Selbst-Tokenisierung Wie Jonas Lund NFT-Kunst im Decentraland radikalisiert

Jonas Lund ist ein Grenzgänger und radikaler NFT-Künstler. Wo andere es bei Bildern belassen, geht Lund einen Schritt weiter und tokenisiert sich selbst. Investoren profitieren dabei nicht nur vom steigenden Marktwert des Künstlers, sie bestimmen sein kreatives Schaffen auch maßgeblich mit. Kuratiert von der Berliner KÖNIG GALERIE ist jetzt die interaktive Ausstellung ON THIS DAY im Decentraland angelaufen, in der die Grenzen zwischen Kunst und Krypto konsequent aufgeweicht werden.

Moritz Draht
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Wer sich am digitalen Kunstmarkt herumtreibt, kommt kaum noch an ihnen vorbei. Non-fungible Token (NFT) wirbeln die Auktionshäuser auf und deuten dabei immer mehr ihre vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten an. Was als Spielerei für Krypto-affine Künstler und Kunst-interessierte Blockchain-Enthusiasten begann, hat sich inzwischen zu einem attraktiven und überaus umsatzstarken Nischenmarkt entwickelt. Wohl kaum jemand testet die Grenzen des Machbaren aber so radikal aus wie der schwedische Künstler Jonas Lund.

Vor gut drei Jahren gab Lund den Startschuss für das Experiment Selbst-Tokenisierung. Dabei entstanden ist der Jonas Lund Token (JLT), der seitdem eine zentrale Funktion in seinem künstlerischen Schaffen einnimmt. Mäzene und Investoren profitieren über den JLT nicht nur vom steigenden Marktwert des Künstlers. Sie sind auch Anteilseigner an der Kunstfigur Lund selbst und stimmen auf der JLT-Website über Vorschläge und Projekte ab, um so den Werdegang des Künstlers aktiv mitzugestalten.

Das Ein-Personen-Gesamtkunstwerk hält der Ökonomisierung von Kunst somit den Spiegel vor, ohne sich jedoch mit erhobenem Zeigefinger in müder Kapitalismuskritik zu ergehen. Wie das aussieht, lässt sich aktuell in der Ethereum-basierten VR-Welt Decentraland bestaunen. Dort ist die von der Berliner KÖNIG GALERIE kuratierte Ausstellung ON THIS DAY angelaufen, die noch bis zum 27. August zum direkten Austausch mit dem Künstler einlädt.

Der NFT-Elefant im Raum

Allgegenwärtig ist auch hier die für Lund untrennbare Verknüpfung von Exponaten und Token-Ökonomie. Denn die Galerie ist auch zugleich eine Art Vorstandssitzung, oder umgekehrt? So genau weiß man das im Lund-Kosmos nie. An den Wänden hängen einige Fotografien in der JLT-typischen Puzzle-Optik, die von einem Algorithmus aus dem persönlichen Fundus des Künstlers ausgewählt wurden. In der Mitte steht ein raumfüllender Tisch, an dem 50 Stühle für ausgewählte JLT-Investoren freigehalten sind.

Dazwischen tummeln sich einige Tiere wie Elefant, Zebra oder Pinguin, die jedoch nicht nur Dekozwecke erfüllen. Sie sind NFT, mit deren Erwerb die Käufer je 250 Jonas Lund Token und dadurch auch im Anschluss Anteile aus den Gewinnen weiterer NFT-Verkäufe erhalten. Sie berechtigen die Investoren auch zur Teilnahme an den Vorstandssitzungen und gewähren exklusiven Zugang zum VIP-Bereich auf dem Dach von St. Agnes in Decentraland, das eine Nachbildung der KÖNIG GALERIE ist. 

Selbst-Tokenisierung: Zwischen Performance und Marketing

Die Ausstellung ist “das Endergebnis einer fast jahrzehntelangen Forschungsarbeit darüber, wie Werte in der – und um die Kunstwelt herum – produziert, vermittelt und verbreitet werden”, erklärt uns Lund im Gespräch. Schon seit 2011 interessiert er sich für Kryptowährungen und dezentrale Technologien, hat den günstigen Einstieg in Bitcoin aber damals verpasst. Warum, wisse er eigentlich selber nicht so genau. Erst mit dem Ethereum-Einschlag 2015 und dem ICO-Boom zwei Jahre später sei Lund vom Krypto-Fieber gepackt worden.

Dabei sind Kryptos für ihn nicht nur Mittel zum Zweck. Die Selbst-Tokenisierung bietet Lund zwar eine Einnahmequelle, ist aber auch zugleich Performance-Kunst, die die Werk-Wertschöpfung im Kunstbetrieb zum Thema macht. Die Tokenisierung gibt dem Künstler schließlich die Möglichkeit, sich in diesen Prozess einzubringen: “Um den Mechanismus der Wertproduktion in der Kunstwelt zu kontrollieren, muss man die Kunstwelt oder einen kleinen Teil davon kontrollieren”. In gewisser Weise sichere “JLT also die Wertproduktion ab, denn der Vorstand besteht aus Kuratoren, Sammlern, Galeristen, Händlern, Schriftstellern und Kritikern, und wenn sie eine bestimmte Entscheidung für richtig halten, dann muss sie das auch sein, denn sie repräsentieren ja die Kunstwelt, und wenn sie sagen, dass sie gut ist, dann ist sie aufgrund ihrer Rolle in der Kunstwelt auch als solche anerkannt”, so Lund. Er kennt die Regeln des Spiels und nimmt die Würfel gern selbst in die Hand.

Wieviel Lund steckt in Lund?

Von den Entscheidungen der JLT-Investoren fühlt sich Lund zudem keineswegs eingeengt oder fremdbestimmt. Der Beirat habe zwar “ein paar Mal Entscheidungen in eine Richtung gedrängt, die ich nicht eingeschlagen hätte”. Doch genau darin besteht ja der Reiz. Dass Lund die Kontrolle über sein Schaffen und damit vielleicht auch über seine eigene Handschrift verliert, sieht er jedenfalls nicht so. In den Werken stecke “100 Prozent Lund”. Mehr noch: “Man kann sogar sagen, dass es umso mehr “Lund” wird, je größer der JLT-Vorstand wird, da die Entscheidungen von einem Gremium von Fachleuten überprüft wurden”.

Das verlangt jedoch einiges an organisatorischem Talent: “Es gibt sicherlich Vor- und Nachteile, und ich glaube nicht, dass dieses Modell für jeden geeignet ist. Es bedeutet im Grunde die doppelte oder dreifache Arbeit, da für jeden Vorschlag eine Reihe von Optionen erforderlich ist”. Einer feindlichen “Übernahme” von JLT-Großinvestoren steht Lund übrigens gelassen gegenüber. Und selbst wenn: “Ich würde mich über eine Übernahme sehr freuen, denn dann könnte ich einen Schritt zurücktreten, aber die JLT würden weiterlaufen”.

ON THIS DAY zeigt mal wieder, welche Potenziale in NFT schlummern. Künstler wie Lund loten die Möglichkeiten immer weiter aus und weichen dabei die Grenzen zwischen Physischem und Digitalem, und letztlich zwischen Kunst und Krypto allmählich auf. Dass der Hype abflacht und NFT von der Bildfläche verschwinden, hält Lund für sehr unwahrscheinlich: “Ich denke, die NFTs werden so schnell angenommen wie keine andere neue Sache in der Kunstwelt. Man bedenke, dass die Kunstwelt Jahrzehnte gebraucht hat, um die Videokunst als echtes künstlerisches Medium anzuerkennen”. So ist er sich sicher, “dass jede Galerie ihre eigene NFT-Plattform einführen wird und NFT Teil eines viel größeren Ökosystems werden”.

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