Klartext Robinhood und Trauerphasen: Droht der große Börsen-Knall?

Es gibt gute Gründe dafür, mit großer Sorge auf das Börsentreiben zu blicken. Welche Rolle die Robinhood Teenie-Trader an den Aktienmärkten spielen, was die „fünf Trauerphasen“ mit einem Börsencrash zu tun haben und welche Gemeinsamkeit Gold und Bitcoin mit einer Kfz-Haftpflichtversicherung besitzen.

Sven Wagenknecht
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Schwarze Bombe mit RobinHood-Schriftzug draufgedruckt

Die Aktienmärkte haben sich seit dem Corona-Höhepunkt gefangen und leisten das, was man sich von der Realwirtschaft so sehr erhofft: eine V-Erholung. Nun ist es kein Geheimwissen, dass hinter dem Aufschwung an den Börsen in erster Linie die Notenbanken stecken. In unzähligen Artikeln sind wir und andere Medien ausführlich auf den Zusammenhang zwischen der Geldmengenausweitung und steigenden Aktienkursen eingegangen.

Bitcoin ist nicht betroffen

Von dem vielen billigen Geld profitiert Bitcoin allerdings nicht. Schließlich fließt es in Aktien und Anleihen, um die Börsen zu stützen und nicht in den Krypto-Markt. Zudem befinden wir uns in einem deflationären Umfeld. Trotz der inflationären Politik der Notenbanken kämpfen wir mit der Deflation, sodass Bitcoin zum Inflationsschutz – zumindest aktuell – nicht wirklich attraktiv ist. Das heißt natürlich nicht, dass sich das in Zukunft nicht ändern kann.

Schließlich ist die Erzeugung von Inflation die einzige Option, um unser Finanzsystem stabil und die stark steigenden Schuldenberge unter Kontrolle zu halten. Vor diesem Hintergrund kann mittel- bis langfristig schon mit einer erhöhten Inflation gerechnet werden, die Bitcoin und natürlich Gold begünstigt. Da Aktien ebenfalls Sachwerte sind, dürfte demnach auch die Börse weiterhin gen Norden laufen – zumindest theoretisch.

Schauen, was die Profis machen

Trotz der Liquidität der Notenbanken kann man nicht auf ewig fundamentale Ungleichgewichte stabil halten. Die institutionellen Investoren wissen also, dass Notenbankgeld allein die Börsenkurse nicht auf Dauer stützen kann. Dies würde auch erklären, warum Marktinsider nur an der Seitenlinie stehen und Aktien eher verkaufen als kaufen. So hat beispielsweise Warren Buffet seine Aktienbeteiligungen an der Investmentbank Goldman Sachs sowie an seinen Airlines drastisch gesenkt. Laut Aussagen von Marktinsidern sind es also nicht die Profis wie Vermögensverwalter und Investmentbanken, die das Volumen in die Märkte bringen, sondern die Kleinanleger.

So greift vor allem in den USA ein gefährliches Börsenfieber um sich, das durch die neue Trading-App Robinhood angeheizt wird. Vor allem junge Menschen kaufen, ohne entsprechende Finanzmarktkenntnisse, an den Börsen ein. Dabei haben sie es auf die gefährdetsten Branchen wie Fluglinien und Reisegesellschaften abgesehen, wie man an den Daten ablesen kann. Viele professionelle Marktteilnehmer betrachten diese Entwicklung mit Sorge.

Party der Teenie-Trader dürfte bald vorbei sein

Entsprechend groß sind die Ängste, dass es mit dieser Party bald vorbei ist und eine anschließende Verkaufswelle durch die unprofessionellen Trader ausgelöst wird. Wie drastisch eine solche Korrektur der Überbewertung an den Aktienmärkten wird, hängt letztlich auch wieder von den Stützungsmaßnahmen der Notenbanken ab. Die einzige Möglichkeit der Notenbanken ist allerdings nur eine teuer erkaufte Abbremsung des Abwärtstrends, nicht aber eine Abwendung.

Die Trading-App Robinhood trägt genau umgekehrt zu seinem gleichnamigen Märchenhelden Robin Hood zur Vermögensverteilung von Arm nach Reich bei. Die Robinhood-Trader werden von den Profis wie Goldman Sachs, J.P. Morgan oder Warren Buffet „abgezogen“. Schließlich können diese von den irrationalen Handelsaktivitäten der Teenie-Trader profitieren und ihre Kassen füllen.  

Die Börse und der Tod: Die fünf Trauerphasen

Neben den vielen Kleinanlegern, die zur Überbewertung der Kurse beitragen, dürfte auch die psychologische Erklärung der „fünf Trauerphasen“ zu einer pessimistischen Börsenerwartung in den nächsten Monaten führen. Diese geht auf den Finanzanalytiker Barry Ritzholtz zurück, der in der Finanzkrise 2008 einen starken Zusammenhang zwischen den Börsenphasen und den Trauerphasen eines Sterbenden festgestellt hat.

Die provokante These stützt sich dabei auf die fünf Trauerphasen, die ein Börsianer in einem Crash durchlebt, genauso wie ein Mensch, der mit dem Tod konfrontiert ist. Zusammengefasst werden fünf Phasen beschrieben:

1. Anleger möchten nicht wahrhaben, dass ein Aufschwung sein Ende findet.

2. Stellt sich Gewissheit über die Situation ein, verspürt der Anleger Zorn. Aufgrund der Ohnmacht entsteht Panik und Anleger verkaufen, wobei sie anderen – Notenbanken und Regierungen – die Schuld geben.

3. Sie beginnen zu feilschen und versuchen Licht am Ende des Tunnels zu sehen, indem sie die Märkte wieder steigen lassen, weil sie günstige Einstiegsgelegenheiten sehen.

4. Nach der Enttäuschung, dass sich der Markt nicht nachhaltig drehen lässt, stürzen die Anleger in eine Depression.

5. Erst, wenn man sich abgefunden hat, dass man nichts mehr ändern kann, folgt die letzte Phase: Die Akzeptanz.

Was heißt das für uns aktuell?

Auf die aktuelle Situation bezogen bedeutet das, dass wir uns in Phase drei befinden. Viele Anleger und insbesondere die Robinhood-Trader möchten noch nicht wahrhaben, dass die Corona-Krise und die grundlegenden Ungleichgewichte nicht mit ein paar Konjunkturmilliarden der Regierungen beendet ist. Der Schaden ist auf der einen Seite so tiefwiegend, dass man kein Krisenprophet sein muss, um dennoch pessimistisch in die Börsenzukunft zu blicken. Auf der anderen Seite haben erst wenige Marktteilnehmer akzeptiert, dass viele der Blue Chips ihre beste Zeit hinter sich haben und nun sehr schwere Zeiten für DAX und Co. anbrechen.

Auch der Finanzhistoriker Russell Napier kommt in seiner Analyse zu Börsen-Chrashs zu einem Ergebnis, das die Theorie der Trauerphasen unterstützt. Demnach enden Abschwünge in der Regel nicht, wenn die Panik um sich greift und jeder das Ende kommen sieht. Auch nicht, wenn die ersten Anleger wieder in den Markt einsteigen. Vielmehr erreichen Bärenmärkte ihren Boden, wenn vollkommende Gleichgültigkeit unter den Anlegern herrscht. Jedenfalls treffen diese Beobachtungen ziemlich gut auf die größten Börsen-Crashs des letzten Jahrhunderts zu und würden darauf hindeuten, dass uns noch eine gravierende Talfahrt bevorsteht.

Kommt Zeit, kommt Inflation?

Wann die Börse einbricht oder wann es zu einer Inflation kommt, kann niemand genau vorhersagen. Die Annahme, dass eine Geldmengenausweitung geradezu linear zu einer Inflation führt, ist inzwischen überholt, wie Prof. Dr. Christian Rieck sehr verständlich in seinem Youtube-Kanal erklärt. Vielmehr wird sich die Inflation in Anlehnung an die Qualität der Notenbankenforderungen entwickeln. Vereinfacht bedeutet das, dass eine Inflation erst eintritt, wenn die Forderungen der Notenbanken, also beispielsweise Anleihen, in ihrer Werthaltigkeit fallen. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn Anleihen ausfallen, die für Notenbankgeld von Staaten und Unternehmen hergegeben wurden.   

Da Notenbanken ihre Bilanzen für immer schlechtere Assets öffnen, ergo Ramschanleihen kaufen, ist dies unter Umständen die wichtigste Beobachtung, um von einer langfristigen Inflation auszugehen. Ebenfalls die Aufstockung der Goldreserven, die seit vielen Jahren bei den Notenbanken auf dieser Welt stattfinden, sprechen für eine hohe Inflationswahrscheinlichkeit in der Zukunft.

Der enorme aktuelle Deflationsdruck und die Lehren aus der Japanifizierung – Japan versucht seit rund drei Jahrzehnten, Inflation zu erzeugen und schafft es nicht – machen ein unmittelbare hohe Inflation trotzdem vorerst eher unwahrscheinlich.

Bitcoin und Gold: Keine Rendite, aber Sicherheit

Gold und Bitcoin sind aus Renditesicht sehr schlechte Anlageformen, da sie im Gegensatz zu Unternehmen oder Immobilien überhaupt keine Rendite erwirtschaften. Während man bei Unternehmen Dividenden kassiert und bei Immobilien Mieteinnahmen, sind Gold und Bitcoin gänzlich unproduktiv. Nicht umsonst sprechen einige Investoren Gold und Bitcoin einen intrinsischen Wert ab.

Dennoch sollte Bitcoin und Gold in keinem Portfolio fehlen. Ihr Nutzen, sprich die Wertspeicherfunktion, ist die Versicherung gegen Entwertung. Genauso wie jeder Autofahrer eine Kfz-Haftpflichtversicherung braucht, sollte jeder Anleger Gold und Bitcoin als Versicherung in seinem Portfolio haben. Auch wenn sich niemand einen Crash oder eine massive Geldentwertung wünscht respektive wünschen sollte, müssen wir uns den Risiken bewusst sein. Im Jahr 2020 noch ohne „Versicherung“ an den Börsen unterwegs zu sein, ist geradezu verantwortungslos gegenüber seinem Ersparten.  

Disclaimer: Es handelt sich hierbei ausschließlich um die persönliche Meinung des Autors. In keinster Weise stellt dies eine Anlageberatung oder Empfehlung dar.

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