Trügt der Schein? So dezentral ist Bitcoin wirklich

Der heilige Gral bei Bitcoin: Dezentralität. Kaum ein anderes Netzwerk zehrt mehr von diesem Narrativ. Doch wie steht es wirklich um Orange Coin? Bitcoin ist das am stärksten dezentralisierte Netzwerk auf der Welt. Zumindest behaupten das Bitcoiner wie Horst Treiblmaier: "Jede Person mit Internetzugang kann jederzeit Bitcoin kaufen, verkaufen oder sogar an der Erhaltung und Entwicklung des Netzwerkes teilnehmen", so der Professor von der Modul Universität Wien gegenüber BTC-ECHO. Im Vergleich zur traditionellen Bankenwelt oder gar der vermeintlich dezentralen Krypto-Szene stimmt das durchaus. Doch auch Bitcoin muss sich einigen Kritikpunkten stellen. Zentralisierung beim Mining: Wie schlimm ist das wirklich? Bitcoin setzt auf Proof of Work, ein Konzernalgorithmus, der die Dezentralität fördern soll. Bestes Gegenbeispiel: Ethereum. Nach dem Wechsel zu Proof of Stake steht das Netzwerk wegen steigender Zentralität unter Druck. In der Theorie steht Bitcoin also gut dar, die Praxis sieht aber anders aus. Denn: Miner treten mit Rechenleistung – der Hashrate – in Wettstreit um die Blockproduktion. Wer mehr davon aufbringt, erhöht seine Chancen. Monopolisiert wird das Geschäft von einigen wenigen. Die Hälfte der gesamten Hashrate liefern zwei Mining-Unternehmen: Foundry USA und AntPool. Allerdings sei die Situation auch nicht ganz so schlimm, wie es auf den ersten Blick aussieht. Treiblmaier erklärt: "Die Pools verwalten die Rechenleistung ja lediglich für ihre Teilnehmer. Bei einem Fehlverhalten ist davon auszugehen, dass die Mitglieder den Pool verlassen. Außerdem sind die Kosten für eine sogenannte 51-Prozent-Attacke für einen bekannten Angreifer vermutlich wesentlich höher als der zu erwartende Nutzen." Nodes: Das dezentrale Standbein bei Bitcoin? Doch auch die Node-Verteilung lässt zu Wünschen übrig. Rund 31 Prozent aller Bitcoin-Knoten laufen in den USA. Deutschland steuert mit fast 15 Prozent ebenso zur Zentralität bei. Warum bei der Dezentralität selbst der Standort eine Rolle spielt, zeigt sich am Beispiel Chinas. Im Sommer 2021 erklärte die chinesische Regierung das Bitcoin-Mining für gesetzeswidrig. Innerhalb kürzester Zeit brach die Hashrate enorm ein. Vor dem Verbot kamen immerhin 70 Exahashes pro Sekunde aus der asiatischen Republik – fast die Hälfte der gesamten Rechenleistung im Netzwerk. Bei den Hosting-Anbietern für Bitcoin-Knoten zeichnet sich zwar kein so fatales Bild wie bei den Lightning-Knoten ab: Auf Amazon entfallen nur knapp fünf Prozent, Google verschwindet mit zwei Prozent hinter der Deutschen Telekom AG. Dennoch darf sich das vermeintlich am stärksten dezentrale Netzwerk der Welt auf dieser Statistik nicht ausruhen. Treiblmaier wirft einen Blick in die Zukunft: "Auf meinem privaten Rechner läuft während meiner Arbeitszeit Bitcoin Core im Hintergrund, wobei ich die Blockchain auf einer externen Festplatte speichere. Viele privaten Rechner erfüllen mittlerweile die dafür notwendigen Hardware- und Internetanforderungen." Zentralität bekämpfen: Geht das überhaupt? In puncto Chancengleichheit weicht der Grad an Dezentralität ebenfalls auf. Waren es anfangs noch handelsübliche Rechner, mit denen man minen konnte, sind inzwischen Hochleistungschips nötig, sogenannte ASICs. Anschaffungs- und Stromkosten erschweren die Teilnahme erheblich. Bitcoin-Mining muss man sich leisten können. "Ironischerweise wird der Trend zur Zentralisierung zu einem großen Teil durch das Anreizsystem von Bitcoin gefördert", meint der Bitcoiner im Gespräch mit BTC-ECHO. Mit anderen Worten: Aufgrund des Wachstums von Bitcoin macht privates Solo-Mining nur bedingt Sinn. Mehr Chance auf Erfolg haben Bitcoin-Schürfer, wenn sie sich einem Pool anschließen. Das Problem mit der Dominanz von großen Pools sei seit vielen Jahren bekannt. Zwar wurden bereits konkrete Vorschläge formuliert. Bisher habe sich allerdings noch keiner durchgesetzt. "Dafür wäre ein großer Eingriff in die Funktionsweise von Bitcoin nötig. Das lehnt die Community in der Regel ab", meint Treiblmaier. Auf einer ganz anderen Ebene – in Bezug auf die Dezentralität – sei die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Der Professor erklärt: "Würde nicht die Spekulation mit Bitcoin im Vordergrund stehen, sondern eine größere Wertschätzung gegenüber einem dezentralen Zahlungssystem, das niemanden bevorzugt oder benachteiligt, so könnte man mit einer größeren Unterstützung durch die Allgemeinheit rechnen." Das sei allerdings noch ein weiter Weg. Dezentralität messen? Der Nakamoto-Koeffizient Das Versprechen von Bitcoin ist klar: Es ist transparent, unveränderlich und vor allem – dezentral. Mittlerweile ist Dezentralität aber oft nur noch ein Marketingbegriff. Tatsächliche Dezentralisierung ist schwer zu erkennen. Bisher verwendete man dafür häufig den Nakamoto-Koeffizient, der die Anzahl der Nodes bestimmt, die nötig sind, um ein Blockchain-Netzwerk zu stören. Doch darüber hinaus spielen auch andere Faktoren eine Rolle, darunter etwa der geografische Standort, sowie die verwendete Hardware- und Software-Infrastruktur. Auch der Konsensalgorithmus spielt eine wichtige Rolle. Zum Vergleich: Proof-of-Stake-Netzwerke wie Ethereum, Cardano oder etwa Solana sind bereits durch ihren Konsensalgorithmus weitaus zentralisierter. Proof-of-Work-Protokolle wie Bitcoin oder Monero haben die Nase vorn. Treiblmaier ist von der ersten Kryptowährung fasziniert: Einzigartig sind für mich bei Bitcoin zwei Dinge: Die Dezentralisierung wurde als Anreizsystem in das Protokoll implementiert. Das heißt, niemand wurde gezwungen oder überredet Bitcoin zu nutzen. Zusätzlich hat das Protokoll bisher alle Zentralisierungsbestrebungen gut verkraftet. Auch wenn es nur wenige dominante Mining-Pools gibt und die Entwicklungsarbeit von einem Kern von Hauptentwicklern koordiniert wird, so funktioniert Bitcoin weitgehend dezentral, sowohl in der Entwicklung wie auch in der Anwendung. Dennoch gibt es noch Luft nach oben. Wer die Dinge gerne selbst in die Hand nimmt, kann dabei helfen, die Dezentralität zu steigern: mit einer eignen Bitcoin Node. Hier gehts zur Anleitung.

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