Wie wir bereits gestern berichtet haben, ist der digitale Renminbi nun endlich im Einsatz. So wird die digitale Zentralbankwährung mit Hilfe des Bezahldienstes Alipay bei Gehaltszahlungen an Regierungsbeamte der Stadt Suzhou ausgegeben.
Zwar mag es sich dabei nur um einen kleinen Feldversuch handeln, dennoch ist nun aus den Ankündigungen und Spekulationen Realität geworden. China hat es geschafft, das programmierbare Geld aus dem Labor in die reale Welt zu tragen. Vor allem aber zeigt man damit der restlichen Welt, dass man sich traut, den ersten Schritt zu machen.
Vorbehalte gegenüber Central Bank Digital Currency (CBDC) überwiegen
Verständlicherweise ist die Reaktion gegenüber CBDCs bei vielen Menschen erstmal negativ. Während die Vorteile nicht sofort einleuchten, sind die Nachteile relativ schnell klar. Machtmissbrauch durch die Notenbank und insbesondere der Regierung wird Tür und Tor geöffnet, da sich mit programmierbarem Geld, das nicht über die Geschäftsbankeninfrastruktur emittiert werden muss, der Einfluss deutlich erhöht.
Vor allem aber ist eine CBDC nach chinesischem Vorbild eine Katastrophe für jeden Datenschützer und Menschen, dem seine Privatsphäre wichtig ist. Die CBDC hat das Potential zur größten Gefahr für die aus westlicher Sicht demokratischen Grundwerte zu werden.
Digitales Zentralbankgeld entscheidet über zukünftige Wettbewerbsfähigkeit
So berechtigt und richtig diese Kritik in vielerlei Hinsicht ist, darf man nicht vergessen, dass eine Digitalisierung von Geld nur eine Frage der Zeit ist. Wenn wir unsere Industrie auf die nächsten dezentralen und autonomen Wertschöpfungsstufen heben wollen, dann haben wir keine andere Wahl, als programmierbares Geld einzuführen. Die Industrie der Zukunft definiert sich durch einen höheren Automatisierungsgrad, in dem Maschinen respektive künstliche Intelligenz die Vielzahl an Transaktionen vornehmen.
Industrie 4.0 benötigt digitalen Euro
Ein innovatives Geldsystem heißt also gleichzeitig auch, die Grundlage für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Automobil- oder Maschinenbauindustrie zu legen. Beispielsweise arbeiten Automobilhersteller an Car Wallets, die perspektivisch Bezahlvorgänge bei autonomen Fahrzeugen ermöglichen sollen. Gleiches ist aber auch für 3D-Drucker vorstellbar, die autonom Bestellungen entgegennehmen und mit anderen Maschinen kommunizieren.
Nur weil die genannten Szenarien noch nicht in der kommerziellen Praxis vorkommen, wäre es fatal zu glauben, dass wir für immer auf dem gleichen industriellen Entwicklungsstand bleiben würden und programmierbares Geld nicht brauchen.
Gestalten, wo wir gestalten können
Die Devise muss deshalb lauten: so digital wie möglich, bei gleichzeitig maximaler Wahrung unserer demokratischen Standards – sowohl bei der Geldpolitik als auch beim Schutz der Privatsphäre. Wir müssen einen Kompromiss eingehen, da ein Ignorieren des digitalen Wandels im Geldsystem unsere Wettbewerbsfähigkeit unterminiert und wir langfristig geringere Chancen haben, unsere Standards durchzusetzen.
Der Europäischen Zentralbank (EZB) und unseren Regierungen sollte der Test in Suzhou ein Warnschuss sein. Während in China das Projekt CBDC höchste Aufmerksamkeit und Kapazitäten des Staates erfährt, wird es von vielen Regierungen in Europa eher stiefmütterlich behandelt. Man verliert sich im regulatorischen Klein-Klein, ohne sich der Relevanz von programmierbarem Geld bewusst zu sein.
Uns muss klar sein, dass wir jetzt die Chance ergreifen müssen, aktiv zu gestalten, um eine bessere und demokratisch vertretbare CBDC in Europa auf den Weg zu bringen. Je länger wir zögern, desto kleiner wird der Gestaltungsspielraum.
CBDC: Wir müssen nicht bei Null anfangen
Im Gegensatz zu China ist Innovation oftmals noch stark privatwirtschaftlich organisiert, was durchaus auch zu begrüßen ist. So sind es also die FinTechs und Banken, die hier bereits wichtige Arbeit leisten. Beispielsweise haben die Commerzbank sowie das Start-up CashOnLedger vielversprechende Tests mit einem privaten digitalen Euro durchgeführt.
Entsprechend sollte ein stärkerer Zusammenschluss zwischen öffentlichen Institutionen wie EZB und privatwirtschaftlichen Akteuren geschehen, um einen digitalen Euro mit dem höchstmöglichen Nutzen zu entwerfen. Zudem sollte man auch zivilgesellschaftliche Gruppen wie Verbände und NGOs mit in den Prozess einschließen. Im Gegensatz zu unserem analogen Geld kann digitales Geld schließlich sehr unterschiedlich ausgestaltet und vor allem reguliert sein.
Mit Sandboxes von China lernen
Klammert man den autokratischen Teil der chinesischen Innovationspolitik aus, so können wir hier viel von China lernen. So hat China mit seiner CBDC erstmal im kleinen Rahmen mit ausgewählten Testpersonen, ausgewählten Distributionskanälen und lediglich einer einzelnen Stadt, gestartet. Ein Prinzip, das stark an das Konzept von Sandboxes erinnert. Genau solche geschützten Räume müssen wir auch in Deutschland und Europa entwickeln, um digitale Währungen auszutesten.
So könnte die Blockchain-Hauptstadt Berlin nach chinesischem Vorbild vorangehen und ein ähnliches Testszenario mit der Vielzahl der genannten Stakeholder starten. Die Lerneffekte dürften dabei höher sein als durch die zahlreichen Paper, die unterschiedlichste Behörden und Organisationen in der EU veröffentlicht haben. Lieber jetzt Fehler riskieren als in ein paar Jahren gezwungen sein, über die effizientere chinesische Infrastruktur Transaktionen abzuwickeln, ganz gleich, ob es sich dabei um unser Smartphone, Auto oder die Paketdrohne handeln wird.
Wenn man keine Lust hat, macht es eben Facebook
Vielleicht wird man bis dahin aber auch ganz auf den digitalen Euro einer EZB verzichten können. Schließlich hat erst gestern Facebook seinen Bewilligungsantrag für den eigenen Stable Coin bei der FINMA eingereicht. Wenn die EZB innovationsmüde ist, sollte sie die Digitalisierung respektive Tokenisierung von Währungen vielleicht privatwirtschaftlichen Akteuren überlassen. Ob das Ergebnis aus demokratischer Sicht wünschenswert ist, lässt sich bezweifeln.