IWF vs. e-Naira Droht Nigeria der Geldentzug?

Während auf dem europäischen Kontinent die Anspannungen wegen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine wachsen, fragt man sich auf dem afrikanischen, inwiefern die Finanzmarktstabilität aktuell gefährdet ist. Denn der IWF veröffentlichte seinen Bericht über Nigeria und dessen frisch eingeführte digitale Zentralbankwährung, die e-Naira. Dabei erkennt der IWF die Chancen, warnt aber auch vor möglichen Risiken.

Marlene Müller
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e-Naira: Fluch oder Segen?

Beitragsbild: Shutterstock

Am 25. Oktober 2021 startete die erste öffentlich zugängliche digitale Zentralbankwährung der Welt, und zwar nicht etwa in China oder Schweden, sondern in Nigeria. Das staatlich abgesicherte Zahlungsmittel e-Naira, welches in Zusammenarbeit mit dem Fintech Bitt Inc. erarbeitet wurde, gehört nun seit vier Monaten zur Geldmenge der nigerianischen Zentralbank (CBN). Um den Bedürfnissen der Bevölkerung nachzukommen, verwendet die CBN ein gestaffeltes Identifikationsmodell. Je mehr Informationen über die Identität der Nutzer:innen eingetragen sind, desto höher sind die verfügbaren Transaktionshöhen pro Tag. Insgesamt gibt es vier Level, für Unternehmen sind die Transaktionshöhen unbegrenzt.

In klassischer Manier untersuchte nun der Internationale Währungsfonds (IWF) die Implikationen und Auswirkungen der neuen Währung und kommt in ihrem aktuellen Länder-Bericht 22/33 zu interessanten Ergebnissen.

“Die e-Naira birgt Risiken für monetäre und operationelle Bereiche”

Der IWF warnt vor einer erschwerten Umsetzung der Geldpolitik, der Gefährdung sowohl von der Finanzierung der Banken als auch der Cybersicherheit. Darüber hinaus sieht der Weltwährungsfonds in der e-Naira eine Bedrohung für die operationelle Widerstandsfähigkeit und die finanzielle Integrität und Stabilität. Deswegen fordern sie von der nigerianischen Regierung eine regelmäßige Risikobewertung und die Ausarbeitung eines Notfallplans. Insbesondere fordert der IWF, die aktuellen Regularien zur Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung enger zu ziehen. Das würde das bereits erwähnte Identifikationsmodell vor erhebliche Schwierigkeiten stellen, denn bislang ist auf der untersten Stufe nur die Verifikation mit der Telefonnummer notwendig.

Dass die nigerianischen Verantwortlichkeiten diese Aussage jedoch ernst nehmen sollte, zeigen die Geschehnisse von Anfang Februar bereits. Damals froren die internationalen Strafverfolgungsbehörden in Kooperation mit Binance mehrere nigerianische Binance-Konten ein. Der Vorwurf lautete: Nicht-Einhaltung der internationalen Geldwäsche-Standards.

Chancen für die Bevölkerung

Gleichermaßen sieht der IWF in der e-Naira die Chance, finanzielle Inklusion zu fördern, einen höheren Remittances Inflow zu erreichen und die Informalität und Korruption innerhalb des Landes zu senken – ganz eindeutig fällt die Bewertung also nicht aus.

Ita Mary Mannathoko, Exekutivdirektorin des IWF für Afrika (Gruppe 1) und Patterson Chukwuemeka Ekeocha, ihr Berater, betonen die Vorteile der e-Naira in ihrem Abschlussstatement. Die digitale Zentralbankwährung würde ihrem Land in vielerlei Hinsicht helfen. So könne die e-Naira:

  • das nigerianische Zahlungssystem zu verbessern,
  • finanzielle Inklusion insbesondere für die Menschen ohne Bank-Zugang zu schaffen,
  • Steuern zu erheben und somit Einnahmen zu generieren,
  • gezielte soziale Maßnahmen zu unterstützen,
  • Überweisungsströme mit dem Ausland zu verbessern,
  • Korruption zu verhindern.

Dabei verweisen sie darauf, dass die angesprochenen Risiken des IWF durch das Digital Currency Management verringert werden würden. Denn die e-Naira setzt auf eine Distributed Ledger Technologie. Trotzdem wäre ein Verbot von illegalen Geldflüssen und der Verwendung von Geld für illegale Aktivitäten auf dieser Blockchain möglich. Das läge daran, dass für den Geldtransfer vorausgesetzt sei, dass die Transaktionspartner sich identifizieren müssen und die Einzelheiten der Transaktion festgehalten werden. Dennoch betonen Mannathoko und Ekeocha, die technische Unterstützung und Hinweise des IWF aufzunehmen.

e-Naira als transparentes Mittel gegen die Missstände

Nigeria ist mit 432.3 Milliarden US-Dollar BIP die größte Volkswirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent (zum Vergleich: Österreichs BIP beträgt 433.3 Milliarden US-Dollar). Trotzdem haben mehr als 42 Millionen auf dem Land lebende erwachsene Menschen keinen Zugang zu Bank-Dienstleistungen. In den ländlichen Regionen haben nur 40 Prozent ein formelles Bankkonto, wodurch sie vom bisherigen Finanzwesen ausgeschlossen sind. Mit der e-Naira möchte man diesen Schwierigkeiten begegnen, deshalb ist für die Stufe 1 der Transaktionshöhen kein Bankkonto notwendig. Diese Personen können trotzdem Geldbeträge von bis zu 50 US-Dollar am Tag versenden oder empfangen.

Zugleich hat das Land unter der Covid-19-Pandemie stark gelitten. Aktuell verzeichnet das Land eine rückläufige Inflation von 15,6 Prozent. Auch der IWF rechnet damit, dass durch die Pandemie die Nahrungsmittelversorgung verschlechtert wurde und die Rate der Menschen in Armut stark zugenommen hat. Hier erhofft sich die nigerianische Regierung und Zentralbank, dass die e-Naira dazu beitragen kann, Sozialhilfen schneller und vollständiger an die bedürftigen Orte und Menschen zu transferieren. Denn laut des Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) erreicht Nigeria im Vergleich von 180 betrachteten Ländern nur Platz 149.

Es wird folglich interessant bleiben, wie die nigerianische Regierung diese Vorteile gegenüber den vom IWF genannten Risiken abwägt. Zugleich stellt sich die Frage, inwiefern das Identifikationsmodell beibehalten werden kann, wenn es zur Einführung strengerer Geldwäsche- und Finanzierungs-Regularien kommen sollte. Dann könnten gerade die Menschen wieder vom Finanzwesen ausgeschlossen werden, für die der Anschluss lebensverändernd wäre.

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