Krypto in Gefahr Wallstreetbets: Hat dezentrale Investmentpower eine Zukunft?

Die Reddit-Gruppe Wallstreetbets hat zumindest vorerst ihren Zenit überschritten. Die Kurse von Gamestop, Blackberry und Co. befinden sich auf dem Weg der Normalisierung, ergo stark gen Süden. Was dezentrale Investmentpower bewirken kann und warum mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Krypto-Ökonomie zu rechnen ist.

Sven Wagenknecht
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Ausschnitt von Wallstreetbets Logo

Beitragsbild: Shutterstock

Die dezentrale Kraft des Marktes hat sich mithilfe der Reddit-Gruppierung Wallstreetbets entladen. Kleinanleger haben gegenüber vermeintlich übermächtigen institutionellen Investoren zumindest kurzzeitig die Oberhand gewonnen. Das Selbstverständnis der Wall-Street-Elite wurde durch die Social-Media-Dynamiken geschwächt. Hedgefonds wie Melvin Capital sind in die Knie gegangen.

Wallstreetbets: Wenn aus Ramsch Gold wird

Die wahre Macht hinter der Wallstreetbets-Bewegung zeigt sich darin, dass sich die Kursexplosion der Basiswerte jedem fundamentalen Bewertungsprinzip entzieht. Es handelt sich um eine Machtdemonstration des Kollektivs, das im Zweifel auch Ramsch zu Gold hochjubeln kann.

Par excellence zeigt sich dies in der eher sinnfreien Kryptowährung Dogecoin. Nicht der Coin eines vielversprechenden Smart-Contract-Protokolls wurde zur Zielscheibe der Reddit-Investoren, sondern die Kryptowährung, die sich selbst als Persiflage von Bitcoin und der gesamten Krypto-Ökonomie betrachtet. Ein perspektivloser Coin – dessen einziges Wertversprechen in seiner eigenen Ironie begraben liegt – wurde zum Liebling der Massen. Selbst Elon Musk hat ihm seine Solidarität ausgesprochen und mit ihm die Massen der Internetgemeinde.

Narrative Economics – Auf die Geschichte kommt es an

Es ist eine Erzählung wie aus dem Geschichtsbuch, bei der sich das Volk gegenüber der herrschenden Klasse erhebt – Klassenkampf. Es ist ein Narrativ, das die Sehnsucht einer vom Lockdown gelangweilten Gruppe überwiegend junger Menschen miteinander auf der ganzen Welt verbindet. Robinhood und Traderepublik haben sich der Inklusion – zumindest vorgegebener Maßen – des Wertpapiersektors verschrieben: Zocken für die Massen.

Diese vermeintliche Demokratisierung unseres Finanzsystems korrespondiert mit dem Krypto-Narrativ einer Re-Dezentralisierung. Daher passt es mehr als gut, dass sich neben Reddit-Foren viele Telegramm-Gruppen gebildet haben, die nun mit gestärktem Gruppengeist von Aktie zu Aktie oder Kryptowährung zu Kryptowährung ziehen. Das Phänomen dahinter ist alles andere als neu. Pump and Dump Scemes sind so alt wie das Treiben an den Börsen selbst.

Robinhood spielt DeFi in die Hände

Auf der anderen Seite zeigt sich bei Robinhood und Co., dass sie dem Anspruch einer dezentralen Finanz-Ökonomie nicht gerecht werden. Im Gegensatz zum dezentralen Finanzsektor (DeFi) verspielen sie das Vertrauen ihrer Kunden, indem sie im Interesse der Hedgefonds den Handel von Aktien wie Gamestop, Blackberry oder AMC einstellen. Das “Ziehen des Steckers” dürfte ein Argument mehr für dezentrale Börsen und digitale Assets sein, deren Handel 24/7 möglich ist und nicht einfach von einem einzelnen Akteur unterbunden werden kann.

Dennoch muss man so ehrlich sein und eingestehenden, dass der Handel von Kryptowährungen, zumindest so, wie er gegenwärtig überwiegend stattfindet, praktisch gleichermaßen “an und ausgeknipst” werden kann. Entscheidend ist nicht das Asset, sondern die Frage, wer der Verwahrer ist und wer die Handelsinfrastruktur stellt. Eine Krypto-Börse oder ein Krypto-Broker könnte genauso wie Robinhood den Handel von der einen auf die andere Sekunde einstellen. Dass es sich dabei um Kryptowährungen anstatt um Aktien handelt, spielt in diesem Kontext keine Rolle. Lediglich die Ausweichmöglichkeiten durch dezentrale Alternativen sind andere.

Reizarmut und Corona-Spielgeld

Die Motivation, bei dieser Bewegung mitzumachen, ist vielfältig: Kritik gegen Banken und das Finanzsystem, Solidarität mit angeschlagenen Vermögenswerten (Gamestop und Dogecoin), Internet-Gemeinschaftsgefühl und vor allem: Gier.

Diese und weitere Motive haben sich in einem sowieso schon aufgeheizten Marktumfeld entladen. Walllstreetbets ist nur die Spitze des Eisberges eines entkoppelten Marktes, der sich schon lange vom realwirtschaftlichen Bezug verabschiedet hat. Durch den Corona-Lockdown haben viele Menschen so viel “Spielgeld” wie noch nie in den Taschen. Der Konsumverzicht und die Reizarmut finden im großen Börsenspiel eine Zuflucht – Dopamin per Klick.

Doch auch die Sozialisierung von “Investmentpower” hilft am Ende nicht, um gegen das Kapital anzukommen. Mit DEM Kapital sind die tiefen Taschen und tendenziell überlegenen Analysefähigkeiten und Informationsvorsprünge der institutionellen Investoren gemeint. Was der fundamentale Wert einer Gamestop-Aktie ist, können die Hedgefonds oder Investmentbanken in aller Regel besser beurteilen als der Mittzwanziger, der mit seinem Urlaubsgeld auf Unternehmen setzt, deren Brands er cool findet.

“There ain’t no such thing as a free lunch”

Der Triumph der Reddit-Investoren ist ein zeitlich begrenzter. Sie sind wie “Flitzer” auf dem Rasen eines Bundesligaspiels. Für ein paar Sekunden kontrollieren sie den Ball, während die Profis verwirrt am Rand stehen. Doch genauso wie dem “Flitzer” muss auch ihnen klar sein, dass die Kontrolle über das Spielfeld wieder an die zurückgeht, die die Spielregeln bestimmen. Zwar nicht auf dem Fußballplatz, aber dafür in der Finanzwelt sind das die institutionellen Investoren und die Aufsichtsbehörden, die vor allem für ihre “eigene Ordnung” sorgen.

Was aber bleibt, ist die Verunsicherung der Masters of the Universe. Genau das ist der größte Erfolg von Wallstreetbets. Institutionelle Shortseller wie Melvin Capital sollten sich niemals zu sicher fühlen. Man hat sich überschätzt und wurde von dem “Trading-Proletariat” zurechtgewiesen. Es spielt dabei keine große Rolle, ob man Hedgefonds gut oder schlecht findet. Vielmehr zählt, dass man bewiesen hat, dass es keinen “Free Lunch” gibt. Große Gewinne erfordern ein hohes Risiko. Dies gilt nicht nur für Privatanleger, sondern auch für “Instis”.

Das Pendel schlägt zurück

Immer wieder kann in den nächsten Tagen und Wochen mit Scharmützeln der Reddit-Community gerechnet werden. Auch wenn derartige Absprachen kein krypto-spezifisches Phänomen sind, dürften einige Behörden-Vertreter die Gelegenheit nutzen, um Kryptowährungen in ein schlechtes Licht zu rücken. Zwar sind Kryptowährungen durch geringere Regulierung und oftmals geringe Marktkapitalisierung besonders attraktiv für Pump and Dump Scemes, dennoch kann dies grundsätzlich mit jeder Anlagekasse passieren, siehe Gamestop oder sogar Silber.

Inwiefern die regulatorischen Zügel strenger angezogen werden, hängt auch von der Deutungshoheit ab. Diese dürfte durch die Wallstreetbets-Bewegung wieder stärker auf den Regulator übergehen. Vom vermeintlichen Verbraucherschutzinteresse legitimiert wird sich der Regulator bestärkt fühlen, gegen das Chaos an den Märkten vorzugehen. Eine kluge Regulierung mit Weitsicht ist allerdings nicht zu erwarten. Vielmehr spielt die Volatilität den Aufsichtsbehörden in die Hände, ihren teils blinden Regulierungs-Aktionismus gegenüber der dezentralen Ökonomie fortzusetzen.

Im Gegensatz zu Lebensmitteln oder Medikamenten geht es dem Staat bei Vermögensanlagen eher weniger um den Verbraucherschutz. Vielmehr ist es im staatlichen Interesse, dass Riesterrenten- und Bausparverträge abgeschlossen werden, anstatt Sparpläne auf Bitcoin und Gold. Durch das Wallstreetbets-Phänomen wird dieser Konflikt auf ein neues Level gehoben. Der mündige, smarte und nicht vollkommen machtlose Kleinanleger, der sich selbst um die Verwahrung seiner Vermögenswerte kümmert, ist das Letzte, was Staaten und Behörden möchten.

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