art und Weise Vermögen weiterzugeben, von Generation zu Generation, gerade im indischen oder türkischen Kulturkreis. Bitcoin hat alle guten Eigenschaften von Gold und ergänzt gleichzeitig seine nicht so guten Eigenschaften.

Zum Beispiel kann man Gold nur schwer transportieren und wegen seines Gewichts hat es eine zentralisierende Tendenz. Viele Leute bringen ihr Gold zur Bank, sodass dort große Bestände liegen. Gold ist also sehr gut dafür geeignet, Wert über Zeit zu transportieren, aber im Raum sehr schlecht. Fiatgeld ist wiederum gut dafür, Wert durch den Raum zu transportieren, aber über Zeit sehr schlecht. Bitcoin kann als disruptive Technologie beides.

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Wir erleben derzeit eine erstaunlich hartnäckige Preisinflation. Könntest du dir vorstellen, dass Staaten irgendwann Bitcoin adaptieren, um ein stabileres Geld für ihre Bürger zu ermöglichen?

Vorstellen könnte ich es mir. Bei MicroStrategy sehen wir gerade, wie der Nutzen von einem knappen Vermögensgegenstand wie Bitcoin als Treasury Reserve Asset die Unternehmensführung und das Treasury Management revolutionieren kann. Wenn man keine Angst mehr davor haben muss, dass die Inflation Cash-Reserven auffrisst, werden Dividenden oder Aktienrückkäufe oft unnötig. Die Kaufkraft schmilzt ja nicht mehr weg, sondern erhöht sich, was die Überlebensfähigkeit von Unternehmen massiv stärkt.

Das lässt sich auf Staaten übertragen, zumal wir uns in einer Phase der monetären Expansion befinden. Es dauert wohl noch einige Jahre, aber wenn man unbegrenzt Fiatgeld generieren und dieses zur Bitcoin-Akkumulation nutzen kann, werden sicher einige Staaten diese Option nutzen. Dann würden Staaten Bitcoin kaufen, besitzen und zu einem gewissen Maße auch nutzen, um ihren Bürgern einen besseren Service liefern zu können. 

Betrachtest du El Salvador als Vorbild, weil dort Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt wurde oder siehst du diesen Top-Down-Approach eher skeptisch?

Grundsätzlich wurde die Signifikanz des Fallbeispiels El Salvador nicht erfasst. Das ist aus meiner Sicht ein sehr erfolgreiches Projekt für finanzielle Inklusion. In 50 Jahren hat das Fiat-System nur knapp 30 Prozent der salvadorianischen Bevölkerung in das Bankensystem überführt. Die Chivo-Wallet, das Bitcoin-Äquivalent eines Bankkontos, hat in nur 30 Tagen die Hälfte der Salvadorianer in das neue System gebracht. Und die reale Alternative dazu ist eben der US-Dollar.

Deswegen hat El Salvador auch nichts von dem Helikoptergeld oder vom Gelddrucken, sondern muss nur das lange Ende der Inflation ausbaden, weil sie ihre eigene Währung im Bürgerkrieg verloren haben. Da eine Alternative zu bieten, war für El Salvador ein großer Schritt. Natürlich gibt es eine Diskussion darüber, ob Bukele ein Diktator ist oder nicht und ob er die ganzen Coins besitzt und sein Volk betrügt. Das kann man nicht ausschließen. Aber wenn man sich auf die bekannten Fakten beschränkt, dann war es für El Salvador bisher ein guter Schritt. Es bleibt spannend zu beobachten, ob dem Beispiel weitere Nationalstaaten folgen.

Wird die Bitcoin-Adoption in Schwellenländern schneller vorangehen als in den etablierten westlichen Industriestaaten?

Ja, denn bei uns verstehen viele Menschen noch gar nicht, warum Zensurresistenz ein wichtiger Faktor des Bitcoin-Werteversprechens ist. Aktuell sind die USA oder Europa wahrscheinlich die Flecken auf der Erde, die den geringsten Nutzen hinter dem Use-Case Bitcoin sehen. Aber das Experiment Bitcoin hat für viele Menschen in den Schwellenländern das Leben schon positiv verändert, weil dort auch viel weniger Geld für einen massiven Unterschied nötig ist.

Und für die Bevölkerung dort war es schon immer wichtig, ihr Vermögen vor übergriffigen Politikern und Regierungsorganen zu sichern. Dort zeigt sich Bitcoin bereits als Rettungsanker, weil viele Menschen so viel Gewinn gemacht haben, dass sie selbst bei einer zehnjährigen Seitwärtsbewegung noch immer von einem großen Vermögenszuwachs profitieren.

Wenn wir uns in zehn Jahren wieder treffen bei der CAC in Frankfurt, welche Rolle wird Bitcoin dann in unserer Welt spielen?

In unserer Welt tatsächlich eine untergeordnete Rolle. Bitcoin wird also eine Sparinfrastruktur sein, für Unternehmen, für Menschen, aber auch für Staaten. Es wird allerdings im alltäglichen Leben nur bedingt sichtbar sein. An Bitcoin als etabliertes Zahlungsmittel glaube ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Trotzdem werden wir Layer-2s haben, wie es zum Beispiel Paypal sein könnte, wo schlussendlich eine Konvertierung erfolgt.

Die Zahlung läuft dann ganz normal über den Paypal-Account mit einer App, Infrarot oder Bluetooth und wird im Hintergrund abgewickelt. Aber der vermögensaufbauende Effekt für Leute, die in Bitcoin sparen, der wird immens sein. Außerdem begeistert mich das Thema Bitcoin als Collateral in Finanztransaktionen. Was Bitcoin als Geld gut macht, macht es als Collateral noch besser.

Wie meinst du das?

Bitcoin ist ein Wertspeicher. Das heißt, es hat einen gewissen Wert über Zeit, der tendenziell nach oben geht. Das sieht man besonders eindrucksvoll, wenn man sich den Bitcoin-Preischart als 200-Wochen-Durchschnitt ansieht. Wer seine Bitcoin beleiht und dafür zur Verfügung stellt, hat ein großes Interesse, diese Bitcoin auch wieder auszulösen. Es gibt kein Principle-Agent-Problem, weil Bitcoin virtuell ist und über Smart Contracts gemanagt werden kann. Wenn du mir 1000 Euro leihst für 0,1 BTC, dann kannst du klar definieren, dass die 0,1 BTC zu dir gehen, wenn ich dir diese 1000 Euro nicht innerhalb von zwei Jahren zurückgeben.

Wenn ich sie dir aber zurückgebe, dann gehen die 0,1 BTC zu mir zurück. Diese Form von Transaktionen als Collateral kann man unheimlich sicher und ohne Gegenparteirisiko gestalten. Und das ist in der Vergangenheit nur schwer und zu hohen Kosten möglich gewesen. Deswegen glaube ich, dass der Bitcoin als Collateral-Markt in zehn Jahren einer der größeren Finanzmärkte sein wird. Das finde ich sehr spannend, weil es Bereiche wie Versicherungen, aber auch das gesamte Finanzsystem massiv verändern wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

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