BTC-ECHO: T-Systems Multimedia Solutions möchte Staking as a Service anbieten. Was hat euch zu dieser Entscheidung bewogen?
Gleb: Nach Telefonen, die die Kommunikation zwischen Menschen ermöglichen, und dem Internet, das den Informationsfluss abermals vereinfacht hat, ist die Blockchain-Technologie der nächste logische Schritt zur Erleichterung des digitalen Werteaustauschs. Hier sehen wir unsere Rolle als Telekommunikationsdienstleister in der Unterstützung und Ermöglichung öffentlicher Netzwerke und ihrer Anwendungen aus der Perspektive einer sicheren Infrastruktur (generalized mining). Dies würde bedeuten, dass wir an der Kreierung und Transaktion von Werten durch Anwendungen in öffentlichen Netzen partizipieren können, während wir gleichzeitig als Infrastrukturanbieter unabhängig von den einzelnen Anwendungen sind. Hier können wir keine signifikante Marktmacht mehr ausüben, da das Ziel dieser Netzwerke darin besteht, dezentral zu bleiben, aber wir können ein bedeutender Player im öffentlichen Blockchain-Infrastrukturraum werden.
Zusätzlich bestand Nachfrage von verschiedenen Kunden nach unserem Produkt und diese wollten wir entsprechend bedienen.
BTC-ECHO: Der Startpunkt eures Unternehmens im Hinblick auf das Staking ist Polkadot, genauer gesagt Kusama, richtig?
Gleb: Polkadot war der Startpunkt, ja. Gegenwärtig lässt sich aber noch überhaupt nicht sagen, wie das fertige Endprodukt aussehen wird. Schließlich wird Polkadot erst im dritten oder vierten Quartal 2020 an den Start gehen. Bis dahin werden wir sicher auch andere Projekte verfolgen.
BTC-ECHO: Kusama ist ja schon mehr als ein Testnet – es hat schließlich einen Marktwert. Trotzdem ist die Zukunft von Kusama unklar?
Gleb: So wie ich das verstehe, will man Kusama weiterlaufen lassen. Ob es ähnlich wie Ethereum zu einer Public Blockchain wird, kann ich noch nicht sagen. Eine Möglichkeit wäre, dass Kusama ähnlich wie Ropsten oder Görli im Ethereum-Ökosystem ein besonderes Testnet für Polkadot sein wird. Kusama hat einen Marktwert, ja. Aber der wird kaum wahrgenommen.
BTC-ECHO: Welche Use Cases hat Polkadot? Und wie hängen diese mit eurem Business Case zusammen?
Gleb: Das grundlegende Wertversprechen von Polkadot ist Blockchain-Interoperabilität. Im Rahmen dieser Interoperabilität können spezifische Blockchains mit unterschiedlicher Ausrichtung untereinander kommunizieren und sich die Sicherheit der Relay-Chain teilen. Chainlink hingegen ist ein Netzwerk an Oracles, welches auf der Ethereum Blockchain fußt. Über dieses können Daten zur Verfügung gestellt werden, die ihrerseits in DeFi-Anwendungen Verwendung finden. Es wird jedoch auch eine Bridge geben, worüber sich Informationen von der Ethereum Blockchain zu Polkadot austauschen lassen.
Allein über dieses Zusammenspiel von Interoperabilität und der Nutzung von Oracles ergeben sich verschiedene Use Cases. Ein Beispiel wären etwa Wetterdaten, was für Decentralized Insurance sinnvoll sein kann. Grundsätzlich stellt Polkadot genau wie Ethereum 2.0 eine zuverlässige Infrastruktur für Drittanwendungen zur Verfügung.
Weitere Beispiele für das Anwendungspotenzial wären generalized Mining Services, die auf Polkadot aufsetzen können, oder Anwendungen wie Livepeer, das als eine Alternative zu Twitch oder YouTube zu betrachten ist.
Alex: Im Blockchain Space gibt es eine Menge von B2B-Konsortien wie Corda oder B3i und die haben große Schwierigkeiten mit ihren Governance-Modellen. Sowohl auf der rechtlichen als auch auf der Infrastruktur-Ebene. T-Systems ist ein neutraler Infrastruktur-Provider für B2B-Konsortien.
BTC-ECHO: Wo seht ihr regulatorische Hürden? Gerade was Staking as a Service betrifft. Seit Anfang des Jahres wird das Kryptoverwahrgeschäft von der deutschen Regulierung bedacht. Gelten diese Regelungen auch für das Staking und gibt es andere Herausforderungen, die noch gemeistert werden müssen?
Gleb: Drei Dinge möchte ich dazu sagen. Erstens: Weder ich noch Alex sind Rechtsanwälte, entsprechend sind die weiteren Aussagen rechtlich nicht bindend.
Zweitens: Um Verwahrung müssen wir uns nicht sorgen, da wir uns vor allem auf das Staking konzentrieren. Daher müssen sich eher unsere Kunden mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen und nicht wir. Wenn wir eigene Validatoren einsetzen und dafür die Rewards verdienen wollen, müssen wir uns natürlich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf Custody auseinandersetzen.
Drittens sind wir in der europäischen Blockchain Association involviert, mit der wir auch bald ein Paper veröffentlichen werden. Es gibt im Prinzip zwei Probleme, mit denen Blockchain-Anwälte häufig zu kämpfen haben: Erstens, auf welche Blockchain-Modelle muss Mehrwertsteuer gezahlt werden? Zweitens, welche Compliance-Programme verlangt die neue Anti-Geldwäsche-Richtlinie.
BTC-ECHO: Bei Bestrebungen seitens T-Systems im Blockchain-Ökosystem stellt sich die Frage, ob ihr in diesem Zusammenhang auch Hardware anbieten werdet. Man denke etwa an die Idee von Slock.it, WLAN-Router mit integriertem Ethereum Client zu vertreiben.
Gleb: Wir sind keine Hardware Provider, nein. Wir arbeiten zwar mit Partnern zusammen, etwa wenn ein Kunde ein IoT Network starten will, arbeiten wir mit Hardwareherstellern zusammen, die unser System speziell auf Kundenwunsch umsetzen. Es kommt aber auf unser Operation Center an, wo wir die Infrastruktur letztlich anwenden. Unser Operation Center ist aktuell in Deutschland. Daher haben wir keine direkte Verbindung zum Hardware Provider.
BTC-ECHO: Wie hat sich der Dialog zwischen großen Firmen und dezentralisierten Projekten in den letzten Jahren verändert? Finden die großen Mittelsmänner und die Krypto-Idealisten langsam zusammen?
Gleb: Ich persönlich betrachte viele Projekte mit Blick auf die Infrastruktur. Ich würde die Use Cases von der Infrastruktur trennen. Mit Hinblick auf die Use Cases dürfte das Spannungsfeld, das du beschrieben hast, ausgeprägter sein. Was ist das Geschäftsmodell für den speziellen Use Case? Wie dezentral ist der Anwendungsfall? Wo kommt das Geld her? Kostet es mehr als zentralistische Konkurrenten?
Auf der Infrastruktur-Ebene gibt es einen offenen Markt. Da kommt es nur darauf an, wer in der Lage ist, gewünschte Infrastruktur bereitzustellen – und welcher Marktteilnehmer das beste Produkt anbietet. Proof of Work etwa ist sehr zentralisiert. Wir wissen bei Bitcoin, dass die größten drei Mining Pools zusammen auf über 50 Prozent der Hash Rate kommen.
Wir wollen dem einen offenen Markt entgegensetzen, der leichter zugänglich ist. Ich denke, durch unseren Track Record sowie unsere Erfahrung können wir Kunden im B2B-Bereich gewinnen – und so auch etwas dem libertären Gedanken im Krypto-Space entgegensetzen.
Alex: Es gibt auf jeden Fall einen Kompromiss zwischen dezentraler Anarchie und unserem etwas zentralisierten Ansatz. Man kann aber schon beobachten, dass der Fokus immer mehr auf die Bildung von B2B-Konsortien geht und auch große Unternehmen in den Markt drängen.
Ich würde zusammenfassend sagen, dass T-Systems eine Art Mittelweg zwischen Dezentralisierung und notwendiger Zentralisierung gefunden hat. Wir denken, dass Blockchain-Technologie helfen kann, den Graben zwischen den beiden Extremen – zentralisierte Unternehmen versus Anarchie – zu überwinden.