Gefahr für US-Dollar? So beeinflussen Stablecoins den Devisenmarkt

Stablecoins etablieren sich zunehmend im Krypto-Markt und darüber hinaus. Gemessen am Handelsvolumen ist Bitcoin schon lange nicht mehr die Kryptowährung Nr. 1, sondern Tether USDT. Doch wie sehr beeinflussen Stablecoins inzwischen auch den Devisenmarkt und können eine Gefahr für die Geldpolitik der Notenbanken darstellen? Der Freitagskommentar.

Sven Wagenknecht
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Beitragsbild: Shutterstock

Da Stablecoins in den meisten Fällen lediglich eine Fiatwährung oder einen Rohstoff eins zu eins abbilden oder dies zumindest versuchen, dienen sie nicht selbst als Spekulationsobjekt, sondern sind nur Mittel zum Zweck. Sie bringen Stabilität in den sonst so volatilen Krypto-Finanzmarkt. Für dezentrale Finanzanwendungen aller Art sind sie unerlässlich, um Anwendungen außerhalb der Spekulation zu ermöglichen. Umgekehrt stellt sich dabei die Frage, welchen Einfluss Stablecoins auf ihren Basiswert nehmen können.

Wer einen klassisch gedeckten Stablecoin wie Tether (USDT) erwirbt, der erzeugt gleichzeitig auch eine Nachfrage nach US-Dollar. Schließlich soll, so zumindest das Versprechen, jeder USDT durch ein US-Dollar-Äquivalent gedeckt sein. Neben Bankeinlagen können dies auch Staatsanleihen sein. Die Nachfrage nach einem Stablecoin hat bei physischer Hinterlegung entsprechend auch einen Rückkopplungseffekt auf den jeweiligen Basiswert.

US-Dollar für die Welt

Bislang ist der US-Dollar die unangefochtene Leitwährung. Auch der Euro als Nr. 2 der Weltreservewährungen hat keine Chance gegen den sogenannten Greenback. Im Krypto-Markt ist dieser Vorsprung sogar noch deutlich größer. Die größten Stablecoins gemäß Marktkapitalisierung und Handelsvolumen bauen allesamt auf den US-Dollar auf: Von den zehn größten Stablecoins gemäß Marktkapitalisierung sind neun US-Dollar-Stablecoins. Untersucht man das Handelsvolumen, dann sind es immer noch acht von zehn.

Wenn es also einen Stablecoin gibt, der auf seine Basis-Fiatwährung Einfluss nehmen kann, dann sind es die US-Dollar-Stablecoins. Allerdings ist der US-Dollar auch die größte Währung der Welt. Entsprechend hoch muss in Relation auch die Marktkapitalisierung und der Handelsumsatz des Stablecoins sein, um tatsächlich Einfluss nehmen zu können.

Der Marktvergleich: USDT und Co. gegen das Original

Der tägliche Handelsumsatz des gesamten Devisenmarktes (aller Fiatwährungen) liegt bei rund 6,5 Billionen US-Dollar. Bei rund 40 Prozent aller Devisentransaktionen ist der US-Dollar als Währungsparter beteiligt. Den größten Anteil davon nimmt das Währungspaar Euro / US-Dollar ein. Deren Devisenumsatz beläuft sich auf knapp 30 Prozent des Gesamtmarktes, also rund zwei Billionen US-Dollar täglich.

Dem gegenüber stehen die USD-Stablecoins mit rund 200 Milliarden US-Dollar Tagesumsatz, sofern man sich an den Handelsvolumina der vorherigen Tage orientiert. Natürlich kann das Volumen je nach Marktphase stark schwanken. 100 Milliarden USD ist genauso realistisch wie 300 Milliarden USD Tagesumsatz in USD-Stablecoins. Über 90 Prozent davon gehen auf den USDT Stablecoin von Tether zurück.

Vergleicht man das USD-Stablecoin-Volumen mit dem des Basiswertes, kommt man auf immerhin 7,7 Prozent des gesamten US-Dollar-Handelsumsatzes an einem Tag (200 Milliarden USD geteilt durch 2,6 Billionen USD, die sich aus den 40 Prozent von 6,5 Billionen USD ergeben).

Nachfrage nur spekulativ und nicht realwirtschaftlich

Natürlich handelt es sich hierbei nur um sehr ungefähre Zahlen, dennoch bekommt man einen guten Eindruck von der Marktgröße, die alles andere als gering ist. Auch muss man hier anmerken, dass die Nachfrage primär spekulativ und nicht realwirtschaftlich getrieben ist. Schließlich werden die USDT in erster Linie für investmentbezogene Aktionen wie Trading, Staking oder Token Sales verwendet und nicht, um damit ein Auto zu erwerben.

Sollten sich Stablecoins durch eine generelle Etablierung oder beispielsweise zukünftig Facebooks Diem auch für nicht-investmentbezogene Transaktionen weiter durchsetzen, dann könnte dies der Nachfrage einen massiven Schub versetzen. Der Einfluss von Stablecoins auf den Devisenmarkt würde damit deutlich zunehmen.

Das zweischneidige Schwert der Fiat-Nachfrage

Die zusätzliche Auslandsnachfrage nach einer Währung hat nicht nur positive Effekte. Es gibt auch Gründe, die aus Staatensicht gegen Stablecoins sprechen. Nicht umsonst hat China Stablecoins auf den Renminbi untersagt, was nicht heißt, dass es keine Renminbi Stablecoins gibt, siehe bitCNY. So besteht die Gefahr, dass eine hohe Nachfrage auch zu einer unerwünschten Aufwertung der eigenen Währung führt. Als Exportnation Nr. 1 muss China alles daransetzen, dass ihre Ausfuhren günstig bleiben.

Doch auch alle anderen Währungen (beziehungsweise deren Notenbanken) sind stets bemüht, den Aufwertungsdruck so gering wie möglich zu halten. Sollte nun die ganze Welt US-Dollar-Stablecoins nachfragen, dann müsste die Fed im Zweifel mit weiteren expansiven Maßnahmen dagegen halten.

Kontrollverlust durch Stablecoins

Vor allem die mangelnde Möglichkeit, Kapitalverkehrskontrollen bei Stablecoins umzusetzen, ist den Staaten ein Dorn im Auge. Sollte es zu stärkeren ökonomischen Verwerfungen kommen, ganz gleich in welche Richtung, dann könnten enorme Summen von einer Währung in eine andere fließen und diese aufwerten. Umgekehrt wäre bei Währungsräumen mit größeren Währungsinstabilitäten, wie zum Beispiel die Türkei oder Russland, die Gefahr groß, dass Kapitalabflüsse in beispielsweise den USDT die eigene Währung weiter destabilisieren und die Auslandsschulden außer Kontrolle geraten.

Mehr Markteffizienz durch Stablecoins

Besonders spannend dürfte in den nächsten Jahren der Übergang zu staatlichen Stablecoins, ergo CBDCs, sein. Ob Stablecoins dann als Brückenmedium respektive Derivat abgelöst werden oder durch eine Ausdifferenzierung gegenüber der staatlichen Variante einen eigenen Markt weiter ausbauen, muss sich noch zeigen. Unter technischen und kommerziellen Gesichtspunkten dürfte es sicherlich einen Markt für private Stablecoins geben. Deren Umsetzungspotential hängt letztlich aber von der staatlichen Regulierung ab. Inwiefern sich ein Stablecoin-Sektor etabliert, dessen Volumen gar mit dem der “Original-Fiatwährung” gleichziehen kann, ist vor allem eine politische Frage. Für einen Notenbanker wäre es der absolute Supergau, wenn die Bevölkerung lieber zu Stablecoins, als zu den zukünftigen CBDCs greift.

Aus einer Markteffizienzsicht wäre dies durchaus zu begrüßen. Zwar bleibt die Geldmengensteuerung, ergo das Geldmonopol, nach wie vor bei den Zentralbanken, dennoch wird einer restriktiven Währungspolitik ein größerer Riegel vorgeschoben. Als Beispiel sind hier vor allem Wechselkursfestlegungen oder Kapitalverkehrskontrollen in manchen Ländern zu nennen, die die fundamental gerechtfertigten Wechselkurse verzerren. Schließlich wird die Wahlfreiheit der Konsumenten und Investoren erhöht, wenn sie sich entscheiden können, ob sie die digitale Zentralbankwährung (CBDC) in einen privaten digitalen Euro, US-Dollar etc. Stablecoin wechseln oder eben nicht. Einer zunehmenden Zentralisierung durch Ausweitung der Notenbankbefugnisse wird damit Paroli geboten – zugunsten dezentraler Markteffizienzen.

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