Das sind die Fakten Welche Risiken gehen mit dem Ethereum Merge einher?

Nach jahrelanger Vorbereitungen ist der Ethereum Merge auf der Zielgeraden angekommen – damit sind jedoch auch einige Risiken verbunden.

Leon Waidmann
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Ethereum

Beitragsbild: Shutterstock

| Die Bullen versuchen der Kurs von Ethereum (ETH) kurz vor dem Merge in der nächsten Wochen gen Norden zu hieven.

Mit jedem Tag rückt die von vielen Investoren seit Langem ersehnte Konsensumstellung von Ethereum auf Proof of Stake näher. Sollte alles nach Plan laufen, gehen die meisten ETH-Entwickler momentan davon aus, dass der Merge am 19. September stattfindet. Das letzte große Testnet “Görli” wurde bereits erfolgreich auf den neuen Konsensmechanismus gestellt – BTC-ECHO berichtete.

Noch nie zuvor wurde eine solche Umstellung an einem derart großen Blockchain-Projekt durchgeführt. Es liegt somit auf der Hand, dass mit dem Upgrade auch einige Risiken verbunden sind.

Durch das Upgrade wird der Konsensmechanismus der Ethereum Blockchain von Proof of Work (PoW) zu Proof of Stake (PoS) wechseln. Kurz gesagt: Das ETH-Netzwerk wird anstelle von Minern künftig von Anlegern und ihrem Kapital in Ethereum abgesichert. Nicht mehr Miner, sondern Validatoren bestätigen ab diesem Zeitpunkt Transaktionen, verarbeiten diese in Blöcken und heften sie an die ETH Blockchain an.

Zum Nachteil vieler Ether-Miner droht mit dem Merge das Ende einer Multi-Milliarden-US-Dollar-Industrie.

Ethereum Miner Einnahmen
Gesamteinnahmen der Ethereum-Miner | Quelle: Glassnode

Es ist jedoch unrealistisch, dass die Miner ihr Geschäft kampflos aufgeben. Sie werden Ethereum forken (Blockchain kopieren) und sich für eine alternative, immer noch auf Proof of Work basierende Ethereum Blockchain einsetzen.

Schon jetzt gibt es Ethereum Miner, die sich für eine alternative ETH PoW Blockchain (ETHPOW) starkmachen. Darüber hinaus bieten Krypto-Börsen wie Bitmex oder Poloniex bereits handelbare Futures-Kontrakte für ETHPOW an. Anleger erhalten dadurch die Möglichkeit, auf den zukünftigen Kurs dieser potenziellen Forks zu spekulieren.

Ob die Ethereum PoW Forks schlussendlich wertvoll sind oder nicht, steht offen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass diese Forks für das ETH-Ökosystem auf kurze Sicht für Verwirrung sorgen könnte. Neben möglichen technischen Schwierigkeiten könnten somit auch Forks zum Problem für eine erfolgreiche Einführung der ETH PoS Blockchain werden.

Gefahr durch Ethereum Forks

Forks sind in der Krypto-Welt keine Seltenheit. Dennoch können sie für Komplikationen sorgen. Auch Bitcoin erlebte im Jahr 2017 eine Vielzahl von Forks. Großer Teile der Bitcoin Community waren damals nicht mit dem sogenannten SegWit Upgrade einverstanden. Infolgedessen wurde die Bitcoin-Blockchain geforkt und BTC-Inhaber erhielten Token im Verhältnis 1:1 auf jeder geforkten Blockchain (BCH für Bitcoin Cash, BCD für Bitcoin Diamond, BSV für Bitcoin Satoshi Vision, etc).

Auch wenn die meisten dieser Forks inzwischen in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind, hatten viele zu Hochzeiten eine Marktkapitalisierung von mehreren Milliarden US-Dollar. Bitcoin Cash (BCH) kommt noch heute auf eine Marktkapitalisierung von über 2,6 Milliarden US-Dollar.

Viele Investoren erhielten durch die damaligen Forks neue BTC Token, die einen Marktwert hatten. Sie standen vor der Wahl ihre frisch geforkten Token für mehr BTC loszuwerden oder sie im Einklang mit der Vision der neuen Blockchains zu behalten. Die Frage, die sich nun stellt: Steht Ethereum das gleiche Schicksal bevor?

Ebenso wie bei Bitcoin im Jahr 2017 steht schon jetzt fest, dass es ETH Forks geben wird. Jeder Ether-Inhaber wird daher ETHPOW-Token im Verhältnis 1:1 erhalten. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zwischen Ethereum und Bitcoin. Bei einer Bitcoin Fork muss lediglich der native Token, BTC, geforkt werden. Bei Ethereum hingegen können Miner theoretisch ein gesamtes Ökosystem an Token und dezentralen Anwendungen forken.

Sollten sich Miner zu einer Hard Fork entscheiden, heißt das, dass all diese Token und Protokolle technisch gesehen auch auf der neuen PoW Blockchain existieren. Bei einigen könnte das für Verwirrung sorgen. Es ist aus diesem Grund wahrscheinlich, dass der Merge für erhöhte Volatilität am Markt sorgt, bis sich ein neuer Konsens eingependelt hat.

Bei einer Fork können Miner, wie bereits erwähnt, alles auf der gegenwärtigen ETH Blockchain kopieren. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Vermögenswert, jedes Protokoll oder jeder Teil der Infrastruktur von jeder dahinter stehenden Entität auf allen Ethereum-Versionen (ETH PoS, ETHPOW, etc) unterstützt wird. Was mit einer Fork nämlich nicht geht, ist, dass sich Dinge, die sich außerhalb der Blockchain befinden, duplizieren lassen. Was bedeutet das?

Folgen für Stablecoins und DeFi-Protokolle

Beispielsweise lässt sich der Wert von Stablecoins wie USDT oder USDC nicht eins zu eins auf eine andere Blockchain kopieren. Das liegt daran, dass sich das Kapital zur Deckung dieser Stablecoins nicht auf der Blockchain, sondern auf den Bankkonten der Unternehmen hinter diesen Stablecoins befindet.

Nur weil Token auf einer geforkten Version von Ethereum existieren, heißt das noch lange nicht, dass sie auch denselben Wert haben wie die Token auf der Ethereum PoS Blockchain.

Circle, das Unternehmen hinter USDC, hat beispielsweise bereits angekündigt, dass es nur die Ethereum PoS Blockchain unterstützen wird. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass jegliche USDC auf möglichen ETH PoW Forks wertlos sein werden.

Eine weitere Frage, die sich stellt: Welchen Wert hat ein Non-fungible Token (NFT) auf einer ETHPOW Blockchain gegenüber dem NFT auf der PoS-basierten Blockchain? Auch für viele DeFi-Protokolle stellen sich durch den Merge einige Fragen. Welche DeFi-Protokolle unterstützen ETH PoW und welche unterstützen ausschließlich Ethereum PoS?

Viele DeFi-Projekte, darunter beispielsweise Chainlink, haben angekündigt, dass sie ausschließlich die PoS Ethereum Blockchain unterstützen. Für die PoW ETH Forks heißt das, dass viele ihrer möglichen geforkten DeFi-Protokolle disfunktional sind, da sie weder über ausreichend Liquidität noch über die nötige Orakel-Infrastruktur verfügen. Es ist daher wahrscheinlich, dass geforkte Token auf ETH PoW Forks im Wert Richtung Null fallen.

Eines ist daher jetzt schon sicher: Die Stunden vor und nach dem Merge werden richtungsweisend für die Zukunft der ETH PoS Blockchain. Es wird für kurze Zeit Chaos im DeFi-Ökosystem herrschen, während Hunderte von Milliarden US-Dollar an Kapital auf der einen Ethereum Fork auf null fallen und auf der PoS Version nicht.

Vitalik Buterin bleibt optimistisch

Ethereum-Gründer Vitalik Buterin ist dennoch überzeugt davon, dass derartige Ethereum Forks langfristig keine negativen Auswirkungen auf Ethereum PoS haben. Auf einer Ethereum Konferenz im Juli in Südkorea erklärte Buterin, dass die Mehrheit des Ethereum-Ökosystems hinter ETH PoS steht:

Mein Eindruck von so ziemlich jedem, mit dem ich im Ethereum-Ökosystem gesprochen habe, ist, dass sie den Wechsel zu Proof of Stake uneingeschränkt unterstützen

Laut Buterin handelt es sich bei den meisten ETHPOW-Projekten in der Regel nur um “ein paar Außenseiter”, die schnelles Geld machen wollen.

Trotzdem merkte das Ethereum-Mastermind an, dass es zu Komplikationen kommen könnte, wenn Ethereum PoW Forks in kurzer Zeit erhebliche Akzeptanz erlangen und die ETH PoS Blockchain nicht wie geplant funktioniert.

Fazit

Der Ethereum Merge stellt ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte der Krypto-Welt dar. Noch nie zuvor ist eine derart große Blockchain von PoW zu PoS gewechselt. Es ist normal, dass ein derart komplexes Vorhaben für Verwirrung sorgen kann. Daher ist es wahrscheinlich, dass die Volatilität im Ethereum-Ökosystem für eine kurze Zeit vor und nach dem Merge zunehmen wird, bevor sich ein neues Gleichgewicht einstellt.

Als User kann man dennoch entspannt bleiben. Der Merge kommt und Nutzer müssen keine weiteren Schritte unternehmen, um diesen einzuleiten. Die Mehrheit der ETH-Projekte, Krypto-Börsen und institutionelle Investoren setzen auf ETH PoS.

Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass eine der potenziellen Ethereum PoW Forks eine ernstzunehmende Konkurrenz für die Ethereum Proof of Stake Blockchain darstellt. Dennoch könnte es ratsam sein, die Füße stillzuhalten und aufgrund der erhöhten Volatilität während des Merge keine spekulativen Trades zu tätigen.