So wurde Gold zu Schuldgeld – Kann Bitcoin das auch passieren?

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen.“, sagte der spanische Philosoph George Santayana im 19.Jahrhundert. Es ist wichtig, einige Grundzüge der Geschichte des Geldes zu kennen. Deshalb geht es heute um eine wichtige, aber relativ unbekannte Schnittstelle in der Geld-Historie: Wie konnte es passieren, dass aus einer reinen Goldwährung ein Geldsystem aus goldgedeckten Schuldscheinen entstand? Wieso wurde auch die lange vorherrschende Edelmetall-Deckung letztlich aufgeweicht und vor allem: Könnte dies auch dem digitalen Gold, dem Bitcoin, widerfahren? Diesmal führt uns unsere Zeitreise vom ausklingenden Mittelalter bis in die Moderne und endet beim Bitcoin, konkret: dem Lightning Network.

Max Kuhlmann
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Beitragsbild: Shutterstock

ong>Es ist wichtig, einige Grundzüge der Geschichte des Geldes zu kennen. Deshalb geht es heute um eine wichtige, aber relativ unbekannte Schnittstelle in der Geld-Historie: Wie konnte es passieren, dass aus einer reinen Goldwährung ein Geldsystem aus goldgedeckten Schuldscheinen entstand? Wieso wurde auch die lange vorherrschende Edelmetall-Deckung letztlich aufgeweicht und vor allem: Könnte dies auch dem digitalen Gold, dem Bitcoin, widerfahren? Diesmal führt uns unsere Zeitreise vom ausklingenden Mittelalter bis in die Moderne und endet beim Bitcoin, konkret: dem Lightning Network.

Im ausklingenden Hochmittelalter gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde das Geldsystem immer instabiler. Nach einer über 300 Jahre andauernden Wirtschaftsblüte verloren die Fürsten Europas offenbar das Maß. Viele Landesherren übertrieben es jedoch mit der regelmäßigen Erneuerung der damaligen Metallmünzen. Die einzige Form der Steuer war das regelmäßige Umtauschen von „altem“ in „neues“ Geld. Dies wurde in vielen Regionen etwa in einem Verhältnis von zehn zu acht umgetauscht: Für zehn alte Münzen erhielt man acht neue. Auf diese Weise blieb das Geld im Fluss und die Fürsten machten einen Gewinn von 20 Prozent.

Als die Landesherren anfingen, in immer schlechterem Verhältnis, etwa von sechs zu zehn oder gar vier zu zehn zu tauschen, akzeptierten die Menschen das beinahe wertlos gewordene Geld nicht mehr. Es wurden Rufe nach einem neuen, werthaltigeren Geld laut. Die Lösung war der sogenannte „Ewige Pfennig“ sowie Edelmetalle, die vielerorts immer mehr als Währung gehandelt wurden.

Das Geldwesen der damaligen Zeit war stark regional geprägt und seine Ausprägungen in jedem Gebiet etwas unterschiedlich. Klar ist jedoch, dass die ersten Goldmünzen dieser Epoche im Italien des 13. Jahrhunderts geprägt wurden. Von dort aus breiteten sie sich, ebenso wie Silbermünzen, nach und nach in ganz Europa aus. Kreuzzüge im Osten und später die Entdeckung Amerikas im Westen erschlossen zudem neue Goldquellen für Europa, was die Goldgier der Menschen zusätzlich beflügelte.

Wieso entstand aus Gold Papiergeld?

Der Vorteil der sich nach und nach etablierenden Edelmetall-Währungen war offensichtlich: Er bestand in der Werthaltigkeit des verdienten Geldes. Doch hatte die immer beliebter werdende Geldform auch Nachteile: Zum einen war es unpraktisch auszugeben, weil Gold nicht nur sehr schwer, sondern auch kompliziert aufzuteilen war. Kleinere Summen mit dem Edelmetall zu bezahlen, stellte sich als schwierig dar. Zum anderen konnte bei Gold die Geldmenge nicht beliebig aufgebläht werden. Um etwa Kriege zu finanzieren, stellte sich dies als Nachteil dar. Papiergeld hatte bessere Eigenschaften: Es war leichter in kleinere Einheiten aufzuteilen (und stellte somit eine bessere Recheneinheit und ein besseres Tauschmittel dar, zwei weitere wichtige Kernfunktionen für Geld), war einfacher zu transportieren und aufgrund seiner Gold-Deckung ein ebenso guter Wertspeicher wie Gold. Denn ursprünglich war Papiergeld nur eine Quittung für den Besitz von „echtem“ Geld, also Edelmetallen.

Die Entwicklung von Papiergeld

Es ist schwierig, die genaue Geburtsstunde des Papiergelds zu bestimmen. Dessen Ursprünge dürften jedoch ebenfalls in Italien liegen. Schecks und Quittungen über den Besitz von Bargeld, sprich Gold- oder Silbermünzen, wurden über Tische und Banken ausgegeben, um Kreuzzüge zu finanzieren. Daher stammt auch der Begriff der „Banken“.

Die nächste bekannte Station findet sich 1483 in Spanien. Dort wurde erstmalig Papiergeld gedruckt, weil ein Mangel an „echten“ Münzen vorherrschte. Hier spiegelt sich bereits eine typische Eigenschaft von Papiergeld wieder, das häufig genutzt wurde, um die Geldmenge auszuweiten. Sowohl in Italien als auch in Spanien war Krieg der auslösende Faktor, um große Geldsummen nachzudrucken.

Das erste Buchgeld

Die neue Geldform griff in den kommenden Jahrhunderten um sich. Die erste Bank, die flächendeckend Papiergeld als Standard einsetzte, war ab 1609 die Bank von Amsterdam. Die damals entstandene Form von Geld nennt sich Buchgeld. Buchgeld bezeichnet einen Anspruch gegenüber der Bank, die damals in Büchern festgehaltene Geldmenge jederzeit in Gold- oder Silbermünzen umtauschen zu können.

Buchgeld ist auch in unserer Zeit die vorherrschende Form des Geldes. Das elektronische Geld auf unseren Girokonten nennt sich ebenfalls Buchgeld oder Giralgeld und bezeichnet unseren Anspruch gegenüber der Bank zur Auszahlung von Bargeld, dem eigentlichen, gesetzlich festgeschriebenen Zahlungsmittel. Nur bezeichnet Bargeld in unserer heutigen Welt keine Goldmünzen mehr, sondern von der Zentralbank gedruckte Euroscheine.

Die Ausweitung der Geldmenge

Buchgeld wird heutzutage ebenfalls „Sichtguthaben“ genannt. Das kommt daher, dass man damals jederzeit seine Gold- oder Silbermünzen einsehen konnte. Als die Banken jedoch feststellten, dass die Menschen ihr Buchgeld immer seltener gegen ihre Gold- oder Silbermünzen eintauschten, fingen sie schließlich damit an, die Edelmetall-Deckung nach und nach aufzulockern. Solange nicht alle Menschen gleichzeitig ihr Papiergeld eintauschen wollten, reichte es, nur etwa 10 Prozent der als Kredite vergebenen Gelder tatsächlich in Gold zu besitzen. Die einzige Sorge wäre das, was wir heute einen „Run auf die Bank“ nennen würden – wenn alle oder überdurchschnittlich viele Menschen zugleich ihr Gold abheben würden.

Die europäische Geschichte in Kurzform: USA von 1880 bis 1971

Die USA hat von 1880 bis 1971 das erlebt, was in Europa über Jahrhunderte hinweg geschah. Während im Jahr 1880 der US-Dollar noch komplett mit Gold hinterlegt war und man bei der Bank für die Vorlage eines US-Dollars auch Gold erhielt, wurde dieser Standard in den kommenden Jahrhunderten nach und nach aufgeweicht. Nach dem ersten Weltkrieg kam ein Golddevisenstandard und nach dem Zweiten Weltkrieg folgte das Bretton-Woods-Abkommen. Nach diesem waren 35 US-Dollar eine Unze Gold wert. Die USA hielten weltweit die größten Goldreserven und über den US-Dollar waren alle anderen Währungen indirekt mit Gold hinterlegt. Als jedoch die Franzosen im Jahr 1971 ihr in den USA hinterlegtes Gold abheben wollten, brach das System zusammen; entweder hatten die USA das nötige Gold nicht oder sie wollten es schlichtweg nicht herausgeben.

Die Lightning-Dystopie: So könnte auch aus Bitcoin Schuldgeld werden

Bitcoin ist als starker Wertspeicher konzipiert und ein begrenztes Gut, genauso wie Gold. Doch genauso, wie es unpraktisch ist, Gold im alltäglichen Leben als Zahlungsmittel zu nutzen, ist dies auch beim Bitcoin bislang schwierig – das Skalierungsproblem lässt mit hohen Gebühren und niedriger Transaktionsgeschwindigkeit grüßen. Letztlich präsentieren sich sowohl das physische, als auch das digitale Gold in ihrer reinen Form als bestenfalls bedingt alltagstauglich.

Ähnlich wie Gold letztlich dem praktischeren Papiergeld weichen musste, bahnen sich auch bei Bitcoin immer mehr Second-Layer-Lösungen ihren Weg, durch welche die Blockchain teilweise verlassen wird. Bei diesen Vorschlägen, wie etwa bei dem Lightning Network, werden im Prinzip keine Bitcoin mehr versandt, sondern letztlich durch Bitcoin gedeckte, digitale Schuldscheine, die über Zahlungskanäle transferiert werden. Kommt euch das nicht auch bekannt vor? Waren unsere Geldscheine ursprünglich nicht auch goldgedeckte Schuldscheine?

Wie könnte eine Aufblähung der Bitcoin-Menge aussehen?

Übertragen wir die Geschichte der Goldwährungen weiter auf das digitale Gold, wäre der nächste Schritt, irgendwann die Geldmenge – sprich: die Herausgabe von Bitcoin-Schuldscheinen –  doch wieder auszuweiten. So wie die Menschen ihr Gold bei der Bank irgendwann gar nicht mehr abgehoben haben, könnte es auch sein, dass auch die Bitcoin auf der Blockchain liegen bleiben würden und nur noch mit digitalen Schuldscheinen gehandelt würde.

Damals entwickelten sich die Goldschmieden, welche die Edelmetalle gut aufbewahren konnten, nach und nach zu Banken. Würden wir eine digitale Dystopie aus der Idee des Lightning Network erfinden, würden sich auch beim Bitcoin zentrale Verteilerstellen (möglicherweise sogenannte Lightning-Hubs?) herausbilden. Vermutlich würden diese Verteilerstellen aus den größten Zahlungskanälen hervorgehen. Diese würden nach und nach alle Bitcoin verwalten und wären möglicherweise irgendwann dazu in der Lage, mehr „Bitcoin-Schuldscheine“ herauszugeben, als es Bitcoin gibt.

Fertig wäre das digitale Schuldgeldsystem. Völlig transparent und ganz ohne lästiges Bargeld. Die ursprüngliche Bitcoin-Idee wäre gehijackt. Auf diese Weise wäre das Skalierungsproblem gelöst – mit dem Grundgedanken der Blockchain hätte das jedoch nicht mehr viel zu tun.

Wie realistisch ist eine solche Dystopie?

Zugegeben: Diese Dystopie ist vielleicht etwas weit hergeholt. Als der US-Präsident Nixon in den 70er-Jahren den Goldstandard aufkündigte, wurde klar, dass die USA möglicherweise gar nicht so viel Gold hatten, wie sie ursprünglich angaben. Auch wenn Bitcoin viele Gemeinsamkeiten mit Gold hat, gibt es einen wichtigen Unterschied. Die Blockchain ist öffentlich einsehbar. Niemand kann sie hinter einem Tresor einschließen und nach außen hin behaupten, er habe mehr Bitcoin als seine Adresse auf der Blockchain anzeigt. Eine Ausweitung der Ausgabe von Bitcoin-Schuldscheinen durch (noch fiktionale) zentrale Verteilerstellen erscheint also nicht sehr realistisch.

Ansätze wie das Lightning Network sind dringend notwendig. Wenn ich einen Kaffee kaufe, ist es nicht nötig, bei jedem Kauf die Zustimmung der ganzen Mensa einzuholen; es muss einen Weg geben, bei dem es nur der Zustimmung des Verkäufers und von mir bedarf. Doch bei all seiner Nützlichkeit ist es auch wichtig, sich die Gefahren von Second-Layer-Lösungen bewusst zu machen. Dezentralität und die Blockchain müssen als Grundprinzip erhalten bleiben.

On-Chain vs. Off-Chain: Wo ist der gesunde Mittelweg?

Ein sehr ausgewogener Vorschlag bestand 2017 in dem Entwurf für SegWit2x. Dieser Entwurf war kein „Entweder-Oder“, sondern hatte beide Skalierungslösungen integriert. Er stellte in Aussicht, die Möglichkeiten der On-Chain-Skalierung durch eine Erhöhung der Blockgröße weiter auszureizen. Gleichzeitig ebnete SegWit2x den Weg für das Lightning Network, sobald die On-Chain-Skalierung an ihre Grenzen stößt. Wieso also nicht eine starke Blockchain UND die Möglichkeit, Second-Layer-Lösungen zu implementieren? Dies ist ein Plädoyer gegen einen verhärteten Grabenkampf zweier mittlerweile ideologisch geprägter Lager, hin zu einer Integration der Vorteile.

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