Klagen, Kosten, Kündigungen: So schwer ist die Krise bei Binance

Massenentlassungen, eine ungewisse Zukunft: Binance gibt sich krisenfest, doch es brodelt hinter den Kulissen. Ein Insider packt gegenüber BTC-ECHO aus. Binance ist der unangefochtene König der Krypto-Industrie. Über 100 Millionen Nutzer und täglich Handelsvolumina im Milliardenbereich: Kein anderes Unternehmen dominiert die Branche so sehr wie das Imperium von Gründer Changpeng Zhao. Nach außen wahrt die Firma das Image des krisenfesten Unternehmens. Egal ob FTX, der Bärenmarkt oder die Klagen der US-Behörden: Probleme gibt es bei Binance nicht. Doch der Schein trügt. Die größte Krypto-Börse der Welt befindet sich seit Monaten im Überlebensmodus. Im November 2022 implodiert der Krypto-Markt. FTX geht pleite, eine der größten Krypto-Börsen. Die Insolvenz sendet Schockwellen durch die Industrie. Milliarden an Geldern sind weg, das Vertrauen in die Branche: erschüttert. Winter is here: Krypto geht durch eine der schwersten Zeiten seiner jungen Geschichte. Binance scheint von dieser Krise nicht betroffen – im Gegenteil. Während andere Krypto-Unternehmen hunderte, manchmal gar tausende Mitarbeiter entlassen, will das Firmen-Imperium von Changpeng Zhao weiter wachsen. "Bis zum Ende des Jahres werden wir knapp 8.000 Mitarbeiter haben", schreibt der Binance-CEO kurz nach dem FTX-Kollaps auf X (Twitter). Im Januar 2023 legt er nach: Das Personal soll bis Jahresende nochmals um 30 Prozent aufgestockt werden. Das Bild nach außen ist klar: Für die Krypto-Börse gibt es nur eine Richtung: aufwärts. Wachstum um jeden Preis. Nichts kann Binance aufhalten. Im Gespräch mit BTC-ECHO erinnert sich ein Insider: In wöchentlichen Meetings erklärte man uns: Wir stellen ein, bringt eure Freunde, bringt uns Lebensläufe. Die haben eingestellt ohne Ende und dabei immer versprochen, die Mitarbeiter nach einem halben Jahr zu befördern. Das haben die am Anfang auch gemacht. Ein Flächenbrand mit Folgen Der Höhenflug endet im Juni 2023. Die US-Behörden CFTC und SEC klagen gegen Binance – und stürzen das Unternehmen in die Krise. Die Vorwürfe reichen von Geldwäsche über Marktmanipulationen und die Veruntreuung von Kundengeldern bis hin zur Täuschung von Behörden. Der Prozess mit den US-Behörden verschlingt angeblich eine Million US-Dollar – pro Tag. Ein Flächenbrand ungeahnten Ausmaßes, der sich schnell auf andere Jurisdiktionen ausbreitet. Belgien, Niederlande, Frankreich, Kanada und Nigeria gehen gegen Binance vor. Lizenzen werden entzogen, Anträge zurückgenommen, Ermittlungen eingeleitet. Manchmal wird die Börse sogar gänzlich verboten. Wichtige Führungskräfte wie Chefjurist Han Ng oder Chefstratege Patrick Hillmann verlassen das Unternehmen. "Schmeißt die schlechten Leute raus" Es ist ein Paradigmenwechsel, den auch die Mitarbeiter des Unternehmens zu spüren bekommen. Statt Stellen auszubauen, entlässt Binance laut Medienberichten einen Teil der Belegschaft. Changpeng Zhao (kurz: "CZ") dementiert wirtschaftliche Gründe. Ein Firmensprecher erklärt, die Kündigungen seien zur "Stärkung der Talentdichte" erfolgt. Sie folgten CZs "Bottom-Out"-Prinzipien. In diesen Leitlinien heißt es: Wenn ein Team von High Performern gut zusammenarbeitet, macht die Arbeit an sich schon süchtig. Wenn du einen Low-Performer in der Gruppe hast, wird alles zerstört. Schmeißt die schlechten Leute raus. Konkrete Zahlen zu Entlassungen nannte Binance auf Anfrage nicht. BTC-ECHO-Recherchen zeigen jedoch: Knapp 20 Prozent des Personals mussten gehen. Ein Insider bestätigte die Zahl und verwies auf interne Systeme: "Es gibt Softwareanwendungen, wo Binance-Mitarbeiter einander bewerten können. Jeder Report entspricht einem Mitarbeiter. Die Bewertungen laufen bei CZ zusammen." Zu Beginn des Jahres listete die Übersicht dort 8.000 Reports, Ende Juli waren es noch knapp 6.500. "Nach der SEC-Klage gab es einen Einstellungsstopp. Fire statt Hire, lautete die Devise fortan. Teilweise wurden Leute ohne Vorwarnung degradiert", erzählt der Insider. Und weiter: "Es werden noch weitere Entlassungen folgen. Das war noch nicht das Ende der Fahnenstange." Plötzlich war der Bildschirm schwarz Die Kündigungen kamen oft aus dem Nichts. Keine Vorgespräche oder andere Warnzeichen. Mitarbeiter wurden kalt erwischt. "Ich war am Arbeiten, plötzlich wurde der Bildschirm schwarz. Dann kam eine E-Mail, in der die Kündigung kommuniziert wurde", erinnert sich ein Betroffener gegenüber BTC-ECHO. Finance Forward berichtet von ähnlichen Fällen. Binance schreibt auf Anfrage: "Kündigungen werden immer in Übereinstimmung mit dem geltenden Arbeitsrecht gehandhabt." Und weiter: "Binance bemüht sich stets um einen respektvollen Umgang mit Kollegen und ehemaligen Mitarbeitern."

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