Blockchain-Lobbyismus zwischen Berlin, Brüssel und Washington – Warum jetzt ein anderer Wind weht

Mit dem Einzug von Konzernen in die Krypto-Wirtschaft ändert sich auch das politische Umfeld. Während die Start-up-Szene zu fragmentiert und mit sich selbst beschäftigt ist, haben Konzerne eine klare politische Agenda, die sie mit Lobbyisten effektiv an die Politik adressieren. Was der Automobilverband mit Blockchain-Lobbyismus zu tun hat, woran es aktuell noch bei den Krypto-Verbänden mangelt und warum Start-ups Gefahr laufen, von den Konzerninteressen ausgebootet zu werden.

Sven Wagenknecht
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Lobbyismus, Politik

Beitragsbild: Shutterstock

Jede Branche hat sie: Lobbyisten. Die Interessenvertreter mit dem angeschlagenen Image sind unverzichtbar, wenn es um die Artikulation von Forderungen gegenüber der Politik geht. Bis dato ist der Einfluss von Krypto-Lobbyisten als sehr gering einzuordnen. Zu chaotisch, klein und finanziell schlecht ausgestattet ist die Krypto-Branche. Ganz anders sieht es bei Konzernen aus, die eigene Abteilungen haben, die unter den Bezeichnungen Governmental oder Public Affairs firmieren.

Ehrenamt remote statt vergoldete Hauptstadtrepräsentanz

Hauptberufliche Lobbyisten für die Krypto-Branche gibt es praktisch nicht. Kein Krypto-Start-up besitzt eine Hauptstadtrepräsentanz, die sich ausschließlich um die politische Kommunikationsarbeit kümmert. Stattdessen wird das Lobbying von der Unternehmensebene auf die Verbandsebene verlagert. Hierbei geht es weniger um die Partikularinteressen eines einzelnen Unternehmens als um übergeordnete Policy-Empfehlungen. In Verbänden wie dem Bundesblock, dem Blockchain Bundesverband mit Sitz in Berlin, wird mit minimalstem Budget und hauptsächlich ehrenamtlich versucht, die Politik für das Thema Blockchain zu sensibilisieren.

Im Rahmen der Möglichkeiten wird dies in Teilen auch erfolgreich umgesetzt. Verglichen mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA) oder dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), deren Formulierungen in praktisch jedem themenspezifischen Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu finden sind, sind die Einflussmöglichkeiten aber ziemlich begrenzt.

Die vereinigten Nodes von Europa

Dass eine nationale Regulierung der Blockchain-Technologie schnell an ihre Grenzen stößt, dürfte jedem einleuchten. Umso logischer erscheint die politische Interessenvertretung auf nächstgelegener Ebene, ergo der europäischen. Auch hier gibt es genauso wie im Nationalen wichtige Interessenvertretungen, die seit kurzer Zeit Krypto-Lobbying betreiben. Zu nennen wären hier beispielsweise die European Blockchain Association, thinkBlocktank, International Association for Trusted Blockchain Applications oder das European Blockchain Observatory and Forum.

Sie alle tragen einen wichtigen Teil dazu bei, das Thema Blockchain in den politischen Diskurs zu rücken. Doch auch sie haben das gleiche Aufmerksamkeits- und Kapazitätsproblem wie auf nationaler Ebene. Kurzum: Es fehlt an Schlagkraft und an einem über Jahrzehnte aufgebauten Netzwerk.

Daimler, Facebook und Walmart bestimmen nun die Marschrichtung

Ganz anders sieht es bei Konzernen aus. Neben oftmals starken Branchenverbänden wie dem Verband der Automobilindustrie (VDA) verfügen auch die Branchenunternehmen selbst, wie zum Beispiel Daimler, VW oder BMW, über schlagkräftige Politikabteilungen.

Passiert es nun, dass Blockchain und Kryptowährungen in der Unternehmensstrategie der Konzerne Beachtung finden, dann rückt damit das Thema automatisch auch auf die Agenda der einflussreichen Player. Ganz gleich, ob Car Wallet bei Daimler, eine eigene Kryptowährung bei Walmart oder vernetzte Endgeräte von Bosch, die über das IOTA Tangle laufen. Die Konzerne haben Grund genug, dafür zu sorgen, dass krypto-freundliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Nicht zuletzt das kontroverseste Krypto-Konzernprojekt, Facebooks Libra, dürfte dafür sorgen, dass Millionen von US-Dollar und Euro in das politische Lobbying, vor allem in Washington, fließen.

Wird das alte Blockchain-Narrativ nun beerdigt?

Aufgrund ihres Einflusses schenkt man Konzernen Gehör und kommt eher ihren Forderungen nach als Kleinstunternehmen oder ehrenamtlich geführten Verbänden. Ebendieser Umstand kann sich positiv auf die Regulierung der Krypto-Branche auswirken. Mehr öffentliche Aufmerksamkeit und eine krypto-freundliche Politik können entsprechend dem gesamten Markt der Kryptowährungen helfen. Neben all den Vorteilen besteht allerdings auch die Gefahr, dass dadurch die Interessen der Krypto-Start-ups von den Konzern-Interessen ausgebootet werden. Schließlich verfolgen Facebook und Walmart andere Ziele in der Krypto-Ökonomie als die wirklich dezentralen Blockchain-Projekte.

Das ursprüngliche Blockchain-Narrativ der Dezentralisierung und Stärkung des Endverbrauchers dürfte dabei nicht in den Policy-Empfehlungen der Konzerne Berücksichtigung finden. Während viele kleine Blockchain-Start-ups und Projekte gänzlich neue Governance-Strukturen verfolgen – man denke hier beispielsweise an Dezentrale Autonome Organisationen – sind es bei den Konzernen eher Krypto-Features, die das eigene Ökosystem stärken. Am Ende geht es darum, das eigene Projekt durchzuboxen. Im Extremfall kann sich das Konzern-Krypto-Lobbying sogar gegen Blockchain-Start-ups richten. Dies könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn sich ein Internetkonzern von den diametral gegenüberstehenden Blockchain-Plattformen unter Druck gesetzt fühlt.

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