Nach den neuen Wirtschaftssanktionen des Westens steht der russische Rubel unter Druck und wertete gegenüber dem US-Dollar bereits kräftig ab (siehe Abbildung 1). Um die Währung zu stützen hat die russische Zentralbank bereits reagiert und den Leitzins auf 20 Prozent angehoben. Dazu heißt es, man wolle unter anderem die Ersparnisse der Bürger vor Wertminderung schützen. Darüber hinaus verbot die Zentralbank den ausländischen Verkauf von Wertpapieren.
Auch der Westen verschärft weiter die Sanktionen gegen den Kreml. Im vierten Sanktionspaket hatte die Europäische Union (EU) weitere Sanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht. Aus diesem geht hervor, dass unter anderem der Handel mit der russischen Zentralbank verboten werde. Außerdem sollen sämtliche Vermögenswerte der Russischen Notenbank im Ausland eingefroren werden. Auch mehrere private Zahlungsdienstleister wie Visa und Mastercard haben sich mittlerweile an den Sanktionen beteiligt und eine Reihe russischer Geldhäuser aus ihrem Zahlungsnetzwerk ausgeschlossen. Im Netz machten zudem Bilder von langen Schlangen vor U-Bahn-Stationen in Moskau die Runde, nachdem Google und Apple Pay ihre Dienste im Land eingestellt hatten.
Flüchten Russen in Bitcoin?
Was tun also, wenn im eigenen Land die Währung crasht? Naheliegend wäre es in Sachwerte wie Aktien oder Immobilien zu flüchten. Diesem Fluchtweg hat die Russische Zentralbank allerdings schnell einen Riegel vor die Tür geschoben und den Handel am gestrigen Montag, dem 28. Februar, ausgesetzt. Die Aussetzung wurde daraufhin auch auf Dienstag ausgeweitet. Ob weitere Eingriffe folgen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Darüber hinaus verhängte der russische Präsident Putin ein Verbot, Devisen ins Ausland zu transferieren. Bereits vor den Sanktionsverschärfungen war der russische Leitindex (RTS) bereits um ein Drittel gefallen.
Die Nervosität in der russischen Bevölkerung ist über die letzten Tage spürbar angestiegen. Vor den Banken bilden sich bereits lange Schlangen, was bei vielen die Befürchtung eines Bank Runs bestärkt. In einer solchen Situation bieten Kryptowährungen wie der Bitcoin eine interessante Alternative. Diese Flucht konnte in der Vergangenheit – wenn auch in weitaus geringerem Ausmaß – beispielsweise in der Türkei beobachtet werden, als dort die Türkische Lira extrem abwertete. In Abbildung 2 erkennt man, wie stark der Bitcoin-Preis in den letzten Handelstagen gegenüber dem Rubel angestiegen ist. Begonnen hatte die starke Kursbewegung am Sonntag, dem 27. Februar. Seit dem steht ein Kursplus von fast 45 Prozent zu Buche.
Erste Stimmen fordern Einschreiten
Verständlich also, dass der Weg über Bitcoin und Co. als einer der wenigen Auswege vieler Russinnen und Russen gesehen wird, um die Sanktionen zu umgehen bzw. überhaupt die restlichen Ersparnisse in Sicherheit zu bringen. Das besonders hohe Handelsvolumen in Rubel legt nahe, dass diese Flucht in Kryptowährungen bereits in vollem Gange ist – BTC-ECHO berichtete.
Prompt werden indes erste Stimmen laut, die diese Entwicklung zum Anlass nehmen, ein härteres Durchgreifen der Regulatoren in Sachen Krypto zu fordern. Eine der prominentesten war dabei die US-Senatorin Elizabeth Warren, die als eingefleischte Bitcoin-Gegnerin zählt.
In ihrem Twitter-Beitrag (siehe oben) verweist die 72-Jährige auf einen New York Times-Artikel, aus dem hervorgeht, dass viele Kryptowährungen als Fluchtweg von russischen Unternehmen und Oligarchen genutzt werden, um die Sanktionen des Westens zu umgehen. In dem Beitrag ist außerdem die Rede davon, dass Russland in Zukunft auch seinen Digitalen Rubel nutzen könnte, um sich den Umweg über den US-Dollar zu sparen.
Binance signalisiert Kooperation
Um dieses Schlupfloch zu schließen hatte der ukrainische Digitalminister, Mykhailo Fedorov, am Sonntag, dem 27. Februar an einige der größten Kryptobörsen weltweit appelliert, nicht nur die Konten einzelner User einzufrieren, sondern auch die der breiten russischen Bevölkerung (siehe Tweet unten).
Die Krypto-Börse Binance hatte sich bereits kooperativ gezeigt und ein Einfrieren einiger russischer Konten angekündigt – wir berichteteten. Dabei wolle man eine Art Taskforce zusammenstellen, die "die erforderlichen Maßnahmen ergreifen könnte". Ein genaues Vorgehen wurde dabei noch nicht dargelegt, allerdings wäre ein gezieltes Vorgehen gegen einzelne russische Entscheidungsträger denkbar. Binance betonte gleichzeitig gegenüber dem US-Nachrichtensender CNBC:
Kryptowährungen sollen den Menschen auf der ganzen Welt mehr finanzielle Freiheit bieten. Einseitig zu beschließen, den Menschen den Zugang zu ihren Kryptowährungen zu verbieten, würde dem Grund für die Existenz von Kryptowährungen zuwiderlaufen.
Quelle: CNBC
Kraken-CEO Jesse Powell veröffentlichte am 28. Februar auf Twitter eine Stellungnahme. Er könne das Anliegen des ukrainischen Digitalministers verstehen, allerdings könne Kraken nicht ohne eine gesetzliche Verpflichtung einfach Konten einfrieren.
Andere Börsen wie FTX oder Crypto.com hatten sich zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags noch nicht dazu geäußert, inwiefern man auf die Forderung des ukrainischen Digitalministers eingehen wolle.
Der Appell des ukrainischen Digitalministers richtete sich auch an die börsengelistete Handlesplattform Coinbase. Diese bietet keinen Service in Russland an. User können allerdings Kryptowährungen an russische Adressen versenden. In einer Erklärung gab das Unternehmen bekannt, dass es keine pauschalen Verbote für Transaktionen mit russischen Adressen einführt, sondern lediglich Konten oder Transaktionen blockieren wird, an denen sanktionierte Personen oder Organisationen beteiligt sind. Ein einseitiges und totales Verbot würde normale russische Bürger bestrafen, hieß es seitens Coinbase.
Bitcoin im ersten "Krypto-Krieg"
In Mitten dieses geopolitischen Spannungsfeldes befinden sich Bitcoin und Co. aktuell in einer äußerst brenzligen Lage. Passend also, dass die Washington Post erst vor wenigen Tagen den Krieg als weltweit ersten "Krypto-Krieg" betitelte. Wie sich in Russland und auch in der Ukraine nun zeigt, tut Bitcoin genau das, wozu er konzipiert wurde. Er schützt die Bevölkerung vor den rasanten Wertverlusten der jeweiligen Landeswährungen und verringert somit die Abhängigkeit von zentralen Instanzen.
Dass Russland – allen voran der Kreml – im Falle einer zunehmenden Isolation zunehmend auf Krypto setzen würde, sollte niemanden überraschen. Ob der Kreml zukünftig im Falle eines vollkommenen SWIFT-Ausschlusses ganz auf den Bitcoin setzen wird oder eher auf eine eigens kreierte CBDC, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig unklar. Das Risiko besteht allerdings, dass der politische Konflikt auf den Kryptomarkt überschwappt, zum Beispiel, indem Russland zunehmend auf den Bitcoin setzt. Dies wäre ein gefundenes Fressen für alle Kritikerinnen und Kritikern des Bitcoin und würde in letzter Konsequenz enormen Gegenwind für den gesamten Krypto-Space bedeuten.
Man sollte aber auch nicht vergessen, dass bereits über 30 Millionen Dollar an die Ukraine in Form von Krypto-Spenden geflossen sind. Am Dienstag, dem 1. März kam dazu prompt die Meldung, dass die Ukraine von nun an Polkadot-Spenden akzeptieren würde.
Dass man Kryptowährungen wie den Bitcoin nicht einfach verbieten kann, sollte mittlerweile jedem klar sein, der sich ein wenig mit der zugrunde liegenden Thematik auseinandergesetzt hat. Auf einem anderen Blatt steht allerdings die Frage, warum gerade Krypto-Börsen als Unternehmen eine Sonderstellung in Sachen Russland-Sanktionen genießen sollten. Immerhin haben auch viele Banken mittlerweile zugesichert, russische Vermögen im Ausland einzufrieren.