Anita Posch: "Bitcoin ist die Verkörperung von Menschenrechten"

Anita Posch kämpft mit Bitcoin für Menschenrechte. Warum das der ultimative Use-Case ist – und sie einen BlackRock-ETF pervers findet. Ein Gespräch. Anita Posch ist Menschenrechtsaktivistin und überzeugte Bitcoinerin. Ihr Buch "Bitcoin lernen" gilt als Standardwerk über das digitale Gold. Als Gründerin von "Bitcoin for Fairness" bringt sie Menschen in Entwicklungsländern den Wert von Bitcoin näher. Mit der Kryptowährung Nr. 1 die Welt besser und fairer machen, das ist ihre Mission. Ein Gespräch über den Kampf für Menschenrechte als ultimativen Use Case für Bitcoin, ihre Erfahrungen im südlichen Afrika und warum sie Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador kritisch sieht – und auch: den geplanten Bitcoin-ETF von BlackRock. Bitcoin wird viel nachgesagt: Für manche ist es digitales Gold, für andere ein reines Spekulationsobjekt oder kriminelles Darknet-Geld. Du und andere Aktivisten sagen, Bitcoin ist ein Werkzeug für den Kampf für Menschenrechte weltweit. Warum? Bitcoin ist die Verkörperung von Menschenrechten, es setzt diese durch. Für mich ist das sein ultimativer Use Case. Die drei Hauptgründe: Es ist unzensierbar. Wenn du es selbst verwahrst, kann es dir keiner nehmen. Es ist erlaubnisfrei: Ich muss niemanden fragen, ob ich eine Transaktion machen darf. Und es schützt die Privatsphäre. Ich muss meine Identität nicht hinterlegen. Was hat das mit Menschenrechten zu tun? Jede finanzielle Entscheidung von mir ist Ausdruck meiner Meinungsfreiheit. In Uganda stehen "homosexuelle Handlungen" beispielsweise unter Todesstrafe. Wenn ich in ein Schwulenlokal gehe, möchte ich, dass alles geheim bleibt. Mit Bitcoin kannst du außerdem weiterhin dein Versammlungsrecht ausüben, weil du deine Proteste finanzieren kannst. Menschenrechtsaktivisten können Widerstandsorganisationen Bitcoin senden, damit diese ihre Angestellten bezahlen oder es in die nationale Währung tauschen. Du warst knapp ein Jahr im südlichen Afrika unterwegs. Wie bringst du den Menschen dort den Wert von Bitcoin näher? Das Erste, was ich ihnen sage: Es ist kein Scam. Jeder dort ist entweder selbst betrogen worden oder kennt jemanden, dem es passiert ist. Ich erkläre ihnen: Es ist wie euer mobiles Geld, das ihr mit dem Handy per SMS versendet. Was dabei oft passiert: Die Regierung sperrt Konten oder erhebt hohe Gebühren. Mit Bitcoin kann das nicht passieren. Man muss wissen: In afrikanischen Ländern wurden Grenzen von kolonialen Mächten willkürlich gezogen, Bevölkerungsgruppen auseinander gerissen. Viele sind von den Einkünften ihrer Familienmitglieder in anderen Ländern abhängig. Mit Bitcoin können sie sich Geld günstig über Grenzen schicken. Und niemand kann es sperren. Außerdem sage ich ihnen, dass es inflationssicher ist. Es gibt 21 Millionen Bitcoin. Kein Staat oder Machthaber kann das manipulieren. Korruption: unmöglich. Das verstehen die Leute sofort. Du hast gesagt, Bitcoin schützt die Privatsphäre. Aber alle Transaktionen sind öffentlich auf der Blockchain einsehbar. Nichts ist privat, oder? Die Transaktionen sind alle ersichtlich. Aber dazu muss man die Adressen der Sender und Empfänger kennen. Solange ich meine Bitcoin verdiene und nicht auf zentralisierten Börsen wie Kraken und Co. kaufe, ist meine Adresse nicht mit meiner Identität verbunden. Da muss man aufpassen. Aber mit Lightning, einem Bezahlsystem für Bitcoin, wird die Privatsphäre noch weiter erhöht. Dort ist es sehr schwer bis gar nicht mehr nachvollziehbar, wer der Versender ist. Ich kann jemandem gegenüber meine Transaktionen offenlegen. Aber ich muss es nicht. Das ist das Tolle an Bitcoin und Kryptografie: Man kann selbst entscheiden, was man teilt. Aber wir müssen daran arbeiten, dass das noch einfacher wird. Du bist Bitcoinerin, aber in deinen Positionen außergewöhnlich. Du findest viele Entwicklungen scheiße, die Bitcoiner oft bejubeln. Beispiel: Bitcoin als Zahlungsmittel in El Salvador. Was stört sich daran? Ich finde es offen scheiße, wenn Leute auf Twitter einen Diktator bejubeln. Ich sage nicht, dass Bukele – der Präsident von El Salvador – einer ist. Das weiß man noch nicht genau. Aber er hat antidemokratische Mittel im Parlament verwendet. Außerdem: Bitcoin ist eine Graswurzelbewegung und kein gesetzlich verordnetes Geld. Natürlich kann ein Land das einführen. Dann kann ich meine Steuer in Bitcoin zahlen. Aber El Salvador ist ein schwieriges Beispiel für gute Adoption. Die Leute dort benutzen die Chivo-Wallet, wo sie nicht einmal Zugriff auf ihre eigenen Schlüssel haben. Es steht unter völliger Kontrolle des Staates. Man kann andere Wallets verwenden, aber die wenigsten Leute wissen das. Was ich immer wieder kritisiere, ist dieses unreflektierte Nachlaufen und Bejubeln von Leuten, die sich für Bitcoin aussprechen, ohne dass man hinterfragt: Wer ist das überhaupt? Welche andere Ideen bekommen da Raum? Momentan schauen ja alle mit Argusaugen auf das Rennen um einen Bitcoin-Spot-ETF und jubeln einer sehr kontroversen Firma zu, dem größten Vermögensverwalter der Welt: BlackRock. Sie profitieren von Krieg und Waffenhandel und sind in alle möglichen halb-illegalen Geschäfte verwickelt, nur um das Geld der Reichen zu mehren. Wie passt das zu Bitcoin als Graswurzelbewegung? Ich verstehe auch nicht, warum alle diesen ETF bejubeln. Es geht hier für viele nur darum, dass man hofft, schneller reich zu werden. Diese Leute wird es immer geben. Und Bitcoin ist ja für jeden offen: auch BlackRock. Selbst, wenn ich das ein wenig pervers finde. Aber auf der anderen Seite zeigt es, was für eine großartige Technologie dahinter steckt. Sonst würden die Institutionen nicht so hineindrängen. Einige bejubeln das daher auch als Beweis: Bitcoin funktioniert und wird weiter eine sichere Alternative bleiben, sogar mit institutioneller Möglichkeit.

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