Quo vadis Bitcoin? Zwei Inflationsszenarien – und was sie für Bitcoin bedeuten

Wie entwickelt sich die Inflation? Droht womöglich eine Stagflation oder wird sich die Inflation früher als erwartet abkühlen? Und was bedeutet das für Bitcoin? BTC-ECHO erklärt, welche Szenarien jetzt denkbar sind und was die Makro-Profis erwarten.

Nicola Hahn
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Inflation

Beitragsbild: Shutterstock

Im März ist die Inflation in der Eurozone erneut auf ein Rekordhoch geklettert. 7,5 Prozent teurer waren Waren und Dienstleistungen in der Eurozone im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland betrug die Teuerungsrate 7,3 Prozent. Dies teilte das Statistikamt Eurostat in einer Mitteilung am Freitag, dem 1. April, mit.

Die Inflationsdaten übertrafen dabei die Erwartungen der Experten bei weitem. Eine Befragung unter Volkswirten durch die US-Nachrichtenagentur Reuters hatte im Vorfeld eine Inflation von circa. 6,6 Prozent prognostiziert. Am stärksten machten sich die steigenden Energie-Preise bemerkbar, die auf Jahressicht um etwa 45 Prozent anstiegen. Aber auch Lebensmittel sahen einen ordentlichen Preissprung. Knapp fünf Prozent legten diese im Vergleich zum Februar zu.

Die anhaltend hohen Inflationsraten sowie eine fast schon sichere Rezession haben in den vergangenen Wochen dazu geführt, dass zunehmend das Wort Stagflation, sprich eine hohe Inflation gepaart mit einer rezessiven Wirtschaft, gefallen war. Mittlerweile lassen sich zwei Camps mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Prognosen ausmachen.

Ist die Rezession schon da?

Dass sich die Wachstumsaussichten vor allem in den USA massiv eintrüben, wird insbesondere am Rentenmarkt (Anleihe-Markt) deutlich. In diesem Zusammenhang wird häufig von einem Abflachen der Zinskurve gesprochen. Was bedeutet das? Im Folgenden eine kurze Erklärung: In Abbildung 1 ist die Differenz (Spread) zwischen zehnjährigen und zweijährigen US-Staatsanleihen abgebildet. Fällt diese Kurve, so spricht man davon, dass die Zinsstrukturkurve flacher wird, da die Zinsen für kürzer laufende Anleihen steigen. Ein Abtauchen unter die schwarze Linie impliziert eine inverse Zinsstrukturkurve. Wie man am rechten unteren Rand der Abbildung erkennt, hat dieser Indikator am Freitag, dem 1. April, erstmals seit 2019 wieder Alarm geschlagen. Eine inverse Zinskurve hat in der Vergangenheit relativ zuverlässig eine Rezession in den darauf folgenden Monaten prognostiziert (siehe Abbildung 2).

Inverse Zinskurve
Abbildung 1: Zinskurve, Quelle: St. Louis Fed

Alles schön und gut, aber welche konkreten Folgen hat das nun? Dazu lohnt es sich, einen kurzen Blick auf das Geschäftsmodell der Banken werfen. Hier gibt es den Begriff der sogenannten Fristentransformation. Kurz zusammengefasst versteht man darunter die Umwandlung von kurzfristigen Geldanlagen in langfristige Darlehen. Steigen jedoch die Zinsen am kurzen Ende (bei kurzfristigen Anleihen), so kommen Banken nicht mehr so günstig an Geld, was sie als Kredit langfristig zu höheren Zinsen weitergeben können. Dies wiederum führt zu steigenden Zinsen, beispielsweise bei Kleinkrediten, was sich letzten endlich negativ auf die Konjunktur auswirkt.

Zinskurve
Abbildung 2: Zinskurve seit 1976, Quelle: St. Louis Fed

Ein weiterer Indikator, der zunehmend auf eine Rezession hindeutet, ist der Consumer-Sentiment-Index der University of Michigan. Dieser spiegelt im Wesentlichen die Konsum-Stimmung der privaten Haushalte in den USA wider. Wie man in Abbildung 3 erkennt, notiert dieser mit 62,8 Punkten aktuell auf einem Zehn-Jahres-Tief. Das letzte Mal, dass der Indikator derart niedrig notierte, war Ende 2011. Mittlerweile ist der Index sogar unter das Tief aus dem Corona-Crash-Jahr 2020 gefallen.

Consumer-Sentiment-Index
Abbildung 3: Consumer-Sentiment-Index der University of Michigan, Quelle: St. Louis Fed

Szenario 1: Stagflation

Ein mögliches Szenario, welches daher an den Märkten gespielt wird, ist das einer sogenannten Stagflation. Prof. Dr. Gunther Schnabl, Professor für Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig und Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik hatte bereits Anfang März gegenüber BTC-ECHO betont, dass er eine Stagflation für durchaus realistisch halte:

Ich halte eine Stagflation aus zwei Gründen für wahrscheinlich. Erstens nehmen die staatlichen Eingriffe in den Wirtschaftskreislauf immer mehr zu, was das Wachstum immer stärker bremst und wirtschaftliche Einbrüche begünstigt. Da die negativen wirtschaftlichen Folgen der staatlichen Interventionen mithilfe der Notenbank abgedämpft werden, wird der Überhang der Geldmenge über die Gütermenge weiter erhöht, sodass der Inflationsdruck zunimmt.

Gunther Schnabl gegenüber BTC-ECHO

Diese Meinung teilen auch andere Experten, wie beispielsweise Prof. Dr. Thomas Mayer, Gründungsdirektor beim Flossbach von Storch Research Institute. Nach Stationen bei Goldman Sachs, Salomon Brothers, dem Internationalen Währungsfonds und dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel war der Ökonom lange Zeit Chefvolkswirt bei der Deutsche Bank Gruppe. Aufgrund steigender Löhne hält Mayer ein Stagflationsszenario für nahezu unausweichlich:

Seit dem Auslaufen des Aufschwungs nach Ende der flächendeckenden Lockdowns erlebten wir schon eine solche Phase. Mit Beginn des Ukrainekrieges wurde der stagflationäre Impuls noch stärker. Da nun aller Wahrscheinlichkeit nach die Löhne steigen werden, ist eine längere Phase der Stagflation zu erwarten.

Thomas Mayer gegenüber BTC-ECHO

Wie Bitcoin sich in einem solchen Umfeld schlagen würde, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Historisch gesehen sind es vor allem die Anlageklassen Edelmetalle, Rohstoffe und Immobilien, die in einer Stagflation gut performen. Ein Wunschszenario vieler wäre zum Beispiel, dass der Bitcoin sich ähnlich wie Gold in der stagflationären Phase aus den 1970er-Jahren entwickeln würde. Zwischen 1970 und 1980 explodierte der Goldpreis von rund 36 US-Dollar je Feinunze auf über 600 US-Dollar je Feinunze im Jahr 1980. Mayer ist gegenüber Bitcoins-Performance in einem Stagflations-Umfeld grundsätzlich positiv gestimmt: “Solange diese (die Zentralbanken) die Realzinsen im negativen Bereich halten, um die Schuldner auf Kosten der Gläubiger zu entlasten, dürften Bitcoin und Gold gefragt sein”, so Mayer.

Angesichts der weiterhin hohen Teuerungsraten sowie einer kriselnden Wirtschaft erscheint eine Stagflation zunächst einleuchtend. Dagegen spricht jedoch zum jetzigen Zeitpunkt die relativ stabile Arbeitslosenquote sowie die bislang solide Situation unter den Unternehmen.

Szenario 2: Die Inflation wird sich abkühlen

Eine der prominentesten Vertreterinnen der zweiten These ist sicherlich Star-Investorin Cathie Wood. Sie meint, dass die Inflation in den kommenden Jahren ein weitaus unbedeutendere Rolle spielen wird, als der Markt zurzeit annimmt. Auf Twitter äußerte sich die Geschäftsführerin von Ark Invest kritisch gegenüber den geplanten Zinsanhebungen der Fed. Die US-Zentralbank “spiele mit dem Feuer”, da viele Indikatoren (u.a. der Consumer-Sentiment-Index) bereits auf einem ähnlichen Niveau wie während der Finanzkrise 2008 angekommen seien.

Im Gegensatz zu vielen Vertreterinnen und Vertretern des oben erläuterten ersten Szenarios hatte Wood in den letzten Wochen und Monaten immer wieder betont, dass aus ihrer Sicht mehrere Faktoren eher für eine Deflation sprechen würden. Als einen der wesentlichen Treiber macht die Investorin den technologischen Fortschritt aus. Die daraus resultierenden Innovationen würden sich über die kommenden Jahre stark deflationär auswirken, da sie enorme Produktivitätsfortschritte ermöglichen würden, die wiederum für sinkende Preise beim Endkunden sorgen dürften.

Außerdem ist Wood der Ansicht, dass viele Unternehmen während der Corona-Krise hohe Bestellungen aufgegeben hätten, um die anziehende Nachfrage nach den Öffnungen vieler Volkswirtschaften bedienen zu können. Daher könnte es laut Ark Invest schon bald zu einem Überangebot am Markt kommen, was ebenfalls deflationäre Kräfte entfesseln würde.

Ähnlich sieht es auch der ehemalige Goldman-Sachs-Hedgefondsmanager und Gründer von Real Vision Finance, Raoul Pal. Pal gilt mittlerweile als echte Größe im Makro- und Krypto-Space. Er glaubt ebenfalls, dass die Inflation nicht durch die Decke gehen wird. In einem Interview auf der von ihm gegründeten Video-Plattform Real Vision gab der Makro-Experte am vergangenen Freitag, dem 1. April, ein Update zur aktuellen Verfassung der Wirtschaft. Das vollständige Interview findet ihr hier.

Pal lässt sich in etwa im selben Camp wie Cathie Wood verorten. Seine These: Die Wirtschaft in den USA könnte sich bereits bis zum Sommer dieses Jahres extrem abgekühlt haben beziehungsweise in einer Rezession befinden. Aufgrund einer Nachfrage-Destruktion werde somit auch die Inflation zurückkommen, was wiederum die US-amerikanische Notenbank in eine eher abwartende Haltung versetzen könnte, sprich keine weiteren Zinsanhebungen. Darüber hinaus prognostiziert Pal, dass die Rohstoff-Preise mittlerweile ein Plateau erreicht haben und rein Nachfrage-getrieben seien. Ergo: Der ehemalige Hedgefondsmanager glaubt nicht an eine ausufernde Inflation.

Seine These untermauert Pal mit dem explosionsartigen Aufstieg Chinas nach der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Der massive wirtschaftliche Aufschwung des Landes mit einer Bevölkerung von 1,2 Milliarden Menschen hatte eine enorme Rohstoff-Nachfrage mit sich gebracht. Die Durchschnittsrate der Inflation zwischen 2000 und 2008 betrug jedoch lediglich drei Prozent, so der Ex-Goldman-Manager.

Sowohl Wood als auch Pal sind davon überzeugt, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession rutschen wird. Allerdings glauben sie nicht, dass die Inflation mittel- bis langfristig weiter ansteigen wird und die Zentralbanken, allen voran die Fed, nicht sehr weit in ihrem Zinsanhebungs-Zyklus kommen werden, da die Anleihen-Märkte bereits einiges eingepreist hätten und eine Rezession aufgrund stark fallender Nachfrage fast unausweichlich sei. Sollte dies der Fall sein, so ist es eher bullish für Risk-On-Assets – wozu sowohl Wood als auch Pal zurzeit Bitcoin zählen.

Fazit

Die entscheidende Frage dürfte lauten: Wie wird der Bitcoin zukünftig vom Markt behandelt? Sollte dieser ähnlich wie Gold gehandelt werden, so wäre ein Stagflations-Umfeld wahrscheinlich der optimale Nährboden für eine Kursrallye. Sollte er wie ein Risk-on-Asset gesehen werden, so dürfte hier bereits einiges an schlechten Neuigkeiten eingepreist sein. Immerhin hatte der Markt in den vergangenen Wochen gleich mehrere Zinsanhebungen der Fed sowie einen Krieg in der Ukraine einpreisen müssen und sich trotzdem im Vergleich zu vielen Aktien recht stabil halten können. Der Boden sowohl im Technologie-Index Nasdaq 100 als auch bei Bitcoin dürfte laut Raoul Pal also bereits erreicht sein. Wie es nun aus makroökonomischer Sicht weitergeht, ist indes alles andere als klar.

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