BTC-ECHO: Du verfolgst den Kryptomarkt seit vielen Jahren intensiv als Investor und Influencer. Bitcoin notiert aktuell über 120.000 US-Dollar. Vor drei Jahren war ein BTC noch 100.000 US-Dollar weniger wert. Hast du mit diesem enormen Preisanstieg gerechnet?
Marco Bühler (sunnydecree): Ja, mehr oder weniger. Wenn man sich die Historie anschaut, folgt Bitcoin einem Vierjahreszyklus – also abwechselnd Bullen- und Bärenmärkte in ziemlich exakten Abständen. Ich habe deshalb erwartet, dass so um 2025/2026 ein neuer Schub kommt. Da kamen mehrere Dinge zusammen: das Bitcoin-Halving im letzten Jahr und die Einführung der Bitcoin-Spot-ETFs. Dass der Kurs dann so glatt durchzieht, hat mich trotzdem leicht positiv überrascht. Vor allem, weil große Player wie BlackRock plötzlich in einem gigantischen Umfang eingestiegen sind – allein deren Kunden haben ein Vermögen von mehr als 70 Milliarden US-Dollar investiert. Das hätte ich so nicht vorhergesagt.
“Bitcoin hat noch Luft nach oben in diesem Bullenmarkt”
Bist du der Meinung, dass wir im aktuellen Bullenmarkt das Top schon erreicht haben oder geht die Rallye noch weiter?
Das hängt davon ab, ob das Vierjahreszyklus-Muster unverändert bleibt oder ob der Eintritt der Wall Street etwas verändert. Wir sehen heute eher eine kontinuierliche, lineare Aufwärtsbewegung, statt der früher typischen, extrem steilen “parabolischen” Anstiege. Klar ist: Wir sind definitiv in einem Bullenmarkt. Aber: Der ganz große Hype, die klassische Endphase eines Bull Runs, wo Bitcoin plötzlich überall in den Medien ist und jeder darüber spricht – die hat aus meiner Sicht noch gar nicht begonnen. Private Anleger sind bisher viel weniger aktiv als in früheren Hype-Phasen. Google-Suchen nach “Bitcoin” sind moderat, auch das persönliche Umfeld spricht kaum darüber. Das spricht dafür, dass noch Luft nach oben ist – auch ins nächste Jahr hinein.
Im Bullenmarkt 2017 erlebte Bitcoin einen massiven Retail-Hype, obwohl der Kurs nicht einmal 20.000 US-Dollar erreichte. Jetzt ist BTC 100.000 US-Dollar teurer, aber die Euphorie bei den Privatanlegern wirkt kleiner. Wie passt das zusammen?
Erstens: Viele Retail-Anleger haben in der Vergangenheit Geld verloren – oft durch unseriöse Projekte oder wertlose “Shitcoins”. Das hat Spuren hinterlassen. Zweitens: Der Markt hat sich verändert. Institutionelle Investoren haben inzwischen das Ruder übernommen. Früher konnten viele kleine Käufe von Privatanlegern den Preis stark bewegen. Heute haben die Großen mehr Einfluss. Das macht extreme Aufwärtsphasen wie 2017 etwas unwahrscheinlicher – aber nicht unmöglich.
“Viele Investoren leben nicht den Bitcoin-Gedanken”
Siehst du diese milliardenschweren Zuflüsse in Spot-ETFs ausnahmslos positiv oder widerspricht es der Ursprungsidee von Bitcoin?
Marco Bühler: Fundamental ändert sich dadurch nichts – jeder kann Bitcoin immer noch selbst halten. Aber es gibt eine stärkere Konzentration von Coins bei großen Treasuries und ETF-Anbietern. Die ETFs sind weniger problematisch – kritischer sehe ich es, wenn einzelne Firmen riesige Bitcoin-Bestände horten. Das ist keine Gefahr für Bitcoin als Protokoll, aber ich finde es persönlich schade, weil viele neue Investoren den fundamentalen Gedanken von Bitcoin – freies, dezentrales Geld – gar nicht leben. Viele kommen nur aus Spekulationsgründen in den Markt. Als jemand, der schon lange dabei ist, tut es ein bisschen weh zu sehen, dass die ursprüngliche Vision dahinter etwas in den Hintergrund rückt. Gleichzeitig war es wahrscheinlich unvermeidlich, dass die institutionelle Finanzwelt stärker einsteigt.
Strategy ist mit über 600.000 Bitcoin der größte Einzelhalter. Wenn so ein Unternehmen in Schieflage gerät – könnte das einen Crash auslösen?
Strategy selbst ist sehr gut aufgestellt – die sehe ich nicht als akute Gefahr. Aber viele kleinere Nachahmer könnten Probleme bekommen. Im Bärenmarkt – und der kommt irgendwann, ganz normal wie in jedem Markt – könnten diese Firmen unter Druck geraten, ihre Bitcoin verkaufen zu müssen. Das würde Abwärtsbewegungen verstärken. Sie lösen den Bärenmarkt nicht aus, aber sie können ihn beschleunigen.
Welche fundamentalen Gefahren könnten Bitcoin wirklich schaden?
Fundamental sehe ich fast keine. Bitcoin hat 16 Jahre Proof of Work hinter sich – es ist sicher, zensurresistent und kann nicht verboten werden. Die größten Risiken für den Preis kommen aus Spekulation, Gier und Panik. Also aus menschlicher Psychologie. Problematisch wären auch wiederkehrende Grabenkämpfe innerhalb der Community wie 2017 bei der Abspaltung von Bitcoin Cash – wenn unterschiedliche Lager verschiedene Wege gehen. Das ist aber aktuell nicht absehbar.
“Bitcoin wird wahrscheinlich wertvoller als Gold”
Bitcoin und der US-amerikanische Aktienindex S&P 500 bewegen sich oft ähnlich. Wird es Bitcoin schaffen, sich früher oder später vom Aktienmarkt zu entkoppeln, wie viele BTC-Maximalisten hoffen?
Ich denke langfristig schon – ähnlich wie bei Gold. In Krisen fällt aber erstmal alles, weil Liquidität dann am wichtigsten ist. Gold hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es sich danach schneller erholen kann als Aktien. Bitcoin wird sich aus meiner Sicht über die Jahre mehr wie Gold verhalten – und weniger an Aktienmärkte gekoppelt sein.
Kann Bitcoin die Marktkapitalisierung von Gold erreichen?
Ich halte das nicht nur für möglich, sondern für wahrscheinlicher als das Gegenteil. Bitcoin ist Gold in vielen Bereichen überlegen: absolut begrenzt, transparent, leicht transportierbar und digital. Gold kann beschlagnahmt werden, neue Vorkommen können gefunden werden – und es ist teuer und aufwendig zu lagern. Einen Milliardenbetrag an Bitcoin kann ich mit minimalen Kosten weltweit transferieren.
Kritiker sagen, Bitcoin produziere nichts – im Gegensatz zu Unternehmen. Was entgegnest du?
Auch Gold produziert nichts – es dient als Wertspeicher. Bitcoin ist das erste wirklich unzensierbare Asset der Welt, bietet absolute Knappheit und ist nicht von Staaten kontrollierbar. Das ist sein Wert. Wer versteht, wie selten solche Eigenschaften sind, versteht auch den Preis.
“Niemand kann Bitcoin verbieten”
Können politische Entscheidungen Bitcoin gefährden?
Preislich ja – kurzfristig. Aber verbieten lässt sich Bitcoin nicht. Transaktionen können jederzeit zwischen Privatpersonen stattfinden, ohne dass das jemand merkt.
Spieltheoretisch würde ein Verbot in einem großen Land dazu führen, dass Konkurrenten diesen Vorteil für sich nutzen. Wirtschaftszweige wandern dorthin, wo Bitcoin erlaubt ist. Deshalb ist so ein Schritt sehr unwahrscheinlich.
US-Präsident Donald Trump positioniert sich gerne als Krypto-freundlich. Ist das positiv für Bitcoin?
Einerseits ja – er blockiert keine Innovation. Andererseits glaube ich nicht, dass er die fundamentalen Eigenschaften von Bitcoin verstanden hat. Er sieht es rein wirtschaftlich und nutzt auch fragwürdige Projekte wie NFTs für sich. Das kann den Markt mit unnötigem Ballast beschweren – aber gehört zum freien Markt dazu.
“Kein Altcoin hat ein relevantes Problem der Welt gelöst”
Trump ist bekanntlich auch Altcoins nicht abgeneigt. Du bist hingegen extrem skeptisch gegenüber den Bitcoin-Alternativen. Wieso?
Kein Altcoin hat bislang ein relevantes Problem in der realen Welt gelöst. Ethereum zum Beispiel gibt es seit über zehn Jahren – und die meisten “Use Cases” sind spekulative Token, Scams oder Grafikbilder in Form von NFTs. Stablecoins sind ein Sonderfall – die haben einen Nutzen für Menschen ohne Bankzugang. Aber Kursgewinne generieren sie nicht.
Könnte Ethereum Bitcoin dennoch als größte Kryptowährung ablösen?
Dieses “Flippening” wird seit fast einer Dekade vorhergesagt – und der Marktanteil von Ethereum sinkt langfristig eher. Kurzfristige Phasen der Stärke ändern daran nichts.
Wenn du müsstest – welchen Altcoin würdest du kaufen?
Keinen – höchstens einen Stablecoin. Alles andere ist für mich spekulativ ohne fundamentalen Wert.
“Ich werde einen Teil meiner Bitcoin verkaufen”
Wirst du nach diesem Bullenmarkt Bitcoin verkaufen?
Ja, aber nur einen kleinen Teil – maximal 30 Prozent, gestaffelt. Das ist eher Risikomanagement. Alle Coins zu verkaufen halte ich für gefährlich, falls der Markt weiterläuft. Wer neu ist, sollte das nicht versuchen, sondern mit einem langfristigen Sparplan investieren.
Sollten Neueinsteiger bei den derzeitigen Preisen auf eine Korrektur warten?
Nein – sie sollten sofort einsteigen, aber mit kleinen monatlichen Beträgen. Das Kapital, das man ohnehin spart, kann man anteilig in Bitcoin stecken. So bekommt man ein Gefühl für den Markt und lernt, Volatilität auszuhalten.
“Bitcoin als Weltreservewährung werde ich wohl nicht mehr erleben”
In der Bitcoin-Gemeinschaft gibt es die Fantasie, das BTC in Zukunft den US-Dollar als Weltreservewährung ablösen wird. Hältst du das für realistisch?
Technisch: ja. Politisch: wahrscheinlich nicht so schnell. Ich sehe eher ein langes Nebeneinander von Fiat-Währungen und Bitcoin oder eine Art Bitcoin-gedeckte Fiat-Währung. Einen reinen Bitcoin-Standard erlebe ich wohl nicht mehr.
Was schätzt du: Was wird ein Bitcoin beim voraussichtlich letzten Halving 2140 kosten?
Kann ich nicht sagen – der Dollar existiert dann vermutlich nicht mehr. Also ist der Preis in Dollar nicht relevant. Man müsste es eher in Gütern bemessen, aber das ist schwierig. Theoretisch kann der Preis immer weiter steigen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Über Marco Bühler alias sunnydecree
Marco Bühler begleitet den Kryptomarkt seit fast einer Dekade. Auf seinem YouTube-Kanal mit knapp 70.000 Followern diskutiert er als sunnydecree regelmäßig Marktzyklen, Bitcoin-Analysen und Makrothemen. 2024 erschien sein Buch “Bitcoin für Einsteiger”, das es direkt in die Spiegel-Bestsellerliste schaffte.