EZB-Strategiewechsel Bitcoin oder Euro: Kann Geldpolitik objektiv sein?

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Strategie geändert und ihr Inflationsziel angepasst. Wie viel Wissenschaft in unserem Geld wirklich steckt und ob es möglich ist zu bestimmen, welche Währung – Bitcoin oder Euro – die bessere ist.

Sven Wagenknecht
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Geld bzw. Euroscheine liegen unter einem Mikroskop

Beitragsbild: Shutterstock

Vergangenen Donnerstag hat die Europäische Zentralbank ihr Inflationsziel von “nahe, aber unter zwei Prozent” über Bord geworfen. Nach fast 20 Jahren heißt es nun, dass zwei Prozent keine Obergrenze mehr für das Geld der Eurozone sind. In ihrer Bekanntgabe räumt die Notenbank ein, dass auch ein Überschießen über den vermeintlichen Grenzwert mehr denn je toleriert wird. Angesichts von Inflationsraten in den USA von über fünf Prozent und ähnlichen Entwicklungen in der Eurozone – die Inflationsrate in Deutschland lag im Juni bei 2,3 Prozent – eine fast schon überfällige Anpassung der Notenbankstatuen.

Am Ende geht es nicht um Inflation

Dass nun unter Verbrauchern und Unternehmen die Inflationsangst zunimmt, ist nicht verwunderlich. Trotz der ultralockeren Geldpolitik muss es dennoch nicht zu einer realwirtschaftlichen Inflation kommen, die über die Corona-Nachholeffekte hinaus geht. Die Vergangenheit hat gelehrt, dass nur die Ausweitung der Geldmenge allein noch nicht zu steigenden Preisen bei Waren und Dienstleistungen führen muss.

Doch selbst wenn die gegenwärtig anziehende Inflation nur eine temporäre Erscheinung ist, bedeutet das noch lange nicht, dass alles mit der Geldpolitik in Ordnung ist. Am Ende des Tages geht es um Vertrauen und nicht um eine Inflationsrate von unter oder knapp über zwei Prozent. Massive Inflationen, gar Hyperinflationen, sind schließlich immer auch das Resultat von verloren gegangenem Vertrauen in die Währung. Solange dieses in breiten Teilen der Bevölkerung vorhanden ist, können auch höhere Inflationsraten die Währung nicht erschüttern. Damit nun dieses Vertrauen gestärkt wird, sind Notenbanken Meister der strategischen Kommunikation.

Geld: Keine Wissenschaft, sondern Politik

Notenbankpolitik ist keine Wissenschaft, sondern eben Politik. Geld ist ein soziales Konstrukt und eben kein Naturgesetz. Dennoch mag bei dem ein oder anderen der Eindruck entstehen, dass man in den Frankfurter Türmen nach geradezu unverrückbaren Prinzipien und Analysen die Geldzügel in der Hand hält. Nach außen soll so der Eindruck entstehen, dass Notenbanken tatsächlich in der Lage wären, präzise die Geldwertstabilität zu steuern – siehe die Formulierung unter aber nahe zwei Prozent Inflation. Die Präzision der Formulierungen wie im oben aufgeführten Beispiel suggeriert kausale Gesetzmäßigkeiten und intersubjektive Klarheit in den Handlungen der Notenbanken.

Das gewünschte Ergebnis: Vertrauen in das Geldsystem zu schaffen. Durch die vermeintliche Objektivierung der Handlungen sollen Fehler als naturwissenschaftliche Ausnahmen und nicht menschliches Versagen etikettiert werden.

Genau dies ist allerdings Unsinn. Unser Geld- und Finanzsystem ist zutiefst chaotisch und nicht in dem Maße zu steuern, wie gerne vorgegeben wird. Im Gegensatz zur Physik oder Chemie basieren die Berechnungen und Modelle auf ideologisch motivierten Annahmen. Ob man eine Inflation unter zwei Prozent anstrebt oder eben nicht, hat in erster Linie etwas mit der eigenen Überzeugung, denn den vermeintlich intersubjektiven Erkenntnissen zu tun. Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist an dieser Stelle der politische Druck, der auch auf den formal unabhängigen westlichen Notenbanken lastet.

Wenn politische Reformen der Staaten ausbleiben und diese in finanzielle Schieflage geraten, dann ist die Notenbank die letzte Rettung. Zumal sie nicht nur Staaten mit Liquidität aushelfen, sondern gleichzeitig gegenüber dem Finanzmarkt maximale Souveränität und Entschlossenheit demonstrieren müssen. Folglich haben die Notenbankentscheidungen weniger mit objektiver Wissenschaft, als mit Marktpsychologie, Politik und Ideologie zu tun.

Geld = Ideologie

Die Herleitung mag trivial anmuten, doch ist sie entscheidend, um die Argumente für oder gegen Bitcoin einzuordnen. Wenn Notenbanken Bitcoin kritisieren, wie oft genug in den letzten Tagen geschehen, dann ist das eben Ideologie und nicht fundierte Wissenschaft. Gleichermaßen ist es aber auch Ideologie, wenn ein Bitcoin-Enthusiast beansprucht, dass Bitcoin das beste Geld der Welt ist.

Die maßlose Selbstüberschätzung der Menschen, die vermeintlich wissen, was die beste politische Ausrichtung ist, spiegelt sich auch auf die Frage nach unserem Geldsystem wider. Nur gibt es keine intersubjektiv beste Währung, genauso wenig wie es die intersubjektiv beste politische Ausrichtung gibt. Es haben also weder Christine Lagarde noch der libertäre Bitcoin-Enthusiast recht, wenn sie behaupten zu wissen, wie das objektiv beste Geld ausgestaltet sein muss. Dogmatische Fiatgeld- sowie Bitcoin-Kritiker lassen gleichermaßen eine ausreichende Toleranz vermissen.

Kann es ein Recht auf Bitcoin (BTC) geben?

Daraus lässt sich freilich die Maxime formulieren, dass man, wie eben auch in der Politik und Gesellschaft, für Chancengleichheit und Diversität bei Geld einstehen sollte. Unter der Prämisse, dass der Euro, US-Dollar etc. lediglich Ausdruck einer politischen Präferenz sowie von vorherrschenden Machtstrukturen sind, sind Kryptowährungen nichts weiter als eine politische Minderheit oder kleine Splitterpartei in einem als Einparteienstaat organisierten politischen System. Ein Krypto-Verbot wäre demnach eine höchst undemokratische Angelegenheit, solange nicht das zugrundeliegende Blockchain-Protokoll gegen das Grundgesetz verstößt. Schließlich wird in einer Demokratie auch keine Partei verboten, die sich an das Grundgesetz hält.

Niemand muss Bitcoin gut finden, sehr wohl aber tolerieren, sofern er oder sie für eine liberale Grundhaltung eintreten. Entsprechend wäre es zu begrüßen, wenn die Strategieänderungen der Notenbanken sowie ihre Bitcoin-Kritik als politische und nicht als hochwissenschaftliche Entscheidungen dargestellt werden. Kurzum: Es geht um nichts Geringeres als eine Entzauberung der Notenbanken.

Modern Monetary Theory (MMT) braucht eine Rückversicherung

Bitcoin wird nicht all die finanzpolitischen Probleme lösen können. Sehr wohl aber bietet Bitcoin ein Gegengewicht zum dominierenden Standard. Eine Art Opposition, die im demokratischen Diskurs, einen wichtigen Beitrag leisten kann. Der minimalistische Ansatz, die apolitische Natur und vor allem die Knappheit von Bitcoin können so zusätzlichen Wettbewerb anstoßen, der langfristig zu einer erhöhten volkswirtschaftlichen Wohlfahrt führt. Insbesondere durch das aktuelle Herumexperimentieren mit der Modern Monetary Theory (MMT) seitens der Notenbanken, ist es wünschenswert, wenn Bitcoin ein monetäres Fangnetz bietet.

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