Markus Kaulartz von CMS “Keine etablierte Bank wird diesen Markt vorantreiben”

Wie schnell sich Blockchain-Innovationen durchsetzen können, liegt oftmals auch an der regulatorischen Machbarkeit. Wer Geschäfte mit Kryptowährungen betreiben oder gar Geschäftsmodelle mit digitalen Wertpapieren anbieten möchte, muss das O.K. von den Finanzaufsichten erhalten. Einer der führenden Rechtsanwälte in Deutschland, der dafür sorgt, dass Blockchain und Recht zusammenfinden, ist Markus Kaulartz von der Kanzlei CMS. Im Interview hat uns der Jurist und Software Developer verraten, warum sich Security Token gegenwärtig noch schwertun, was man an der Kryptoverwahrlizenz anpassen sollte und wie die Regulierung perspektivisch mit DeFi-Projekten umgehen kann.

Sven Wagenknecht
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Markus Kaulartz

Beitragsbild: BTC-ECHO, CMS

Dieser Artikel erschien zunächst in der September-Ausgabe unseres Magazins Kryptokompass.

BTC-ECHO: Bislang ist der große Durchbruch bei Security Token ausgeblieben. Was glaubst du, woran liegt es, dass sich Security Token noch nicht so richtig durchsetzen konnten?

Markus Kaulartz: Zum einen ist das ein Henne-Ei-Problem. Es gibt zwar einige Unternehmen, die gerne Security Token emittieren wollen, sich aber um eine hinreichende Liquidität am Markt sorgen. Der Markt wiederum sagt, es gebe bisher so wenige STOs, das könne ja gar nichts sein. Außerdem sind die Vertriebsmöglichkeiten und die Handelbarkeit noch nicht gänzlich ausgereift. Wir reden zwar mit ein paar DAX-Unternehmen, die unter dem neuen Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) Security Token emittieren würden, aber das ist häufig nicht mehr als ein Testballon.

Der zweite Punkt ist, dass das eWpG zwar jetzt seit fast zwei Monaten in Kraft ist, die Verordnungen zu dessen Konkretisierung aber noch fehlen. Zudem gibt es noch keine Erlaubnisse für die Kryptowertpapierregisterführer. Das sind die Personen, die für das Funktionieren der Blockchain und der Smart Contracts verantwortlich sein sollen und notwendig sind, damit ein Unternehmen einen Security Token unter dem eWpG emittieren kann. Da müssen wir einfach abwarten, bis die ersten Lizenzen erteilt worden sind – dann werden sich die Unternehmen auch trauen, Security Token zu begeben.

BTC-ECHO: Jetzt hast du gerade schon das elektronische Wertpapiergesetz angesprochen. Kannst du nochmal kurz erläutern, worum es dabei im Kern geht?

Markus Kaulartz: Das eWpG erlaubt, dass man Inhaberschuldverschreibungen tokenisiert; das ist erst einmal ein sehr kleiner Anwendungsbereich. Darunter fallen zum Beispiel Darlehen. Was noch nicht darunter fällt, sind etwa Aktien oder Fonds-Anteile. Erstgenanntes soll aber nach Aussage der zuständigen Stellen als Nächstes kommen. Die These war immer: Wir wollen klein starten, um die Prozesse zu testen. Wenn wir dann merken, dass es funktioniert, werden wir auch Aktien mit ins Gesetz aufnehmen. Außerdem will man verstehen, ob der Kryptowertpapierregisterführer überhaupt gebraucht wird – ich hoffe, dass nicht.

BTC-ECHO: Wie schätzt du die Chance ein, dass wir in den nächsten ein bis zwei Jahren einen ersten richtigen Sekundärmarkt im Sinne einer Börse für Security Token sehen werden?

Markus Kaulartz: Da tut sich momentan leider sehr wenig. Ein Grund dafür ist, dass bei vielen Sekundärmarktplattformen der Verbraucher nicht direkt handeln darf, sondern immer einen Broker dazwischen braucht. Das macht den Handel von Security Token nochmal aufwendiger. Mir ist auch nach wie vor niemand bekannt, der entsprechende Erlaubnisse in Deutschland anwendet.

Momentan wird aber versucht, mit sogenannten Eigenhandelslizenzen einen Sekundärmarkt aufzubauen. Ich glaube, da kommt bald mehr und mehr Marktvolumen. Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten 12 bis 24 Monaten mehrere Plattformen haben werden, die wirklich hinreichend Kapital zur Verfügung stellen, damit ordentlich gehandelt werden kann.

BTC-ECHO: Neben dem eWPG wurde noch ein weiteres Gesetz in Deutschland verabschiedet: das Fondsstandortgesetz trat diesen Juli in Kraft. Demnach dürfen institutionelle Anleger nun 20 Prozent in Kryptowährungen investieren. Wie schätzt du die Auswirkungen dieses Gesetzes auf den Markt ein?

Markus Kaulartz: Aus den Gesprächen mit unseren Mandanten nehmen wir die steigende Nachfrage nach Kryptowährungen definitiv wahr. Sogar Player, von denen wir niemals erwartet hätten, dass sie irgendetwas anfassen, bei dem ein Computer involviert ist, schauen sich Kryptowährungen an. Ich glaube, dass wir in den nächsten 12 bis 24 Monaten eine ganz massive Nachfrage von institutionellen Marktteilnehmern feststellen werden. Das dürfte ehrlicherweise einen großen Schub für klassische Kryptowährungen sowie Security Token bedeuten.

BTC-ECHO: Zu guter Letzt wäre dann noch das Kryptoverwahrgesetz. Mit Coinbase hat nun im August das erste Krypto-Unternehmen eine Kryptoverwahrlizenz von der BaFin erhalten. Siehst du nicht eine Gefahr darin, dass die hohen Anforderungen nicht alle Krypto-Start-ups mit Verwahrgeschäft erfüllen können?

Markus Kaulartz: Da zerren natürlich zwei Kräfte: Einerseits müssen wir es den Start-ups leichtmachen, ihre Dienste anzubieten. Schließlich kommt Innovation immer von den Start-ups. Keine etablierte Bank wird diesen Markt vorantreiben. Andererseits müssen natürlich auch die technischen und organisatorischen Maßnahmen bei diesen Unternehmen so gut sein, dass die Assets auch geschützt sind. Denn wenn die Anforderungen an die Lizenz nicht hoch genug wären, dann bestünde die Gefahr, dass es auch verstärkt Vorfälle geben könnte, bei denen Assets in der Verwahrung abhandenkommen.

Wenn solche Fälle auftreten, wäre das dem Markt sicher nicht zuträglich. Das heißt, wir müssen da einen gesunden Kompromiss aus niedrigen Anforderungen und einer sicheren Verwahrung finden. Wir wissen alle, dass die Blockchain als System sehr sicher ist – es geht also vor allem um die Verwahrung der privaten Schlüssel. Das Problem meines Erachtens ist auch, dass die BaFin noch ganz am Anfang steht und erstmal selbst geeignete Parameter identifizieren muss, anhand derer sie die Anträge überhaupt prüfen kann.

Bei Coinbase ging es mit der Lizenz auch deshalb so schnell, weil die Börse bereits lange Erfahrung im Bereich Krypto-Verwahrung sammeln konnte. Andere Unternehmen fangen da gerade erst an. Deshalb ist es für eine Behörde wie der BaFin einfacher, solchen großen Unternehmen eine Lizenz zu erteilen, als einem kleinen Start-up.

Ich fände ein stufenbasiertes Modell sinnvoll, das es auch kleinen Unternehmen mit vergleichsweise geringer Kapitalausstattung ermöglicht, zumindest Krypto-Assets bis zu einem bestimmten Schwellenwert zu verwahren.

BTC-ECHO: Aus regulatorischer Sicht: Wie ordnest du Deutschland innerhalb der EU ein? Insbesondere gegenüber der Krypto-affinen Schweiz?

Markus Kaulartz: Also ich finde, dass Deutschland extrem gut aufgestellt ist. Denn zum einen ist die BaFin seit dem Brexit die Finanzbehörde, die am meisten Anerkennung innerhalb der EU erfährt. Das heißt, wenn ich in Deutschland eine Lizenz habe, ist es für mich doch relativ einfach, sie in andere Länder zu passporten. Zudem sind Teile der MiCA-Verordnung der EU (“Markets in Crypto Assets”) stückweise bereits in Deutschland vorhanden. Sprich, den Krypto-Verwahrer zum Beispiel, den mag es momentan nur in Deutschland geben. Wenn er aber EU-weit reguliert ist, dann haben deutsche Krypto-Verwahrer schonmal die Nase vorne, da sie entsprechende Vorkehrungen getroffen haben.

Der Vergleich mit der Schweiz ist ein bisschen ein Marketing-Thema. Die Schweiz hatte damals das Glück, dass sie mit den entsprechenden Playern anfangen konnte und sich mit dem Crypto Valley gut positioniert hat. Nach wie vor zieht es noch viele Unternehmen dort hin. Die Regulierung im Schweizer Finanzbereich unterscheidet sich praktisch allerdings nicht wirklich von der hiesigen. Obendrein richtet sich das anwendbare Aufsichtsrecht meist nicht nach dem Sitz eines Unternehmens, sondern nach dem Sitz der Kunden. Zweifelsfrei ist die Schweiz aber steuerlich attraktiver wegen der Möglichkeit, die Gewinne durch den Verkauf von Kryptowährungen steuerfrei zu behalten.

BTC-ECHO: Kann man wirklich dezentrale Finanzanwendungen, Stichwort DeFi, überhaupt regulieren?

Markus Kaulartz: Meine Ansicht ist, dass Projekte, die wirklich dezentral sind, ein Stück weit aus der Haftung und Regulierung herausfallen. Der Punkt ist nur, dass die allermeisten Projekte, die wir sehen, letztlich überhaupt nicht dezentral sind. Die Kontrolle über die Smart Contracts oder die Mehrzahl der Governance Token liegt häufig bei einzelnen Personen. Wenn das der Fall ist, ist das betreffende Projekt sicher nicht dezentral. Am Ende ist dann die Person verantwortlich, die im Besitz der Keys ist – das ist auch schon umfassend reguliert.

Platt gesagt, wenn ich die Mehrzahl der Governance Token bei einem pseudo-dezentralen Projekt halte, kann es sehr gut sein, dass der Regulator mich anschaut, wenn es darum geht, dass das Projekt eine entsprechende Lizenz braucht. Dann bin ich eben auch sehr schnell in der Haftung. Ich persönlich denke daher, dass viele Projekte, die aktuell am Markt sind, in einigen Jahren massiv Ärger bekommen werden.

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