Ethereums Shanghai-Upgrade hat einen regelrechten Staking Boom auf der Blockchain ausgelöst. Damit verbundene Projekte wie Lido-Finance oder Rocket-Pool verzeichnen starke Kursgewinne. Die Warteschlange für Einzahlungen auf der Beacon-Chain ist derweil 44 Tage lang. Und mittendrin feiert eine neue Branche ihren Aufstieg: das Geschäft mit Ethereums Liquid-Staking-Token (LSTs), angeführt von Lidos stETH. Um diese bildet sich indes eine neue DeFi-Primitive: LSTfi. Das aufkommende Staking-Finanzwesen verzeichnet schon jetzt ein Total Value Locked (TVL) von 400 Millionen US-Dollar und ist auf bestem Wege, den DeFi-Sommer 2.0 in die Wege zu leiten.
LSTs: Rendite mit echtem Wert
Liquide Staking Token repräsentieren zugrundeliegende ETH, die auf der Beacon Chain gestaket sind. Dass sie sich großer Beliebtheit erfreuen, ist kein Geheimnis. Fast die Hälfte des gestakten ETH geht an LST-Protokolle wie Lido und Rocket-Pool. Grund dafür ist unter anderem die Umgehung von Opportunitätskosten. Anleger verdienen mit ihnen Staking-Rendite und können ihre ETH-Derivate weiterhin für andere Investitionen nutzen. Außerdem basiert die zugrundeliegende Rendite auf Ethereums Staking Rewards, statt auf besonders inflationären und häufig wertlosen Utility- bzw. Governance-Token kleinerer DeFi-Projekte. Seitdem die Freischaltung der Staking-Auszahlungen auf ETH für ein massives “De-Risking” gesorgt hat, baut eine Reihe neuer, innovativer Protokolle auf das Asset, das zunehmend zu einer Art Blockchain-Anleihe wird.
Eines von Ihnen ist Lybra-Finance. Auf Lybra können Nutzer ETH oder stETH einzahlen und erhalten im Gegenzug den Stablecoin eUSD. Dieser hebt sich von anderen dadurch ab, dass er derzeit um die acht Prozent Rendite durch die Umwandlung der über stETH verdienten Staking-Rewards generiert. Dabei soll ein US-Dollar des Stablecoins durch den 1,5-fachen Gegenwert gesichert sein, um ein Depegging zu verhindern. Mehr als 180 Millionen US-Dollar TVL generierte Lybra binnen weniger Wochen. Lybras Token, LBR, verzeichnet 600 Prozent Kursgewinn in den letzten drei Tagen. Die Nachfrage nach dem Stablecoin mit passivem Einkommen ist also schon jetzt hoch und sorgt für irres Wachstum.
No Risk, No Fun
Ein weiterer Grund für den wachsenden LSTfi-Sektor ist vermutlich auch die Nachfrage nach Hebelprodukten mit dem Staking Token. Mehr Risiko bedeutet nämlich mehr Rendite. Diesen Markt bedienen Projekte wie MakerDAO oder Asymetrix. Maker ermöglichte es schon im vergangenen Jahr, stETH einzuzahlen und einen Kredit in ETH aufzunehmen, um damit wiederum mehr stETH zu kaufen. Mittels dieser Strategie kann die Rendite also in Dauerschleife generiert werden, doch ist sie möglichen Schwankungen im ETH-Kurs ausgesetzt. Im schlimmsten Fall werden Nutzer dann liquidiert und verlieren ihre gesamte Position.
Asymetrix hingegen gleicht eher einer Lotterie. Alle Nutzer zahlen zunächst ihre Staking-Token ein, die im Anschluss generierten Staking Rewards kommen dann in gemeinsames ein Becken. Nach einer Auslosung gewinnt ein glücklicher Staker dann die gesamte Rendite, während die anderen leer ausgehen. Dies ermöglicht potenziell auch kleineren Nutzern größere Gewinne abzuschöpfen. Statt konstant vier bis sechs Prozent zu erwirtschaften, sind so zwischen 0 und 999 Prozent Rendite für einzelne Staker möglich. Dass die Einsätze bei all dem klein gehalten werden sollten, zeigt bereits das Beispiel von unshETH. Der Handelsplatz für LSTs mit einem TVL von mehr als 30 Millionen US-Dollar wurde vergangene Woche Opfer eines Hacks und musste das Vermögen auf der Plattform einfrieren. Die “Trial-and-Error” Devise der innovativen Plattformen birgt also oftmals ein Risiko für die Assets von Nutzern.
Neu, innovativ und komplex
Den Gipfel der Komplexität stellen Protokolle wie Pendle Finance dar. Pendle ermöglicht es Usern LSTs einzuzahlen und im Gegenzug zwei neue Token zu erhalten, die den Wert des LSTs aufteilen. Die PT-Token bilden den Grundwert des gestaketen ETH ab, während die YT-Token die erwirtschaftete Rendite tokenisiert. Somit könnten User beispielsweise ihr ETH behalten und nur die Staking-Rendite weiterverkaufen. Käufer haben wiederum die Chance, ETH günstiger im Vergleich zum herrschenden Marktpreis zu erwerben und können dadurch Gewinne einfahren, sofern sie für bestimmte Zeit am rabattiertem Coin festhalten. Für jene, die lieber etwas konservativer an LSTfi teilnehmen wollen, bieten auch bewährte DeFi-Protokolle zahlreiche Instrumente an. Zuletzt Curve Finance, die neben frxETH bald auch stETH-Einzahlungen zur Besicherung ihres neuen Stablecoins verwenden wollen. Oder Nutzer geben ihre LSTs ganz klassisch in einen Liquidity Pool auf Uniswap, um an den Handelsgebühren zu verdienen.
So oder so: seit aus Ethereum zum Beginn des Jahres eine vollumfängliche Proof-of-Stake-Blockchain geworden ist, scheinen die Dämme gebrochen. Die neuen, innovativen Verdienstmöglichkeiten sorgen für frischen Wind im DeFi-Sektor, der im Vergleich zum DeFi-Sommer 2020 dadurch festeren Boden unter den Füßen zu haben scheint. Bleiben die Krypto-Kurse träge, dürften sicherlich weitere User in den neuen Space strömen, um das bevorstehende Sommerloch zu füllen und für die nötige Hitze zu sorgen.