Am 22. Dezember 2020 erhielt Ripple Labs eine Anklageschrift der US-amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde SEC. Der Vorwurf lautete “unerlaubter Handel mit nicht registrierten Wertpapieren”. Seitdem liefern sich die Behörden eine Auseinandersetzung mit Ripple Labs, dem amerikanischen Technologieunternehmen hinter dem XRP Token. Nun sind zwei weitere Entscheidungen gefallen. Einerseits wird der “Fair Notice” Verteidung des Krypto-Unternehmens stattgegeben. Andererseits wurde der Antrag von Brad Garlinghouse, dem CEO von Ripple Labs, und Chris Larsen, dem ehemaligen CEO, die Anklage gegen sie als Personen fallen zu lassen, abgelehnt.
Ripples Aufstieg und Fall
Um zu verstehen, wie groß die Dimension der aktuellen Entscheidungen ist, muss man einen Blick in die Historie der Auseinandersetzung werfen. Als Ripple sich 2012 gründete und überlegte, inwiefern sie den sogenannten “NewCoin” auf dem amerikanischen Markt platzieren könnten, holten sie sich rechtlichen Beistand. Dieser sollte den Entwickler:innen in der Frage helfen, inwiefern die Ausgestaltung des Coins und des Geschäftsmodells von Ripple dazu führen könnte, dass es sich bei “NewCoin” um ein Wertpapier nach SEC-Definition handelt. Nach Hinweisen dieser juristischen Beratung über solche Bedenken, änderte Ripple das Geschäftsmodell ab – und XRP wurde geboren. Eine Kryptowährung, die in den Augen der Jurist:innen nur ein sehr geringes Risiko gehabt hätte, von der SEC als problematisch eingestuft zu werden.
Bis 2018, so berichten unterschiedliche Quellen, soll Ripple dann mehrmals Kontakt mit SEC-Mitarbeiter:innen gehabt haben. Zudem hätten einige der Beamt:innen selbst in XRP investiert, wie BTC-ECHO berichtete (eine nicht ganz unwichtige Randnotiz). Denn, wäre es damals bereits als Wertpapier eingestuft worden, hätten die Mitarbeiter:innen gar nicht investieren dürfen.
Schlussendlich folgte die Einstufung XRPs als Wertpapier unter Vorbehalt, im Januar 2018. Eine offizielle Anklageschrift der Wertpapieraufsichtsbehörde folgte im Dezember 2020. Der Vorwurf lautet: unerlaubter Wertpapierhandel über einen Zeitraum von acht Jahren.
Sollte dem stattgegeben werden, könnte das Ripple Milliarden kosten. Verständlich, dass sich das Unternehmen auf unterschiedliche Arten dagegen wehrt, siehe etwa im BTC-ECHO Jahresrückblick 2021:
Was ist die “Fair Notice”-Verteidigung?
Die aktuelle Verteidigung Ripples ist die grundsätzliche Frage, warum sie von der SEC in diesen acht Jahren (zwischen 2012 und 2020) keinen fairen Hinweis über die Bedenken der Institution erhielt. In der Argumentation Ripples hätten sie bei den jeweiligen Treffen jederzeit über die Bedenken hinsichtlich des Konsument:innen-Schutzes und der Finanzstabilität informiert werden können. Zudem, betont das Unternehmen, hätte es die Bereitschaft zur Anpassung an in Kraft stehenden Regularien bereits in der Vergangenheit bewiesen.
Dieser Verteidigungslinie, so der Antrag der SEC an die Justiz, sollte nicht nachgegangen werden dürfen. Doch Richterin Antalisa Torres lehnte den Versuch der SEC, diesen Vorgang zu unterbinden, ab. Die XRP-Community feiert diesen Teilsieg und die SEC muss nun begründen, weshalb sie Ripple Labs nicht bereits früher über die Bedenken informierte. Das ist für viele der (vorläufige) Sieg in diesem Prozess. Garlinghouse schrieb auf Twitter:
Sind Kryptowährungen Wertpapiere?
Der Grund, warum diese Auseinandersetzung eine so wichtige Rolle für den Krypto-Space spielt, ist der folgende: Wenn Ripple den Prozess gewinnt – und davon geht nun ein Großteil der Community aus – wird diese Entscheidung zu einer entscheidenden Richtung für jedes Kryptounternehmen, das die SEC ab jetzt für Taten aus der Vergangenheit verklagt. Dabei steht zusätzlich die Frage im Raum, ob Kryptowährungen überhaupt als Wertpapiere klassifiziert werden können. Denn nur, wenn sie das sind, ist die SEC überhaupt für ihren legalen Status zuständig.
Richterin Torres legte in ihren aktuellen Entscheidungen die Kriterien aus dem Howey Test an. Demnach beinhaltet ein Wertpapier einen sogenannten Beteiligungsvertrag. Dieser sei vom U.S. Supreme Court definiert als eine
Investition in Form von Geld in ein bekanntes Unternehmen, mit der glaubwürdigen Erwartung von zukünftig abzuleitenden Profiten aus den unternehmerischen oder betriebswirtschaftliche Anstrengungen anderer.
Global Legal Insights
Daraus folgt, dass eine Wertpapiervergabe eine zentrale Instanz voraussetzt, die die Unternehmung verantwortet und den Preis durch ihre Handlungen mitbestimmt. Durch diese können die Investierenden erwarten, in Zukunft mehr Geld aus ihrer Investition zu erhalten.
Diese Eigenschaften überprüfte nun auch der Experten-Bericht der SEC für XRP und Ripple.
Wie stehen die Chancen für Ripple Labs?
Der Experten-Bericht kommt via Regressionsmodellen zu dem Ergebnis, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Bekanntgaben bei Ripple Labs und dem Kurs von XRP gibt. In der Krypto-Community ist man sich dagegen einig, dass der XRP Preis zu großen Teilen mit dem Bitcoin Preis korreliert und weit weniger von der Organisation im Hintergrund abhängt.
Zudem hat die SEC bereits in der Vergangenheit bestätigt, dass dezentrale Netzwerke wie Bitcoin oder Ethereum nicht durch den Howey Test klassifiziert werden können und somit keine Wertpapiere darstellen. Denn hier gäbe es kein Wertversprechen einer zentralen Organisation (Enterprise), in Zukunft Gewinne einzustreichen. Ripple sieht sich dabei in der gleichen Kategorie. Das Ziel der Unternehmung wäre nie das spekulative Investment-Trading gewesen, sondern die Vereinfachung des Online-Handels. Außerdem wäre auch die Organisationsstruktur dezentral und die Ripple Labs nicht mit den Investor:innen in direktem Kontakt gewesen. Stattdessen hätten diese die Token vorrangig über andere Handelsplätze erworben.
Ob diese Argumente ausreichen werden, dass Richterin Torres die Anklage der SEC zurückweist, wird sich vermutlich in den nächsten Wochen zeigen. Dennoch besteht auch weiterhin die Möglichkeit, das Verfahren über Einsprüche und Berufungen in die Länge zu ziehen.