Rekordbewertungen Wie nachhaltig ist der Aufschwung am Krypto-Markt?

Die März-Korrektur bei Tech-Aktien wie Tesla lässt die Vermutung zu, dass auch der Krypto-Markt unter Druck geraten dürfte. Bislang ist dem allerdings nicht so. Warum die Unternehmensbewertung von Coinbase sportlich ist, das Staking von Kryptowährungen einen Abverkauf verhindert und der Sommer dem Börsenfieber ein Ende setzen könnte.

Sven Wagenknecht
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Wackeliger Untergrund symbolisiert Verfassung von Krypto-Markt.

Beitragsbild: Shutterstock

Nach einer beeindruckenden Rallye haben viele Tech-Aktien seit Anfang Februar einen größeren Rücksetzer machen müssen. Gemessen an den Kurssteigerungen der letzten Monate eine überfällige Konsolidierung, die angesichts der steigenden US-Renditen als gesund bezeichnet werden kann. Im Vergleich zu den Tech-Werten im S&P500 schlägt sich der Krypto-Markt erstaunlich wacker. Zwar war die letzte Februarhälfte ebenfalls mit einem kleinen Dämpfer versehen, doch seitdem nehmen die Kurse sämtlicher Kryptowährungen wieder zu.

Woher kommt die Stärke im Krypto-Markt?  

Vor allem DeFi- und NFT-Projekte gehen nach wie vor durch die Decke und locken weiterhin frisches Kapital an. Das deutet nicht nur auf eine hohe Dynamik und Nachfrage im Krypto-Markt in Relation zu anderen Märkten hin, sondern legt auch eine stärkere Unabhängigkeit von makroökonomischen Rahmenbedingungen, siehe S&P 500 nahe.

Unterstützt von dem Markt-Momentum möchten einige Krypto-Player der Szene bei den ganz Großen, ergo traditionellen Aktienwerten, mitspielen. Entsprechend stehen auch IPOs auf der Agenda. Allen voran macht hier die Krypto-Börse Coinbase von sich reden, deren Börsengang in den dreistelligen Milliardenbereich reichen könnte. Auch Konkurrent Kraken gab bereits bekannt, mit einem IPO zu liebäugeln.

IPOs als Stimmungsbarometer

Die Zeit für die ehemaligen Krypto-Start-ups könnte keine bessere sein, um hohe (und freche) Bewertungen durchboxen zu können. Ohne den Erfolg von Coinbase schmälern zu wollen, muss man bei einer Bewertung von 100 Milliarden US-Dollar, die aktuell im Raum steht, schon mal nachfragen, ob diese auch ohne die gegenwärtige Börsenmanie an den Märkten gerechtfertigt wäre. Zumal das Geschäftsmodell eines Krypto-Brokers vergleichsweise einfach austauschbar ist und beispielsweise nicht so stark von einem Netzwerkeffekt profitiert wie die Internetplattformen aus dem Silicon Valley. Perspektivisch werden die Krypto-Broker auch mit den traditionellen Banken und Börsen konkurrieren müssen. Nur zum Vergleich: Facebook hatte im Mai 2012 den damals größten Technologiebörsengang aller Zeiten hingelegt und war zu diesem Zeitpunkt “nur” mit 104 Milliarden US-Dollar bewertet.

Hohe Bewertungen findet man aber nicht nur bei den aktuellen IPOs. Wie bereits im vorherigen Freitagskommentar thematisiert, nehmen insbesondere die Bewertungen im NFT-Sektor extreme Züge an.

Sportliche Bewertungen

Insbesondere die Flow Blockchain von Dapper Labs fällt mit ihrem rasanten Aufstieg ins Auge. So sind erst zwei Prozent des gesamten Token Supply herausgegeben worden. Bei einem aktuellen Kurs von 33 US-Dollar entspricht dies einer Marktkapitalisierung von rund einer Milliarde US-Dollar. Auf alle potenziellen Flow Token bezogen kommt man damit auf eine Marktkapitalisierung von knapp 50 Milliarden US-Dollar. Für ein derart junges Projekt, das erst zwei nennenswerte Projekte vorzuweisen hat – Cryptokitties und NBA Top Shot – eine mehr als sportliche Bewertung. Überspitzt könnte man auch formulieren: Die Protokollbewertung ist größer als der Markt (Non-fungible Token) in dem es aktiv ist – man finde den Fehler.

Auch andere NFT-Projekte oder die NFT selbst, ergo die gehandelten Kunstobjekte, Sammelkarten etc., kommen auf fragwürdige Bewertungen. Solange die Erwartungen in der Zukunft erfüllt werden, können die hohen Marktkapitalisierungen durchaus gerechtfertigt sein. Dennoch sollte auch bewusst sein, dass das Enttäuschungspotential gigantisch ist. Die vielen Vorschusslorbeeren müssen irgendwann in der Zukunft auch in fundamental gerechtfertigte Ertragsmodelle umgewandelt werden. Gleiches gilt für die zahlreichen DeFi-Projekte, die ebenfalls ihre Marktkapitalisierungen in der Breite vervielfachen konnten.

Können Börsenumsätze in den Himmel wachsen?

Neben hohen IPO-, Protokoll- und NFT-Bewertungen sollten vor allem die Kurse der “Börsen-Token” als Warnsignal dienen. Genau wie die Volumina und Neuanmeldungen bei Brokern und Börsen im traditionellen Finanzmarkt, kennen auch die Umsätze bei den Krypto-Börsen kein Halten mehr. Die Börsen-eigenen Token konnten den restlichen Krypto-Markt signifikant out performen. So schossen die Kurse der Börsen-Token innerhalb der letzten 30 Tage gen Himmel: Binance (+ 280 %), Huobi (+ 80 %), FTX (+ 125 %) oder Crypto.com (+ 170 %).

Auch ihre dezentralen Pendants konnten wieder gut zulegen. Die Token von den dezentralen Tauschbörsen Uniswap (+ 60 %) und ShushiSwap (+ 40 %) profitieren ebenfalls auf 30-Tagessicht von dem enormen Handelsvolumen und den daraus resultierenden Gebühren.

Mit Staking und Corona-Langeweile gegen den Verkaufsdruck

Verstärkt wird die Rallye der Börsen-Token durch Staking-Angebote. So bietet Binance äußerst attraktive Staking-Vergütungen für Binance-Einlagen an. Damit setzt man nicht nur einen Kaufanreiz, sondern auch einen Anreiz seine Token zu behalten und für sich “arbeiten” zu lassen. Gerade die Krypto-Börse Binance ist sehr gut darin FOMO zu erzeugen. In zahlreichen Promo- und Staking-Aktionen heizt sie den aktuellen Hype noch weiter an.

Prinzipiell mag das legitim sein, doch sollte man sich bewusst sein, dass Staking-Renditen von 30 Prozent pro Jahr nicht vom Himmel fallen. Anleger sollten die Staking-Erträge nicht mit Sparbuchzinsen verwechseln, während der Leitzins um die Nullprozentlinie pendelt. Spätestens wenn das Börsenfieber nachlässt und sich die Stimmung an den Märkten – das gilt genauso für die Aktienmärkte – wieder normalisiert, werden auch die aktuellen Volumina, Rekordumsätze sowie Börsen-Neuanmeldungen zurückgehen. Selbst wenn die Kurse von Bitcoin und anderer Kryptowährungen weiterhin anziehen sollten, dürfte die Börsenaktivität nicht auf dem aktuellen Niveau bleiben.

Insbesondere mit Hinblick auf den Sommer und den zu erwartenden Corona-Lockerungen wird viel privates “Zocker-Kapital” wieder in den Konsum fließen. Für Sommerurlaub und Restaurantbesuche werden nicht nur einige Gewinnmitnahmen stattfinden. Auch wird das nachfließende Kapital, das notwendig ist, um die Wachstumsgeschwindigkeit im Krypto-Markt aufrechtzuerhalten, zurückgehen.

Krypto-Markt steht auf wackeligen Beinen

Im Vergleich zu etablierten Börsengesellschaften steht der Krypto-Markt auf sehr wackeligen Beinen. In Gegensatz zu DAX-Unternehmen steckt in erster Linie “Hochrisiko-Kapital” in den unterschiedlichen Token-Projekten. Während also die Aktienmärkte auf die Unterstützung von Pensionskassen, Versorgungswerken und anderen institutionellen Investorenklassen sicher sein können, ist dies bei Kryptowährungen noch nicht der Fall. Zwar tasten sich progressive “Instis” langsam an Bitcoin heran, allerdings (noch) nicht an die zahlreichen anderen Krypto-Assets.

An der langfristigen Perspektive für die diversen Krypto-Sektoren ändern die oben skizzierten Einwände nichts. Wer von einem Projekt überzeugt ist, kann als Langzeitanleger auch jetzt noch guten Gewissens als in den Krypto-Markt investieren. Allerdings dürfte die Zeit, wo man blind in einen beliebigen Token Sale investiert und drei Monate später seinen Einsatz mindestens verfünffacht hat, spätestens im Sommer oder Herbst dieses Jahres vorbei sein.

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