Wer kauft wen? Banken vs. Krypto-Unternehmen: Stehen wir vor einem Umbruch?

Die Krypto-Industrie macht dem Bankensektor die Marktanteile streitig. Warum Bitpanda bald größer als die Commerzbank sein dürfte, die aktuelle Inflation die Krypto-Etablierung beschleunigt und sich das M&A-Geschäft der Banken noch an DeFi-Protokollen die Zähne ausbeißen wird.

Sven Wagenknecht
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Banken ATM zerstört

Beitragsbild: Shutterstock

In den Marketing-Abteilungen vieler Banken bedient man sich gerne an dem Begriff “Innovation”, wenn ein neues Produkt beziehungsweise eine neue Dienstleistung auf den Markt gebracht wird. Streng genommen handelt es sich dabei aber nur in den seltensten Fällen um wirkliche Innovationen. Ein Online-Banking-Auftritt oder ein digitalisiertes Sparbuch einer Bank sind keine Innovation, sondern lediglich eine Anpassung an das Internetzeitalter.

Besonders bei großen Banken, Versicherungen und anderen Finanzdienstleistern wie Börsen hat sich in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass sich diese sehr schwer damit tun, Bestehendes infrage zu stellen. Die Folge: Konzerne müssen in der Lage sein, Innovation von außen einzukaufen, wenn sie überleben möchten. Solange ausreichend Kapital, Bonität und Marktmacht vorhanden ist, um wirklich innovative Unternehmen oder Dienstleistungen einzukaufen, kann diese Überlebensstrategie funktionieren.

Krypto-Unternehmen bereits zu teuer für Europa?

Eine wirkliche Innovation stellt die Blockchain-Technologie mit ihren diversen Token-Anwendungen dar. Auch wenn die meisten Banken nach wie vor überfordert wirken, sich dieser Technologie zu stellen, haben erste Banken mit Krypto-M&A respektive mit Krypto-Investments angefangen. Die meisten Krypto-Start-up-Investments kommen vor allem von angelsächsischen Finanzdienstleistern. Führend in puncto Anzahl und Höhe an Investments in die Krypto-Branche sind: Standard Chartered, BNY Mellon, Citibank, UBS, BNP Paribas, Morgan Stanley, JP Morgan, Goldman Sachs, MUFG und ING.

Die tiefen Taschen der überwiegend erfolgreichen Banken erlauben es ihnen, sich in den neuen Markt einzukaufen. Dieses Zeitfenster schließt sich allerdings mit jedem weiteren Monat immer mehr zu. Zahlreiche Krypto-Unternehmen haben inzwischen eine Bewertung von über einer Milliarde US-Dollar erreicht. Immer öfter finden sich Blockchain-Finanzdiensteister, die größer in puncto Umsatz und Marktkapitalisierung sind, als hiesige traditionelle Finanzdienstleister. Gerade im angeschlagenen europäischen Bankensektor stellt sich daher die Frage: Wer frisst hier wen?

Bitpanda bald größer als Commerzbank?

Einige Banken, die Kryptowährungen belächeln, scheinen nicht mitbekommen zu haben, dass sie bereits längst kleiner sind als manch Krypto-Dienstleister – oder kurz davor stehen, überholt zu werden. Nehmen wir als Beispiel die Deutsche Bank. Der Börsenwert der größten deutschen Privatbank beträgt gerade einmal rund 27 Milliarden US-Dollar. Damit ist die Deutsche Bank nur halb so groß wie Coinbase mit einer Marktkapitalisierung von rund 54 Milliarden US-Dollar. Auch die zweitgrößte Privatbank Deutschlands, die Commerzbank, ist mit rund neun Milliarden US-Dollar längst kein Riese mehr.

Nur zum Vergleich: Der österreichische Krypto-Broker Bitpanda hat in seiner letzten Fundingrunde bereits eine Bewertung von 4,1 Milliarden US-Dollar bestätigen können. Bei dem gegenwärtigen Marktwachstum könnte das Unternehmen im Jahr 2022 die Commerzbank bereits überholt haben.

Während die einen Finanzdienstleister Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten und teure Konzernumbaumaßnahmen ausgeben, sammeln zahlreiche Krypto-Finanzdienstleister 100 Millionen US-Dollar und mehr pro Fundingrunde ein, um neue Produkte zu entwickeln und ihr Geschäft auszubauen. Als Beispiele für Krypto-Fundings in dieser Größenordnung wären unter anderem BlockFi, Celsius, Fireblocks, Bakkt, Circle, oder Blockchain.com zu nennen.

Das große Missverständnis

Manch Bank-Manager mag nun den Einwand bringen, dass man genannte Krypto-Dienstleister nicht mit Banken vergleichen kann. Schließlich bietet eine Universalbank andere Dienstleistungen an, als ein Krypto-Broker wie Bitpanda oder Coinbase. In genau dieser Sichtweise liegt allerdings ein großer Fehler.

Zwar mögen Krypto-Dienstleister mit eingeschränktem Angebot gestartet sein, doch werden in hoher Geschwindigkeit immer mehr Banking-Dienstleistungen zum Produktportfolio hinzugefügt. Die Grenze zwischen “Trading-Bude” und Bank verschwimmt zusehends. Debitkarten für den Supermarkteinkauf oder Kreditangebote sind längst Produktbestandteil einiger Krypto-Dienstleister. Beispielsweise können Kunden der Krypto-Bank Nuri via Celsius-Anbindung Zinsen auf ihre Einlagen erhalten. Auch die Schweizer Seba Bank hat entsprechende Services für ihre Kunden angekündigt.

Inflation beschleunigt Disruptionsprozess

Im Gegensatz zu den üblichen Null- oder Negativzinsen wird durch die attraktiveren Krypto-Angebote traditionellen Banken der Markt streitig gemacht. Oder anders formuliert: Im Krypto-Sektor gibt es deutlich höhere Zinsen auf Einlagen, als im traditionellen Geldmarkt. Für praktisch jede traditionelle Finanzdienstleistung existiert bereits ein Blockchain-Äquivalent. Die aktuell hohe Inflation verstärkt dabei nur noch den Drang der Anleger, sich neuen Anlagemöglichkeiten wie Staking oder Lending zu öffnen.

Mit den zunehmenden Lizenzen im Krypto-Sektor steht auch von regulatorischer Seite immer weniger im Weg, sich zu neuen Bankhäusern zu entwickeln. Der langsamen, teuren und veralteten Banken-Infrastruktur wird damit der Kampf angesagt. Auch werden klassische Anlagen durch Tokenisierung auf Blockchain-Infrastrukturen handelbar. Vom Stablecoin, der US-Dollar oder Gold abbildet bis hin zum Stock oder Security Token, die Schuldverschreibungen auf diverse Wertpapiere abbilden, sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Alles, was es im traditionellen Finanzsektor gibt, wird bereits oder zumindest in naher Zukunft auch bei Krypto-Dienstleistern angeboten.

Braucht es noch Banken?

Auch in einer Welt mit dezentralen Finanzdienstleistungen wird es noch Banken und andere klassische Finanzintermediäre geben. Eine Welt ohne diese Mittelsmänner ist gegenwärtig vollkommen unrealistisch. Sehr wohl aber kann schon sehr zeitnah der aufgeblasene Finanzsektor massiv durch neue Krypto-Angebote zusammenschrumpfen. Gerade in Europa sind wir mit klassischen Bankangeboten “overbanked”: Eine gewisse Bereinigung im Bankensektor wäre gerade zu überfällig.

Die Wertschöpfung der Banken nimmt durch den technologischen Wandel immer weiter ab respektive verlagert sich immer stärker auf die Player, die diesen Wandel aktiv gestalten. Sehr viele Banken, die bereits heute zu kämpfen haben, werden diesen Transformationsprozess daher nicht überleben. Erfolgreiche Banken wie beispielsweise J.P. Morgan haben hingegen gute Chancen, als zentraler Dienstleister in einem dezentraleren Finanzsektor zu fungieren und sich in diesen einzukaufen.

Sonderfall DeFi

Während Coinbase oder Bitpanda selbst normale Unternehmen sind, wird die Schwierigkeit für die Old Economy umso größer, wenn die Wettbewerber auf dezentralen Protokollen basieren. Eine Deutsche Börse kann im Zweifel – wie bereits mit der Crypto Finance AG geschehen – ein Krypto-Unternehmen erwerben. Schwieriger wird es allerdings, wenn die Deutsche Börse ein Protokoll wie Uniswap oder Pancake übernehmen möchte. Im Gegensatz zu einer zentralen Krypto-Börse kann eine dezentrale Krypto-Börse nicht im klassischen Sinne beim Notar via Kaufvertrag erworben werden. Die M&A-Abteilung einer Bank muss sich also neue Wege einfallen lassen, wie Marktanteile auch im DeFi-Sektor gesichert werden können.

Ausblick

Vorerst ist davon auszugehen, dass sich ein hybrider Finanzmarkt entwickelt, der neben dem bisherigen zentralen Angebot auch auf einem dezentralen basiert. Als Turbo für diesen Entwicklungsprozess ist dabei der B2B-Sektor beziehungsweise das Marktsegment der institutionellen Investoren zu sehen. Bisher halten sich diese bis auf ein paar Ausnahmen noch weitgehend zurück.

Wenn dann zukünftig nicht mehr nur Privatpersonen, sondern auch größer Vermögensverwaltungen beispielsweise auf Staking und Lending zurückgreifen, dürfte in relativ kurzer Zeit ein ganz anderer Wind wehen. Die bisherige Marktkapitalisierung von Krypto-Diensteistern und Protokollen dürfte sich rückblickend als geradezu winzig herausstellen.

Je stärker sich die markttheoretische Effizienz von Dezentralität durchsetzt, desto schneller werden viele traditionelle Finanzdienstleister in die Situation kommen, dass ihnen das Geld fehlt “sich wieder in das Spiel einzukaufen”. Aus den einst stolzen Banken dürften dann “Zulieferer” der Krypto-Industrie werden, die sich zusammenschrumpfen oder aufkaufen lassen müssen.

Wer wissen möchte, wie er bereits heute zeitgemäße Zinserträge auf seine Krypto-Einlagen erzielen kann, dem sei unsere aktuelle Kryptokompass-Ausgabe empfohlen, bei der wir aufzeigen, wie man mit Krypto-Lending sein Portfolio optimiert.

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