Silk-Road-Betreiber Ross Ulbricht: „In meiner Situation ist Schmerz unvermeidbar“

Ross Ulbricht meldet sich aus der Justizanstalt zu Wort. Der mutmaßliche Gründer des Online-Schwarzmarkts Silk Road berichtet aus dem Gefängnisalltag. Zeit, seine Geschichte und die Geschichte von Silk Road aufzurollen.

Phillip Horch
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| Ross Ulbricht, Betreiber des Online-Schwarzmarkt Silk Road, meldet sich zu Wort

Der Mythos der Online-Schwarzmärkte bekommt mit der Netflix-Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ aktuell wieder Aufmerksamkeit. Während der Streaming-Dienst das Thema in komödiantischer Weise bearbeitet, gestaltet sich die Realität weitaus düsterer. Davon zeugt aktuell ein Bericht von Ross Ulbricht. Der verurteilte Gründer des ersten Online-Schwarzmarkts Silk Road berichtete im Bitcoin Magazine über seine Erfahrungen im US-amerikanischen Knast. Auf der Spur eines Verurteilten.

Was war die Silk Road?

Die Silk Road war ein Online-Handelsplatz für illegale Waren. Im sogenannten Darknet, unterhalb der Wahrnehmung von Google & Co. hat man sich dort anmelden können, um etwa Drogen, gefälschte Ausweise oder Falschgeld zu kaufen. Dazu hat man sich über den TOR-Browser (The Onion Router) eingewählt, um anonym an seine Waren zu kommen (letzteren hat übrigens das US Naval Research Laboratory für die anonyme Militärkommunikation entwickelt). Dabei ist eine gewisse Kryptowährung ganz nebenbei zu ihrem zweifelhaften Ruf gekommen. Denn um dort (mutmaßlich) anonym zu bezahlen, verwendeten Händler und Konsumenten Bitcoin, bevor sich anonymere Kryptowährungen wie Monero (XMR) ihren Weg bahnten.

Nach der Gründung im Jahr 2011 sollte es nicht lange dauern, bis die US-Behörden auf die Silk Road aufmerksam wurden. Schnell ist es dann auch zur Verhaftung von Ross Ulbricht gekommen, der das Online-Portal nach Polizeiinformationen unter dem Namen Dread Pirates Robert betrieben hat.

Was hat Ulbricht verraten?

Der Betreiber der Silk Road hat jedoch bei seinem Vorgehen einige Fehler begangen. So hat Dread Pirate Roberts unter dem Pseudonym altoid im bitcointalk-Forum zunächst Hilfe für sein Projekt gesucht. Als es um eine Bitcoin-API gegangen ist, hat er in Zeile sechs die Wallet-Adresse seines Dienstes verraten:

$bitcoin->sendfrom(“1”, “1LDNLreKJ6GawBHPgB5yfVLBERi8g3SbQS”, 10)

Später sollte er unter demselben Pseudonym im Bitcoin-Talkforum und auf anderen einschlägigen Kanälen Werbung für seinen Online-Schwarzmarkt machen. Sein wohl größter Fehler war es, unter dem Pseudonym Entwickler für Silk Road zu suchen – in Verbindung mit seiner originalen (!) E-Mail-Adresse: rossulbricht@gmail.com.

Von daher war es den Ermittlern ein Leichtes, den mutmaßlichen Betreiber der Silk Road zu überführen. Die Behörden haben unter anderem Ulbrichts Post abgefangen – und darin insgesamt neun Ausweise mit unterschiedlichen Namen und Adressen gefunden. Eines hatten sie jedoch trotz der Namenvielfalt gemeinsam: das Foto von Ross Ulbricht.

Auf der Entwicklerplattform Stack Overflow hat Ross Ulbricht außerdem eine Anleitung dafür veröffentlicht, wie man sich Zugriff auf Hidden Services (wie die Silk Road) verschafft, auch hier hat er seinen realen Namen geändert. Zwar wechselte er diesen kurzzeitig zu „frosty.“ Im Nachhinein konnten ihn die Behörden jedoch identifizieren und ihm den Prozess machen. Urteil: zweimal lebenslänglich plus 40 Jahre und ohne Anspruch auf ein Pardon. Am 1. Oktober 2013 kam es dann zur Verhaftung.

Ross Ulbricht über seine Zeit im Gefängnis

Nun, fünfeinhalb Jahre nach seiner Verhaftung, berichtet Ulbricht für das Bitcoin Magazine von seiner Haftzeit. Nach seiner Inhaftierung, so Ulbricht, musste der damals 31-Jährige zunächst ins „Loch“:

Meine physische Umgebung ist heute ironischerweise ähnlich wie nach meiner Verhaftung im Jahr 2013. Ich bin wieder in der SHU (Special Housing Unit, auch bekannt als „das Loch“). Es bedeutet permanente Abkapselung, getrennt von der allgemeinen Gefängnispopulation, in einer kleinen Zelle. Es gibt einen Schlitz in der Schwermetalltür für Essenstabletts, eine kleine Stahltoilette, eine Betonkoje mit dicken Ringen an vier Stellen (ich schätze, so werde ich angeschnallt, wenn ich verrückt werde), abgeplatzte Farbe an den Wänden und am Boden, dazu Namen von Banden und verzweifelte Bibelzitate, die eingeätzt sind, und überall dicke Flecken, die die Tage zählen, die ehemalige Bewohner hier verbracht haben (einige Sammlungen sind erschreckend groß).

Nach seiner Inhaftierung, so Ulbricht weiter, hat er insgesamt sechs Wochen in dieser Isolationshaft verbracht. Dafür habe es keine speziellen Gründe gegeben, außer, dass er unter die Kategorie „High Profile“, also Personen von hohem Interesse, gefallen ist. Doch trotz aller Querelen, denen er sich offenbar gegenüber gesehen hat (laut seines Berichtes sollen ihn Mitgefangene dazu genötigt haben, andere anzugreifen, was er verweigert haben soll), will Ross Ulbricht von seiner Zeit der Inhaftierung auch Positives mitgenommen haben:

Vielleicht bin ich es nach mehr als fünf Jahren gewohnt, Zeit abzusitzen. Aber ich denke, es ist die Art und Weise, wie ich meine Zeit verbracht habe, die mich mental hart gemacht hat, die den Unterschied gemacht hat, wie ich damals mit dem Loch umgegangen bin und wie ich es jetzt handhabe. Ich möchte diese schwer erlernte Weisheit mit euch teilen. Hier sind die fünf Schlüssel zur inneren Stärke, die ich aus fünf Jahren Gefängnis gelernt habe.

Die Lehren des Silk-Road-Gründers

Geduld

Eine der Lehren, die Ross Ulbricht aus seiner Zeit hinter Gittern zieht, ist es, sich in Geduld zu üben:

Meine erste Nacht, in der ich eingesperrt war, war in einer Zelle in San Francisco: nur bemalter Beton, Toilette und Waschbecken. Da waren Blutspritzer, die die Wand befleckten. Ich war so ungeduldig, dass diese Nacht vorbei war. Ich hatte fast das Gefühl, dass ich es nicht überleben konnte, als ob es nie enden würde. […] Das Gefängnis hat sein eigenes Tempo. […] Ich hatte einmal einen Wasserhahn, der fünf Wochen lang Tag und Nacht lief, bevor er repariert wurde. Eine verstopfte Toilette [zu reparieren] dauerte zwei Monate und eine Beschwerde beim Büro des Generalinspekteurs. Ein anderes Mal entdeckte ich einen Brief, der an mich adressiert war, in der Ecke eines Wachbüros. Er war dort seit vier Monaten. Ich habe gelernt, dass Geduld bedeutet, das zu tun, was man heute kann, und dann loszulassen. Es bedeutet, sich auf diesen Moment einzustellen und die Dinge in ihrer eigenen Zeit kommen zu lassen. Ungeduld und Langeweile bringen keine schnelleren Ergebnisse, aber sie rauben dir dein Glück hier und jetzt.

Der Wille zum Kampf

Die Zeit scheint bisweilen den Poeten in Ross Ulbricht zu erwecken. So beschreibt er einen Mitinsassen, der ihn gelehrt habe, dass das Leben Kampf bedeute. Dahingehend berichtet Ulbricht über Big Mike:

Big Mike hatte sein ganzes Leben lang gekämpft. Er wuchs auf den Straßen von Philly [Philadelphia, US-Bundesstaat] auf. Er kämpfte, um zu überleben, und jetzt kämpfte er gegen die letzten Fetzen von Zweifel und Niederlage, die noch in meinem Herzen geblieben waren. [Big Mike] gewann in dieser Nacht und entzündete ein Feuer in mir, das seitdem brennt. Der Wille zum Kampf ist von grundlegender Bedeutung. Er ist in uns allen. Wie ich haben viele von uns ihn nie gebraucht und er liegt inaktiv da. Dennoch musst du nicht warten, bis du angegriffen wirst und dein Leben in Gefahr ist, um zu lernen, zu kämpfen. Du kannst für das kämpfen, was du liebst, für das, was zählt, für das, woran du glaubst, wie dein Leben davon abhängt. Und das tut es wirklich, denn ein lebenswertes Leben ist es auch wert, dafür zu kämpfen.

Vergebung

Einige Monate nach seiner Verurteilung haben die Emotionen des ehemaligen Silk-Road-Betreibers gekocht. Allen, die „ihn für das Leben weggesperrt haben“, gegenüber empfand er Wut, Frustration, Hilflosigkeit und Ansätze von Hass. In endlosen Gedanken darüber, was und ob die Menschen, die mit seiner Inhaftierung zu tun hatten, fühlten, kam Ross Ulbricht schließlich zu dem Ergebnis, dass ihm diese Gefühle wenig nutzen.

Die Wahrheit, so wurde mir klar, war, dass ich keine Ahnung hatte [was sie fühlten]. Und außerdem hat ihnen all meine Wut kein bisschen wehgetan.[…] So abscheulich es sich anfangs auch anfühlte, ich musste ihnen verzeihen. […] Ich konzentrierte mich auf Gefühle der Liebe und Freundlichkeit und stellte mir vor, wie sie diejenigen ausstrahlen und heilen, die mich verletzt hatten. Ich weiß nicht, ob das einen Effekt auf einen von ihnen hatte, aber ich begann sicherlich, besser zu schlafen. Mit der Zeit wurde ich rücksichtslos mit diesen hasserfüllten Gedanken, wann immer sie mir in den Sinn kamen […]. Ich konnte ihnen nicht nachgeben, weil ich diese einfache Wahrheit gelernt hatte: Hass schadet nicht dem Gehassten, er schadet dem Hasser. Es ist Jahre her, dass ich meine Energie verschwendet habe, diese Menschen zu hassen, und ich bin so viel besser dran, weil ich ihnen vergeben habe.

Glauben

Die Zeit hinter Gittern, so berichtet der texanische Bürger, habe ihn außerdem den Glauben gelehrt:

Verurteilt zu werden, alt zu werden und im Gefängnis mit zweimal lebenslänglich plus 40 Jahren zu sterben, ist wie in einen Abgrund zu starren […]. Ich erkannte, dass ich nicht stark genug bin, um nicht in diesen allgegenwärtigen Abgrund zu fallen. Es mag irrational sein, ohne Beweise zu glauben, Glauben zu haben, aber es ist auch irrational, die Hoffnung, Liebe und Freude, die der Glaube mit sich bringt, aufzugeben, weil er dir die Kraft gibt, zu kämpfen und schließlich zu gewinnen. In einer so verzweifelten Situation wie der meinen ist das Leben im Glauben der Unterschied zwischen Freiheit und einem langsamen, eingesperrten Tod.

Akzeptanz und Dankbarkeit

Schließlich, so endet das Manifest von Ross Ulbricht, müsse man sein Schicksal akzeptieren und dafür dankbar sein. So gebe es im Gefängnis zwar unendliche Quellen des Schmerzes. Darunter zu leiden, sei jedoch optional:

Ich hatte unzählige Gelegenheiten, um zu leiden. In jedem Fall sind die Schmerzen unvermeidlich. Sie treffen ohne Vorwarnung und man spürt sie, ob es einem gefällt oder nicht. Und natürlich ist es die Natur der Schmerzen, dass man sie nicht mag. Unsere natürliche Reaktion ist es, sich ihr zu widersetzen, sie zu bekämpfen, sie wegzustoßen oder herunterzudrücken. […] Schmerz und Leiden scheinen im Gefängnis hoffnungslos verbunden zu sein, aber ich habe gelernt, dass Leiden nicht die unvermeidliche Folge von Schmerz ist. Während Schmerz unter meinen Umständen unvermeidlich ist, ist Leiden völlig freiwillig. Schmerz, sogar emotionaler Schmerz, ist nur ein körperliches Gefühl: der Knoten in meinem Magen, die Schmerzen in meinem Herzen und Kopf. Sie sind allein weder positiv noch negativ. Es ist einfach so. Leiden ist unsere negative Reaktion auf Schmerzen, die sich zusammensetzen und verstärken und sie immer weiter verschleppen. Ich bin zu dem Glauben gekommen, dass das Gegenmittel gegen das Leiden, der Weg dorthin, Akzeptanz und Dankbarkeit ist.

Mehr zu Silk Road und Ross Ulbricht

Der Silk-Road-Gründer Ross Ulbricht ist indes weitaus nicht die einzige Person, die unter die Räder der US-Justiz kamen. Dementsprechend wurde etwa im November 2017 ein ehemaliger Secret Service Agent verhaftet. Der damals 35-Jährige Shaun Bridges hatte sich im Rahmen der Silk-Road-Ermittlungen über eine Million US-Dollar in Bitcoin abgegriffen und versucht, diese vorbei an den Augen der Behörden in seine eigene digitale Brieftasche zu schleusen.

Er hatte sich als Auftragsmörder ausgegeben und Geld von Ulbricht entgegengenommen, um den Informanten, der gegen ihn aussagen sollte, zu töten. Zusammen mit einem Kollegen hatte er dann den Tod des Informanten vorgetäuscht, um an das Geld zu kommen. Die beschlagnahmten Bitcoin wurden bereits 2015 von der US-Regierung versteigert.

Jener Kollege war das ehemalige DEA-Mitglied Carl Force und wurde wegen Erpressung, Geldwäsche und Strafvereitelung sowie dem Diebstahl von Bitcoin verurteilt. Force hatte als Undercover Agent in den Ermittlungen gearbeitet und war damit beauftragt, Ulbricht hinters Licht zu führen. Später nutzte er seinen Status jedoch aus und stahl Bitcoin, die er schließlich auf den Bitcoin-Börsen Bitstamp und Venmo waschen wollte.

Seine Accounts wurden jedoch wegen verdächtiger Aktivitäten eingefroren. Schließlich versuchte er vergeblich, seinen Status als DEA-Agent auszunutzen, um die Börsen dazu zu bringen, seine Konten wieder freizugeben.

Laut Schätzungen soll Silk Road übrigens innerhalb von knapp zwei Jahren einen Umsatz von mehr als 214 Millionen US-Dollar generiert haben.

Den gesamten Text von Ross Ulbricht findet ihr in englischer Sprache beim Bitcoin Magazine.

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