Ethereum statt SWIFT: Verliert der Westen die Kontrolle?

SWIFT, IWF, BIS, VISA etc.: der Westen weiß, wie er seine Finanzhegemonie durchsetzt. Doch wie lange wird dieses System noch funktionieren? Warum Kryptowährungen und neue politische Realitäten ein neues regulatorisches Verständnis bedürfen. Wer, wann und wie Zugang zu Finanzinfrastrukturen erhält, ist streng von westlichen Institutionen geregelt. Die Bretton-Woods-Nachfolge-Institutionen wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds geben in Zusammenarbeit mit der BIS, der Zentralbank der Zentralbanken, sowie mit Transaktionsinfrastrukturen wie SWIFT oder VISA die Richtung vor. Durch ein nach außen geschlossenes Bankensystem kann eben jene kohärente Policy global umgesetzt werden. Wir als Westen profitieren bislang von diesen Kontrollmechanismen. Die aus westlicher Sicht glorreichen Jahre könnten nun allerdings ein Ende finden. Die Geschwindigkeit des Wandels ist derart brachial, dass wir in große Schwierigkeiten geraten könnten. Ist die Blockchain-Technologie die Lösung? Das Setzen von Standards und das Steuern von Zugängen hat dazu geführt, dass die Nationen, die sich zum Westen dazuzählen, von einem privilegierten System profitieren. Letztlich hat sich der Westen dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Schwellenländern geschaffen, der zudem die politische Machtausübung erleichtert. Als bekannte Beispiel dafür sind die Ausschlussverfahren von Russland oder dem Iran vom Transaktionsnetzwerk SWIFT. Für russische Unternehmen ist es daher nur noch sehr schwer und eingeschränkt möglich, internationale Zahlungen in westlichen Nationen durchzuführen. SWIFT-Monopol wackelt Dass die Kontrolle über die globalen Finanzinfrastrukturen jetzt neu verteilt oder zumindest aufgeweicht wird, wird durch primär zwei Entwicklungen getrieben: politische und technologische. Da wäre etwa der politische Wille von Staaten, die sich nicht zum Westen dazuzählen, ihre eigenen Transaktionssysteme aufzubauen und zugleich mehr Mitspracherecht bei Bestehenden zu erhalten. Das wird vor allem durch China deutlich. Auf der einen Seite bemüht man sich um mehr Einfluss im SWIFT-Netzwerk, zum anderen baut man parallel dazu alternative Infrastrukturen auf. Sich als Westen gegen den Willen der BRICS-Staaten sowie anderen Teilen der Welt zu stellen, wird damit immer schwieriger. Mit zunehmenden Alternativen werden unsere Monopole, siehe SWIFT, immer weiter aufgebrochen und erodieren als Machtinstrument. Blockchain stellt Finanzinfrastrukturen infrage Neben den politischen Faktoren ist es aber auch der technologische Wandel, der die bestehenden westlichen Infrastrukturen infrage stellt. Die Blockchain-Technologie lässt sich nicht in die exklusive und zentral kontrollierbare Logik unseres bisherigen Bankensystems integrieren. Während zentrale Stellen im Westen bestimmen können, wer unsere Transaktionsinfrastrukturen nutzen darf, kann man als Staat nicht vorgeben, wem es erlaubt ist, die Ethereum Blockchain zu beanspruchen, um beispielsweise US-Dollar-Stablecoins zu transferieren. Unsere Werteinfrastruktur emanzipiert sich damit aus den bürokratisierten und hoch regulierten Fesseln unserer Institutionen. Das kann gut sein, da dadurch der Zugang zu Finanzinfrastrukturen jedem Menschen auf Welt zugänglich gemacht wird und mehr Wettbewerb entsteht. Das kann aber auch schlecht sein, weil dadurch Länder wie Russland oder der Iran schlechter sanktioniert werden können. Die zwei Optionen Wir als Westen haben nun zwei Möglichkeiten. Die erste wäre gegen die Öffnung der Finanzinfrastrukturen und gegen die dezentrale Token-Ökonomie vorzugehen. Stattdessen auf alten Infrastrukturen, wie beispielsweise SWIFT, zu verharren. Die zweite, und wahrscheinlich langfristig sinnvollere Variante: neue internationale Regularien entwickeln. Unsere alte Hegemonie werden wir dadurch zwar nicht wiederbekommen, allerdings erscheinen neue globale Transaktionsstandards mehr als überfällig. Zumal die bestehende Bankeninfrastruktur, die auf eben jenen westlichen Regularien aufbaut, inzwischen nicht mehr zeitgemäß ist. Unsere gut kontrollierbaren Infrastrukturen sind aus technologischer Sicht vollkommen veraltet. Bekommen wir noch die Kurve? Etwas Hoffnung besteht allerdings bei den Finanzschnittstellen, die noch eine hohe Zentralisierung zulassen. Nehmen wir als Beispiel den PayPal Stablecoin oder die Kreditkartenanbieter VISA und Mastercard. Mit Millionen Nutzern weltweit können diese Unternehmen die Policy umsetzen, die im Interesse des amerikanischen Staates ist. Auch wenn diese Zahlungsdienstleister auf Token umstellen, bleiben ihre Zugänge nach wie vor hoch zentralisiert und kontrollierbar. Lediglich das Clearing, also die Abwicklung, findet auf einer Blockchain statt. Da Nutzer allerdings Konten bei den angesprochenen Unternehmen besitzen, können diese nach wie vor auch die Schnittstellen kontrollieren, indem sie ihren eigenen Layer zwischen Kunde und Blockchain klemmen. Das Beispiel soll untermauern, dass es eine Fehlannahme ist, die Token-Ökonomie als zwangsläufig offen und inklusiv zu verstehen. Die wirkliche Öffnung geschieht vielmehr durch Umgehung bestimmter Unternehmen (etwa Mastercard) und anderer Infrastrukturen (vor allem SWIFT). Bislang war dieses Unterfangen extrem schwierig und kostspielig. Durch die öffentlichen Protokolle wird allerdings die anspruchsvolle Abwicklungsfunktion mit einem Schlag global allen Teilnehmern freigeschaltet. Jeder kann auf diesem öffentlichen Gut seine eigenen Anwendungen bauen. Aus dem Kinderzimmer können plötzlich komplexe Bankdienstleistungen entstehen. In eben jenem Umstand liegt die wirkliche Schlagkraft der Blockchain-Technologie. Die Folge ist, dass wir uns mit einer anderen politischen Realität auseinandersetzen müssen, entweder konstruktiv oder destruktiv. German Angst überwiegt Aktuell erleben wir ein stark destruktives Element seitens der Politik. Konkret wird der Hamas-Terror als Anlass genommen, Kryptowährungen zu diskreditieren, ihnen eine Mitschuld an dem Terror zu geben. Politiker wie Elizabeth Warren würden daher am liebsten mit Krypto-Verboten reagieren. Der Glaube, dass ein Staat Innovation aufhalten kann, ist allerdings mehr als naiv. Ein global zugängliches öffentliches Gut lässt sich nur sehr schwer verbieten oder todregulieren. Leider verstehen viele Politiker und Krypto-Gegner diesen Umstand nicht. Genauso wenig wie wir das Internet oder künstliche Intelligenz nicht aufhalten können, können wir dies auch nicht bei der Blockchain-Technologie. Was beim Internet und größtenteils bei dem Thema künstlicher Intelligenz auf Kopfnicken stößt, löst das Gegenteil bei Krypto aus. Diese Herleitung lässt sich nur mit mangelndem Verständnis und der vorherrschenden Angst bzw. Ohnmacht erklären. Man weiß noch nicht recht mit der neuen Technologie umzugehen. Die Angst vor dem Kontrollverlust führt zu blindem Aktionismus auf politischer Ebene. Ja – zu Bitcoin und Ethereum Es geht nicht darum, Bitcoin oder Ethereum gut zu finden. Es geht sehr wohl aber darum, zu verstehen, dass wir die Zeit nicht mehr zurückdrehen können. Entweder wir arrangieren uns mit öffentlichen Abwicklungsinfrastrukturen, ergo Krypto, oder unser altes, institutionalisiertes Machtgefüge fällt in sich zusammen. Um diese politisch sehr gefährlichen Verwerfungen zu vermeiden, sollte der Westen seinen führenden Status im Finanzwesen nutzen, um die Krypto-Standards von morgen zu definieren. Der politische Machterhalt ist immer auch an die Technologieführerschaft bei Infrastrukturen gebunden. Was vor 100 Jahren Telefon- und Stromleitungen waren, sind heute die Digitalinfrastrukturen namens Internet und Blockchain. Demokratien besitzen dabei den nativen Vorteil, dass ihre Governance tendenziell dezentraler ist als die von Autokratien, die wiederum stärker zum Zentralismus tendieren. Qua Natur sollten daher insbesondere demokratische Nationen gesellschaftlich und politisch Bitcoin, Ethereum und Co. mit offenen Armen empfangen.

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