Es reicht! Wie wir „asoziales“ Private Equity mithilfe der Blockchain demokratisieren können

Private Equity ist die Anlageklasse der Superreichen und institutionellen Investoren. Warum diese die Ungleichverteilung von Vermögen weiter verstärkt und warum die Blockchain-Technologie dem entgegenwirken kann. Ein Kommentar.

Sven Wagenknecht
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Beitragsbild: Shutterstock

Der Begriff Private Equity steht für privates Beteiligungskapital oder auch außerbörsliches Eigenkapital. Anders als bei einzelnen Aktien, Indizes oder Rohstoffen, die an den Börsen gehandelt werden, steht dieser Bereich der Vermögensanlage nur wenigen Menschen offen. Während man für wenige Euro einen Immobilien-Fondsanteil, eine Daimler-Aktie oder ein Gold-Zertifikat an einer Börse erwerben kann, bedarf es im Private-Equity-Bereich oftmals Mindest-Ticketgrößen von 100.000 Euro und teils deutlich mehr, die direkt über die jeweiligen Gesellschaften und nicht über eine Börse erworben werden.

Warum Private Equity „asozial“ ist

Dieser Umstand führt dazu, dass sehr vermögende Personen oder institutionelle Investoren einen ganz anderen Zugang zu Vermögensanlagen haben als Kleinanleger. Da bestehende Vermögenswerte, insbesondere die großen Aktienindizes, durch die expansive Geldpolitik immer stärker überbewertet sind, bleiben für Kleinanleger oftmals nur die vollkommen überteuerten Vermögenswerte übrig. Durch den herrschenden Anlagenotstand und das niedrige Zinsumfeld wird dieser Umstand immer weiter verstärkt, sodass die Qualität der Investments von Kleinanlegern stetig abnimmt.

Auf der anderen Seite haben Private-Equity-Investoren Zugang zu neuen und viel besser bewerteten Vermögensanlagen. Hierbei handelt es sich vorrangig um Immobilien und Unternehmen, die eben noch nicht der „Masse“ zum Handel öffentlich gemacht worden sind. Das Chance-Risiko-Verhältnis ist oftmals besser und die Anlagen weniger überbewertet.

Vorprogrammierte Ungerechtigkeit

Die Konsequenz ist simpel: Die ohnehin schon große Konzentration im Finanzsektor auf die Superreichen nimmt noch stärker zu. Die Schere zwischen den 99,9 Prozent der Anleger und den obersten 0,1 Prozent der Anleger geht immer weiter auseinander, da Letztere schlichtweg über die besseren Vermögensanlagen verfügen, ergo bessere Renditen erzielen und ihr Vermögen in Relation zum Rest weiter ausbauen können. Was wir dadurch erleben, ist ein immer stärkeres Auseinanderdriften des öffentlich zugänglichen Finanzsektor auf der einen Seite und dem der Supereichen auf der anderen Seite. Es ist offensichtlich, dass Private Equity die soziale Ungleichheit verstärkt und den Konflikt zwischen Arm und Reich anheizt.

Dies gilt nicht nur für den Finanzsektor, sondern auch für die Realwirtschaft. So stehen die oftmals intransparenten Private-Equity-Gesellschaften vor allem für eines: das Filetieren ganzer Unternehmen und Entlassungen von Mitarbeitern, um kurzfristige Gewinne einzufahren. Ohne die grundlegenden Prinzipien des Finanzkapitalismus zu kritisieren, muss man dennoch fragen, ob es nicht möglich ist, den Bereich der Private-Equity-Finanzierung und -Anlage aufzubrechen und zu öffnen. Natürlich ändert das vorerst nichts an der ungleichen Vermögensverteilung in unserer Gesellschaft, sehr wohl aber an der Zugänglichkeit zum Finanzsektor.

Genauso wie es einem gerechten Zugang zu Bildung bedarf, um soziale Ungleichheiten zu reduzieren, braucht es auch einen fairen Zugang zum Finanzsektor. Auch weniger vermögende Anleger sollten zumindest die Möglichkeit bekommen, durch intelligentes Investieren von den gleichen Chancen zu profitieren wie die Superreichen, um am Wertzuwachs der bislang exklusiven Finanzanlagen zu partizipieren und dem Anlagenotstand entfliehen zu können.

Warum Private Equity streng exklusiv ist

Der Grund, warum Private Equity so exklusiv ist respektive erst für hohe Investitionssummen offensteht, ist relativ simpel. So ist es zum einen viel bequemer, ein Immobilienprojekt von 50 Millionen Euro über 10 Großinvestoren zu finanzieren als über 2.000 Kleinanleger. Schließlich braucht es keinen aufwändigen Wertpapierprospekt von der Finanzaufsichtsbehörde, damit Kleinanleger überhaupt teilnehmen können.

Auch der Verwaltungs- und Marketingaufwand ist um ein Vielfaches geringer, wenn man sich nur um eine Handvoll Investoren kümmern muss. Zudem handelt man Private-Equity-Anteile eben nicht an öffentlichen Börsen, was auch hier den Aufwand des Emittenten deutlich reduziert. Es ergibt oftmals nur wenig Sinn, für kleine Volumen direkt einen Börsengang zu starten. Generell steht der Aufwand eines Börsengangs oftmals nicht im Verhältnis zum Investmentziel.

Die Probleme an der Wurzel packen

Was kann man also tun, um Beteiligungsgesellschaften dazu zu bringen, ihr Angebot auch an Kleinanleger zu richten? Der erste Lösungsansatz besteht darin, eine Plattform zu schaffen, die das Private-Equity-Angebot aggregiert. Anstatt die Investoren separat oder über ausgewählte Kanäle wie Family Offices anzusprechen, können die Investoren selbst über ein Plattformangebot das für sie richtige Investment finden. Mit Blockchain hat das erstmal nichts zu tun, auch sind dadurch noch nicht die anderen Hürden gelöst.

Zwar gibt es bereits solche Plattformangebote. Diese zielen nach wie vor aber nicht auf Kleinanleger ab. Aus den durchaus nachvollziehbaren Gründen. Um dieses Problem anzugehen, muss man also den gesamten Prozess der Verbriefung und Übertragung maximal optimieren, digitalisieren und standardisieren.

So kann die Blockchain-Technologie zum Gamechanger werden

Um also die betriebswirtschaftlichen Transaktionskosten zu senken, kann die Tokenisierung, also die digitale Verbriefung der Anlageobjekte, helfen. So wird über Security Token der gesamte Abwicklungsprozess verschlankt und durch Smart Contracts weiter automatisiert. Gerade letzter Umstand ist wichtig, wenn sich die Anzahl der Investoren durch kleinere Ticketgrößen erhöht.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Handelbarkeit beziehungsweise Sekundärmarktfähigkeit. Um auch schwer standardisierte Vermögensanlagen handelbar zu machen, braucht es eine Infrastruktur, die „leichter“ ist als die gegenwärtige Börseninfrastruktur. Insbesondere schwerfällige und teure Intermediäre wie die Clearstream AG als Abwicklungs- und Verwahrgesellschaft für Wertpapiere laden nur bedingt zum Sekundärmarkthandel ein. Fairerweise muss man an dieser Stelle sagen, dass es nicht nur technische Ineffizienzen sind, die den Wertpapierhandel unnötig erschweren. Auch regulatorische Vorgaben vom Gesetzgeber machen den Handel von beispielsweise verbrieftem Eigenkapital auf Token-Basis, zumindest in Deutschland, gegenwärtig noch unmöglich.

Wenn man von dieser regulatorischen Erschwernis absieht, kann eine Blockchain dennoch den Austausch zwischen Assets flexibler und den Verwaltungsaufwand geringer machen. So kann man Security Token – in der Regel als Schuldverschreibung – nahezu in Echtzeit zwischen einzelnen Parteien transferieren. Zudem kann man sehr kleinteilige, fraktionelle Besitzansprüche leichter umsetzen.

Vereinfacht gesagt: War es bislang nicht wirtschaftlich, ein Immobilienprojekt für 50 Millionen auch Kleinanlegern ab 100 Euro Mindestticketgröße anzubieten, wird es nun sehr wohl wirtschaftlich darstellbar. Durch die Senkung der Transaktionskosten von nur wenigen Prozent oder gar Prozentbruchteilen, kann eine bislang unwirtschaftlich zu erschließende Anlegergruppe attraktiv werden. Durch den verbesserten Austausch und einem höheren Automatisierungsgrad kann die Liquidität im Markt gesteigert werden. Dies kommt sowohl Groß- wie Kleinanlegern zugute.

Ist das überhaupt noch Private Equity?

Das Prinzip der Tokenisierung durch Security-Token-Plattformen und den darauf stattfindenden Security Token Offerings entspricht genau diesem Prinzip. Der Zugang zum außerbörslichen Kapital wird damit theoretisch einem immer breiterem Investorenpublikum geöffnet. Dies wird allerdings nichts daran ändern, dass es oft nicht gewollt ist, dass Anlagen jedem offenstehen. Vollkommen losgelöst von Kosten und Aufwand. Schließlich kann es im Interesse der Investoren und Beteiligungsgesellschaften sein, die volle Kontrolle über die Eigentümerstruktur zu haben.

Dabei muss man wiederum zwischen den wagniskapitalgetriebenen Tokenisierungen und den Private-Equity-Tokenisierungen unterscheiden. Während die bisherigen STO-Plattformen vor allem im Bereich der Start-up-Finanzierung tätig sind, drängen nun auch vermehrt Plattformen auf den Token-Markt, die eher aus dem traditionellen Beteiligungs- und Fondsgeschäft stammen. Dass sich der Private-Equity-Bereich bislang in puncto Tokensierung zurückhält, liegt insbesondere an der mangelnden Bereitschaft, Token zu nutzen. Auch besteht aktuell kaum Handlungsdruck, auf die neuen Token-Geschäftsmodelle zu wechseln. Die Vorteile der Tokenisierung sind aufgrund des unreifen Ökosystems und mangelnder Angebote noch zu unattraktiv für die meisten Private-Equity-Gesellschaften. Kurzum: Es braucht also mehr Zeit, bis sich die Tokenisierung schrittweise etablieren wird.

Einen Schritt, um auch die traditionelle Private-Equity-Branche zu erschließen, hat beispielsweise das FinTech CAPinside aus Hamburg diese Woche gemacht. Anstatt um Start-up-Anteile geht es hier um genau diese „alte Welt“. Mithilfe einer Tokensierungsplattform sollen so Assets tokenisiert werden, die sonst nur vermögenden Personen offenstehen. Es werden also auch nicht-börsengehandelte Unternehmen und Infrastrukturfonds angeboten, an die Kleinanleger sonst nicht herankommen.

Gerade im Immobilienbereich gibt es zur Zeit einige Tokenisierungsprojekte, die einen starken Private-Equity-Charakter haben und Kleinanleger ansprechen. Hier zu nennen wären beispielsweise die Fundament Group, Brickblock oder Black Manta Capital.

Noch ein langer Weg

Auch die Tokenisierung beziehungsweise die Blockchain-Technologie wird nichts daran ändern, dass manche Vermögensanlagen nur den sehr vermögenden oder institutionellen Investoren vorbehalten bleiben. Sehr wohl kann sie aber dafür sorgen, dass durch Senkung der Einstiegshürden für eine Kleinanleger-Partizipation der Finanzsektor ein Stückchen weniger exklusiv wird. Eine gerechtere Umverteilung von Reich nach Arm wird man dadurch kaum erreichen. Sehr wohl aber kann man die herrschende Asymmetrie und Abspaltungstendenz einer kleinen Finanzelite eindämmen. Die Blockchain-Technologie kann so dazu beitragen, die Finanzialisierung ein Stück weit zu demokratisieren.

Dass die Tokenisierungsplattformen innerhalb der nächsten Jahre Heerscharen von Kleinanlegern für sich gewinnen werden, wäre naiv anzunehmen. Für die meisten Anleger ist es immer noch üblich, bei ihrer Hausbank teure Fonds auf DAX & Co. zu erwerben. Oder noch schlimmer, eine Rentenversicherung, die sie ein Leben lang an schlechte und überbewertete Finanzanlagen bindet. Mit einem großen Ansturm von Kleinanlegern ist also nicht zu rechnen. Offene Tokenisierungsplattformen werden das Problem mangelnder finanzieller Bildung und digitaler Affinität auch nicht von heute auf morgen lösen können.

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