Blockchain und Vertrauen Bitcoin, Schweine, Diamanten

Bitcoin, Schweine, Diamanten: Wo die Blockchain-Technologie Potential zeigt. Und wo sie sich noch verbessern muss.

Phillip Horch
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ein goldenes schwein hinter einer corona-atemschutzmaske

Beitragsbild: Shutterstock

Bitcoin war, der eine oder die andere mag sich erinnern, angetreten, um Umschwung ins traditionelle Finanzwesen zu bringen. Der erste Block in der Bitcoin Blockchain war bereits mit einem Hinweis auf seine ideologische Ausrichtung versehen.

Darin befand sich die Überschrift eines Artikels der Londoner The Times. Sie titelete: Chancellor on Brink of Second Bailout for Banks. Im Artikel behandelte die Zeitung die Auswirkungen der brodelnden Finanzkrise. Alistair Darling, damaliger Schatzkanzler der Brown-Regierung, war kurz davor, Milliarden an englischen Pfund in die Wirtschaft zu pumpen. Die Selbstverständlichkeit, mit der Regierungen und Banken in Krisenzeiten Geld drucken können, ist vielen Krypto-Anhängern ein Graus. Bitcoin, als Gegenentwurf dazu, ist in seiner Geldmenge begrenzt: Es soll, so ist es im Protokoll festgeschrieben, maximal 21 Millionen BTC geben.

Bitcoin ist Blockchain

Die Technologie, die darunter liegt, die Bitcoin genau genommen ist, nennt sich Blockchain. Eine Kette von Datenblöcken, in der, einmal festgeschrieben, Daten nicht mehr so leicht wegkommen. Das macht sie einerseits transparent; jeder, der möchte, kann öffentlich nachsehen, zu welcher Uhrzeit welche Transaktion in welcher Höhe die Adresse gewechselt hat. Die Adressen sind dabei alphanumerisch – eine Kette aus Zahlen und Buchstaben, die, zumindest auf den ersten Blick, nichts über deren Besitzer verrät.

Das hat in der Vergangenheit Kriminelle immer wieder zu dem Irrglauben verleitet, die Kryptowährung beziehungsweise das Protokoll als anonym zu betrachten. Das dem nicht so ist, bekamen viele von ihnen jedoch im Nachhinein zu spüren. Mit etwas technologischem Grundwissen lassen sich Transaktionen sowie die Adressen auch einzelnen Personen oder Entitäten zuordnen. Das führte etwa dazu, dass es internationalen Behörden im vergangenen Jahr gelungen ist, den bis dato (nach Datenvolumen) größten Ring für Kinderpornographie zu sprengen. Gerade diese Transparenz ist es letzten Endes auch, den die Technologie für Prozesse, die dringend eine nachvollziehbare Überwachung benötigen, so nützlich zu machen scheint.

Diamantenhandel auf der Kette

Diamanten, deren Abbau und Verteilung gehören unbestreitbar zu solchen Prozessen. Die Edelsteine, die die Körper der Schönen und Reichen schmücken, werden allzuoft unter menschenverachtenden Bedingungen produziert. Die so genannten Blutdiamanten werden zum größten Teil von Kindern abgebaut und dienen nicht selten dazu, gewalttätige militante Gruppen in Krisengebieten zu finanzieren. Was kann die Blockchain-Technologie da ausrichten?

Sie ermöglicht die nahtlose Rückverfolgung von Lieferketten. Versehen mit einem einzigartigen Nachweis, kann der gesamte Lieferzyklus der Diamanten – von der Schürfung bis an die Ladentheke – nachgewiesen werden. Über den Einsatz von Smart Contracts lassen sich zusätzlich Echheitsnachweise einflechten. Die „schlauen Verträge“ lassen sich solcher Art programmieren, dass sie bei bestimmten Eingaben auf vorgeschriebene Weise reagieren.

Entsprechende Anwendungen gibt es bereits. So setzt etwa der niederländische Diamanten-Händler DeBeers seit 2018 auf die Blockchain-Technologie, um den Diamantenhandel transparenter zu gestalten. Dabei nutzt DeBeers eine Blockchain-Lösung von Tracr, die für jeden geschürften Diamant eine digitale Abbildung „auf die Kette“ packt. Ein 3-D-Scanner versieht das digitale Asset dann mit Daten zu Schliff, Reinheit und Farbe und speichert diese in den Metadaten des digitalen Assets. Das zusätzliche Zertifikat können Konsumenten dann laut Tracr über eine separate Datenbank auf seine Echtheit hin prüfen. So ermöglicht die Technologie, die durch Bitcoin zu Ruhm gekommen ist, Echtheitsnachweise und die transparente Nachverfolgung von Lieferketten.

Hätte die Blockchain die Tönnies-Schweinerei verhindern können?

Andere Baustelle, selbes Problem: Vertrauen.

Der Tönnies-Skandal hat eine längst überfällige Debatte über die Fleischindustrie entfacht. Billiges Discounterfleisch, so sollte es sich in aller Deutlichkeit herausschälen, hat seinen Preis. Den zahlen sowohl die Tiere als auch die Billigarbeitskräfte. Mithilfe der Blockchain könnte man hier den ein oder andere Prozess optimieren. 

Zunächst wäre da die Lieferketten-Transparenz. Ähnlich wie bei den Diamanten könnte man jedes produzierte Stück Fleisch etwa mit einem Code versehen, der mit einem digitalen Asset auf der Kette verbunden ist. Konsumenten, Supermärkte, im Prinzip alle an der Lieferkette Beteiligten, könnten nachverfolgen, unter welchen Bedingungen das zugehörige Tier gelebt hat, wo, wann und wie es geschlachtet wurde und welchen Weg es danach zurückgelegt hat.

Auch in der Rückverfolgung von Arbeitsbedingungen der Tönnies-Arbeiter, sei es die Arbeitszeit oder die Einhaltung der Mindestabstände, könnte eine App in Verbindung mit festgeschriebenen Blockchain-Daten dabei helfen, sicherzustellen, dass alles den vorgegebenen Regeln folgt. Vor allem in der Rückschau wären hier Überprüfungen möglich, die bei der Aufklärung helfen würden. 

Hätte der Blockchain-Einsatz die Tönnies-Schweinerei jedoch verhindern können? Mitnichten. An den katastrophalen Arbeitsbedingungen, den Tarifverträgen und der Massentierhaltung kann eine Technologie nichts ändern.

The missing Link

Klingt zunächst alles schön und gut. Die Sache hat jedoch einen nicht gerade kleinen Haken. Denn so „trustless“, wie sie klingt, ist die Angelegenheit dann doch nicht. Letzten Endes kann niemand garantieren, dass das digitale Asset auch tatsächlich zum physischen Gegenstand gehört. Bei Bitcoin ist das kein Problem: Alles findet digital statt, einen Echtheitsnachweis für etwaige physische BTC braucht es nicht, weil es sie nicht gibt.

Sobald aber die Anbindung an die Realwelt kommt, entsteht wieder ein Vertrauensproblem, das die Blockchain eigentlich abschaffen will. Selbst wenn man die technischen Hürden auf sich nehmen würde, und die Fleischindustrie mit einer Blockchain ausstatten würde: Wer würde für die Echtheit der Daten garantieren, die auf die Kette gebracht werden? 

Auch stellt sich eine ganz grundsätzliche Frage: Braucht es überhaupt eine Blockchain? In welchen Anwendungsbereichen ist sie sinnvoll, wo ist sie obsolet? Gerade der Boom der Initial Coin Offerings im Jahr 2017 führte die Dringlichkeit dieser Frage vor Augen. Wie Unkraut schossen von allen Seiten plötzlich neue Projekte aus dem Boden, die das Buzzword nutzten, um möglichst schnell möglichst viel Kapital einzusammeln. Bestand hatten die wenigsten, die Anzahl tatsächlich funktionierender Projekte, ist, vor allem in Relation zum gesammelten Kapital, dann doch überschaubar. 

Gerade hier ist es nun an der Entwickler-Community, entsprechende Lösungen zu schaffen. Einen tatsächlichen Übergang zwischen Realwelt und technologischem Fortschritt zu entwickeln, der das Grundversprechen der Blockchain einlösen kann, ist der nächste logische Schritt, den das Ökosystem in seiner Entwicklungsstufe gehen muss. Denn: Der Prozess ist längst angestoßen. Nun gilt es, das Potential nicht verpuffen zu lassen.

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