Obacht Armchair-Experten Natürlich müssen wir über Bitcoin reden – ein Debattenbeitrag

Als Bitcoiner muss man sich so manches anhören: “Bitcoin ist schlecht für die Umwelt”, “Bitcoin ist der feuchte Traum von Darknet-Libertären”, man kennt es. Aber Bitcoin ist mehr als das. Bitcoin ist zu wichtig, um es als vorbeiziehendes Phänomen zu belächeln. Ein Aufruf zu mehr ehrlicher Debatte.

David Scheider
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Bitcoin ist ein Elefant im Raum.

Beitragsbild: Shutterstock

Ökonomen, die eine klassische Ausbildung genossen haben, fällt es schwer, über Bitcoin zu sprechen. Man kann das Konstrukt einfach nicht in den Kanon einordnen, der an Unis gelehrt wird. Ein gutes Beispiel für die Zurückhaltung, mit der Wirtschaftswissenschaftler dem Thema begegnen, ist Adam Tooze. Der britische Wirtschaftshistoriker war am 3. März zu Gast bei “Wirtschaft aktuell”, einer Podcast-Serie des rbb. Obwohl Tooze nicht gerne über Bitcoin spricht, wie er in der neuesten Ausgabe seiner Kolumne Chartbook Newsletter klarstellt, hat er sich breitschlagen lassen.

Nein, Bitcoin ist kein “coronabedingtes Phänomen”

“Konservative Anleger, die sich große Sorgen machen über Inflation, suchen nach Alternativen”, sagt Tooze gegenüber dem öffentlich rechtlichen Sender. So weit, so richtig. Bitcoiner sehen in dem digitalen Gold in der Tat eine Art Absicherung gegen die Unwägbarkeiten der Zentralbankpolitik. Denn während Zentralbanker die Geldmenge nach Gusto ausweiten dürfen, ist Bitcoins Angebotsmenge begrenzt und algorithmisch festgelegt. Falsch ist allerdings die Schlussfolgerung der Redakteurin, Bitcoin sei damit ein “coronabedingtes Phänomen”.

Wie wäre es da erklärbar, dass die Kryptowährung Nr. 1 bis Ende 2019 bereits mehrere Millionen Prozent gewachsen ist? Bis dato war Corona jedenfalls kein Thema.

Der Tooze-Artikel über Bitcoin ist auch insofern lesenswert, als dass er durchaus triftig argumentiert. Die Sichtweise ist aber nur die halbe Wahrheit. Zeit, für die Gegenseite.

Unter anderem heißt es in der Kolumne, dass “alles Geld […] Fiat-Elemente in sich trägt”. Bitcoiner würden dem nicht widersprechen. Tatsächlich hat Geld, genau wie alle anderen Güter, Waren und Dienstleistungen in diesem Universum keinen intrinsischen Wert – dieses Konzept gibt es überhaupt nicht. Menschen schreiben Gütern einen Wert zu. Doch anders als häufig argumentiert wird, ist dieser Wert nicht rein willkürlich und spekulativ, sondern hat handfeste Gründe. Bitcoin hat schlicht gewisse Eigenschaften, die es zu gutem Geld machen (Knappheit, Teilbarkeit, Übertragbarkeit, Beständigkeit, et cetera). Im Kern ist Bitcoin und Fiatgeld also gar nicht so verschieden; das sieht Tooze ähnlich.

Ist Gold und Fiatgeld wirklich so verschieden?

Adam Tooze

Bitcoin und die Politik

“Geldgerede ist politisches Gerede. Wir sollten selektiv sein bei der politischen Diskussion, die wir führen”, schreibt der Autor. Geld wie wir es kennen, ist etwas inhärent politisches, da stimme ich Adam Tooze zu. Was aber sicher nicht stimmt, ist die Folgethese, dass “Bitcoin in erster Linie ein libertäres Bestreben ist, den Schatten der politischen Geldordnung […] zu entfliehen.” Bitcoin ist für alle da. Bitcoin interessiert sich überhaupt nicht dafür, wer es wofür und weswegen nutzt. Es ist schlicht ein Werkzeug, für dessen Nutzung sich freie Menschen entscheiden – oder eben nicht. Zu behaupten, Bitcoin würde irgendeine Agenda verfolgen, ist schon fast antromorphisierend; als hätte ein Softwareprotokoll einen Willen.

Wohin das Argument eigentlich gehen soll, wird dann aber doch klar. Es geht eher darum, Bitcoiner an den Pranger zu stellen. Bitcoin-Gebrauch wird moralisiert; und dann wird es plötzlich doch ganz politisch.

Bitcoin ist das Drehbuch für das Zeitalter der digitalen Mafia. Danegeld für das 21. Jahrhundert. Die Dark-Web-Funktionen von Krypto sind kein Bug, sondern ein Feature,

heißt es vonseiten des Wirtschaftshistorikers. In anderen Worten: Wer Bitcoin nutzt, unterstützt mafiose Strukturen. Bitcoiner sind da geneigt zu entgegnen, dass man mit Bitcoin auch völlig legal agieren kann. Genau wie US-Dollar, Euro und Pfund kommt es darauf an, was man daraus macht. Nicht das Geld ist moralisch aufgeladen, sondern Handlungen. Es nicht mehr oder weniger unmoralisch Menschenhandel mit Bitcoin zu finanzieren, als mit US-Dollar. Dass ein Großteil der internationalen Geldwäsche über Fiatwährungen abgewickelt wird, schenken wir uns an dieser Stelle.

Bitcoiner an den Pranger

Hier offenbart sich aber durchaus ein Muster. Man will den Gebrauch von BTC öffentlich ächten. Dazu eignet sich übrigens auch das Stromverbrauch-Argument ganz hervorragend. Ganz nach dem Motto: Bitcoiner zerstören den Planeten kramt Tooze, wer hätte es geahnt, auch dieses Argument hervor.

Die “Lösung” von Bitcoin besteht darin, eine künstliche Knappheit zu schaffen, die auf dem Lösen von mathematischen Problemen mit enormer Computerleistung beruht und riesige Mengen an Strom verbraucht, der aus Kohle erzeugt wird, die auf nicht-triviale Weise zur Klimakrise beiträgt.

Adam Tooze

Alleine über diesen Aspekt kann man ganz Bücher schreiben. Am Ende des Tages ist es eine Frage des Framings. Man könnte auch sagen: Mit Bitcoin hat die Welt zum ersten Mal ein nachweisbar knappes digitales Gut, das von Mathematik und physikalischen Prinzipien gedeckt ist. Seinen Wert bezieht es aus der Energie, die in dessen Erschaffung fließt. Bitcoin ist eben Hartgeld und steht damit im direkten Kontrast zu Fiatgeld, das Banken mit einem Federstrich erschaffen können.

Digitale Knappheit ist nicht “pervers”, sondern genial

Der Zweite fundamental Unterschied [zwischen Central Bank Digital Currencies (CBDCs) und Bitcoin] ist, dass CBDCs nicht auf einem perversen Modell künstlicher Knappheit basieren.

Adam Tooze

Dass Tooze das Konzept digitaler Knappheit als “pervers” framt, ist aber schon erstaunlich. In einem Drang, digitales Zentralbankgeld zu legitimieren, nennt Tooze das digitale Gold ein “perverses Modell künstlicher Knappheit”. Die Erfindung digitaler, absoluter Knappheit ist nicht weniger als eine Jahrhundertinnovation. Bitcoin ist das einzige Gut in der Geschichte der Menschheit, das nachweisbar endlich ist. Aufgrund thermodynamischer Prinzipien kann jeder Teilnehmer absolut sicher sein, dass die Angebotsmenge auf 21 Millionen Stück begrenzt ist. Menschen entscheiden sich aus freien Stücken, ihren Wohlstand durch diese Prinzipien abzusichern. Was daran ist “pervers”?

Natürlich haben Bitcoiner eine Verantwortung, sich über den CO₂-Ausstoß Gedanken zu machen. Initiativen wie netpositive money tun das bereits. Übrigens: In der neuesten Ausgabe des Kryptokompass, dem führenden Magazin rund um Kryptowährungen, haben wir diesem Thema einen ganzen Abschnitt gewidmet.

Am Ende ist Bitcoin schlicht Software. Man gewinnt den Eindruck, dass der Autor eigentlich sagen will, dass Menschen, die BTC unterstützen, pervertiert sind.

Ich würde allerdings vorsichtig sein, Menschen mit erhobenen Zeigefinger zu begegnen, die ihren Wohlstand in etwas anderem als Fiatgeld, Immobilien oder dem Aktienmarkt sichern. Vor allem aus Sicht eines Mitteleuropäers, der in einem Land mit funktionalem Finanzsystem lebt, ist Zurückhaltung eher das Gebot der Stunde.

Bitcoin beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit

Bitcoin ist nicht mehr als ein Angebot an diejenigen Menschen, die ihren Wohlstand in einem digitalen Geld speichern, dessen Wert sie anerkennen und schätzen. Im Gegensatz zu Fiatgeld, dessen Nutzung per Gesetz erzwungen ist, erzwingt BTC rein gar nichts. Weder das Halten, Ausgeben, noch Verweigern von Bitcoin gehört ins Feld der Moralität.

Bitcoin ist, und das ist genug. Nassim Nikolas Taleb hatte in seinem Werk “Antifragile” die aus der Kolumne sprechende Art der Betrachtung mal als “lecturing birds how to fly” paraphrasiert. Also das Bestreben der Wissenschaft, alles in die ihnen bekannten Modelle zu pressen. Frei nach dem Motto: “Es kann nicht sein, was nicht sein darf”, wird Bitcoins normative Kraft des Faktischen verkannt.

Wir müssen endlich aufhören, Bitcoin als ein vorbeiziehendes Phänomen zu belächeln. Wir müssen über Bitcoin reden, denn BTC ist gekommen, um zu bleiben – ob es der Wissenschaft gefällt oder nicht. Vielleicht sollte die Ökonomie damit beginnen, die Billionen-Kryptowährung als globalen Spieler in einem immer unübersichtlicher werdenden Finanzsystem anzuerkennen. Das wäre zumindest ehrlich.

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