Next Level Missbrauch in Sicht? Die Janusköpfigkeit von digitalem Zentralbankgeld

In den letzten Wochen und Monaten ist neuer Schwung in das Thema digitale Zentralbankwährungen und Stable Coins gekommen. Warum politische Institutionen nun endgültig verstanden haben, dass sich digitales Geld nicht mehr aufhalten lässt und was das für unsere Freiheit und Privatsphäre bedeutet.

Sven Wagenknecht
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Die zwei Gesichter des Zentralbankgeld, verkörpert durch eine Büste.

Beitragsbild: Shutterstock

Es ist noch nicht lange her, da wurde digitales Zentralbankgeld (CBDC) als Idee von Blockchain Nerds deklariert. Selbst aus Notenbankreisen, ganz gleich, ob Deutsche Bundesbank oder Europäische Zentralbank, gab es immer wieder kritische Stimmen. Nicht aus der berechtigten Sorge, dass damit die Privatsphäre der Bürger unterminiert wird, sondern, dass es so etwas wie digitales Zentralbankgeld nicht braucht. Während erstere Kritik ein valides Argument gegen CBDCs darstellt, rekurriert letztere auf mangelnde Kenntnis digitaler Infrastrukturen.

Spätestens durch Facebooks Stable-Coin-Initiative Libra und die konkreten Vorstöße Chinas hinsichtlich programmierbarem Notenbankgeld hat sich der Spieß gewendet. Wie sehr, zeigen die Meldungen der letzten Monate.

Auf einmal kann es doch schnell gehen: G20 und EU-Kommission geben Gas

Nicht nur verstummen kritische Stimmen seitens der Notenbanken und öffentlichen Institutionen, sondern auch die Reformbereitschaft nimmt sichtlich zu. So ist vor ein paar Tagen bekanntgeworden, dass sich die Finanzminister der G20 Staaten noch für diesen Oktober auf Regulierungsgrundsätze für digitale Währungen einigen möchten. Die neuen Regelungen könnten dann schon vor dem nächsten G20 Gipfel in Riyadh in Saudi-Arabien in Kraft treten.

Mehr Klarheit kommt auch von der EU-Kommission, die ebenfalls noch dieses Jahr Stable Coins regulieren möchte. So hatte der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler eine Anfrage an die Bundesregierung zum Thema Krypto-Regulierung gestellt. Von der Bundesregierung erhielt er unter anderem folgende Antwort:

Die EU-Kommission bereitet […] derzeit einen Regulierungsvorschlag für Krypto-Assets und „Stablecoins“ vor. Die Veröffentlichung des Regulierungsvorschlags ist für das 3. Quartal 2020 geplant.

Aus Abwehrhaltung wird Einsicht

Dass öffentliche Institutionen ihre Einstellung zu Stable Coins und allen voran digitalem Zentralbankgeld so schnell ändern, liegt vor allem an der plötzlichen Wettbewerbssituation. Während man Anfangs versucht hat, das Thema zu ignorieren und eher abzuwehren, hat der Angriff von Facebook die Institutionen dazu gezwungen, sich mit der Materie auseinandersetzen. Als dann auch noch aus China bekanntgeworden ist, dass man programmierbares Geld auch von staatlicher Seite aus bereits sehr konkret plant, dürfte vielen ein Licht aufgegangen sein.

Schließlich hat die Wettbewerbssituation dazu geführt, zu erkennen, dass eine digitale Zentralbankwährung aus staatlicher Sicht viele Vorteile mit sich bringt. Zwar mögen die Impulse stark aus der Privatwirtschaft stammen, inzwischen dürfte aber der Staat der größte Treiber der Entwicklung sein.

Wichtig dabei ist es, zwischen der Regulierung der Stable Coins und CBDCs zu unterscheiden. Schließlich sind erstere privater Natur und stehen damit diametral zum Geldmonopol der Notenbanken respektive des Staates. Entsprechend ist es denkbar, dass die Regulierung der Stable Coins relativ restriktiv ausfallen wird.

Corona-Krise verschärft Wettbewerb

Neben dem internationalen Wettbewerb um die besten digitalen Finanzinfrastrukturen und deren letztliche Einbindung in die Industrie, ist es auch die Corona-Krise, die Tempo in die CBDC-Entwicklung bringen dürfte. Die wirtschaftlichen Belastungen von starker Deflation bis hin zu starker Inflation machen eine flexibel programmierbare und überwachbare Währung besonders attraktiv. Angesichts beängstigender Wirtschaftsindikatoren wie drohenden Kreditausfällen, Überschuldung und Arbeitslosigkeit, könnte eine gut programmierte CBDC-Infrastruktur enorme Vorteile bieten.

Dabei geht es weniger um die Senkung der Transaktionskosten, Echtzeitabwicklung und Einbindung von Nicht-Bankinstituten in den Zahlungsverkehr. Vielmehr stehen die aktiven Steuerungsmöglichkeiten des Staates respektive der Notenbank im Vordergrund. So verwundert es nicht, dass gerade zum Höhepunkt der Corona-Hilfen, als die USA Helikoptergeld an seine Bevölkerung ausgeteilt hat, die Idee nach einem digitalen US-Dollar besonders an Fahrt aufgenommen hat.

Wenn aus Innovation politischer Missbrauch wird

Sollte es in nächster Zeit zu einer neuen wirtschaftlichen Eskalationsstufe kommen und weitere Direktmaßnahmen von der Regierung beschlossen werden, um die Gesellschaft zu beruhigen, dann wäre der digitale US-Dollar eine gute Möglichkeit, um alle Menschen, auch die ohne Bankkonto, zu erreichen. Dies gilt allerdings nur, wenn man die CBDC so ausgestaltet, dass jeder Haushalt einen so genannten FedAccount, also ein Konto direkt bei der Zentralbank, bekommt.

In genau jenem Einsatz von digitalem Zentralbankgeld besteht die große Gefahr, dass die Politik die Notenbank zu Maßnahmen nötigen kann. Mit Verweis auf die wirtschaftliche Notsituation – siehe Helikoptergeld – kann so die Geldwertstabilität vollends untergraben werden.

Sollte also ab einem gewissen Zeitpunkt die Inflation überschießen, könnte das staatliche Geld beispielsweise mit einer Zinsfunktion ausgestattet werden. Dieser Paternalismus könnte einen dazu drängen, nur die CBDC des Staates zu benutzen, um Kaufkraftverluste zu vermeiden. Eine andere Option besteht darin, dass ein Anreiz einprogrammiert wird, der zum Konsum anregt. Um die Wirtschaft kontinuierlich auch realwirtschaftlich zu stimulieren, könnten Guthaben verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist ausgegeben werden. Der Phantasie sind letztlich keine Grenzen gesetzt.

Digitales Zentralbankgeld: Mehr Gefahr als Chance?

Auf der einen Seite ist die Digitalisierung des Geldes eine logische Konsequenz unserer allgemeinen Digitalisierung durch künstliche Intelligenz, dem Internet der Dinge oder der Virtual Reality. Aus Innovationssicht ist progammierbares Geld daher unabdingbar. Auf der anderen Seite stellt man jetzt aber auch die Weichen für die regulatorische Ausgestaltung der CBDCs in dieser Dekade. Folglich sollte man sehr gut auf die Regulierung und Vorstöße der Notenbanken und Regierungen Acht geben. Aus der wünschenswerten Innovation kann entsprechend sehr schnell ein demokratiefeindlicher Kontrollmechanismus erwachsen, der Privatsphäre eindämmt und ökonomische Handlungsfreiheit einschränkt.

Die Konfliktlinien sind dabei divers. So geht es in diesem Jahrzehnt um einen grundsätzlichen Wettbewerb zwischen Kryptowährungen, Stable Coins und CBDCs. Dieser Wettbewerb wird wiederum überlagert von einem realpolitischen und internationalen Wettbewerb der Staaten untereinander.

Auch aus systemischer Sicht wirft die Digitalisierung des Geldes die Frage auf, ob nicht eine gänzliche Umgestaltung des Geldsystems, durch zum Beispiel Einführung eines Vollgeldsystems, sinnvoll ist. Korrespondierend dazu wird auch die Rolle von Banken und Nicht-Banken in Frage gestellt. Schließlich können durch Token-Infrastrukturen, auch Nicht-Banken bankenähnliche Funktionen übernehmen.

So unklar die konkrete zukünftige Umsetzung ist, kann man bereits sicher sagen, dass das aktuelle Nischenthema noch für viel Gesprächsstoff in der breiten Öffentlichkeit sorgen wird. Trotz der Notwendigkeit, dass Europa mehr Geschwindigkeit auf das Thema digitales Geld bekommen muss, um nicht abgehängt zu werden, dürfen auch nicht gleichzeitig Demokratiestandards über Bord geworfen werden.

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