Von der Wand zur Wallet Zwischen Ghetto und Galerie: Streetart-NFT erreichen den Kunstmarkt

Der NFT-Trend versetzt Berge – oder im Fall von Kiwie zumindest Wände. Der lettische Streetart-Künstler wagt den Widerspruch und digitalisiert Graffiti-Kunst als Non-fungible Token.

Moritz Draht
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Sprüher besprüht eine Wand mit einer Sprühdose

Beitragsbild: Shutterstock

NFTs haben eine Tür geöffnet. Kunst, Musik, Digital Collectibles, Urkunden oder sogar Tweets: Es gibt kaum etwas, dass sich nicht in digitaler Token-Form abbilden lässt. Künstler wie Käufer sind dabei Teil eines breiten Sozialexperiments, dass Werte und Wertschätzung an die Anforderungen und Möglichkeiten eines digitalisierten Zeitalters anpasst. Dazu tragen Künstler wie Kiwie bei, die die Vorhut am unentdeckten NFT-Sektor bilden und dabei auf einen Nachahmereffekt unter Gleichgesinnten hoffen.

Von der Wand in die Wallet

Gebäudereinigern ist er schon lange ein Dorn im Auge: Seit 2015 verziert der lettische Streetart-Künstler Kiwie Hauswände mit seinen “Fat Monster”-Motiven und hat sich dabei einen Ruf in der Kunstwelt erarbeitet. Mittlerweile füllt der Künstler Galerien im Alleingang. Spätestens durch das 800 Quadratmeter große und 1.500 Farbdosen verschlingende Graffiti-Werk “Sun, Thunder and Daugava”, dass das größte baltische Wandbild seiner Zeit darstellt, hat der Künstler zur Streetart-Elite eines Banksy aufgeschlossen. Sein Monster-Markenzeichen hat es auf über 1.000 Wände und Mauern geschafft.

Ohne Hammer und Brechstange war es zwar bislang unmöglich, eines dieser “Fat Monster” mit nach Hause zu nehmen. Wer es nicht bei einem Foto belassen möchte, hat jedoch bald die Gelegenheit, ein Stückchen Streetart-Geschichte zu erwerben. Über den NFT-Marktplatz Rarible verkauft Kiwie die Monster-Motive ab dem 13. April in Token-Form.

Insgesamt 1.001 Streetart-Bilder werden in diesem Mammutprojekt zunächst digitalisiert und im Anschluss als NFT gemintet. Die Käufer erhalten im Gegenzug eine Sammelkarte, auf der die Informationen und Besitzrechte gespeichert sind, und dürfen sich fortan als Eigentümer der entsprechenden Bilder schimpfen. Im Monatstakt sollen so je 5 NFT unter den virtuellen Hammer kommen.

Streetart-NFT zwischen Ghetto und Galerie

Für den möglichen Fall, dass die “echten” Motive Randalierern oder Sanierungsarbeiten zum Opfer fallen, geht der NFT in eine “Ghost Version” über. Die “Geisterversion” ist mit der vorigen identisch, nur dass der NFT eben keine existente Vorlage mehr repräsentiert. Die Kurzlebigkeit der Bilder lässt sich per Blockchain in NFT-Form verewigen.

Daran wird der Widerspruch deutlich, den Kiwie mit seiner Serie aufzulösen versucht. Denn Streetart ist als Ausdruck einer Untergrund-Kultur unverkäuflich, subversiv und stilisiert sich dafür als bildhafter, ironischer Kommentar auf den Kunstbetrieb. Kaum eine Subgattung fremdelt so sehr mit dem Markt wie die Graffiti-Kunst – und macht es für Künstler entsprechend schwer, von ihren Werken zu leben.

Ob sich die Token für Käufer auszahlen, ist zwar fraglich. Doch bei Projekten wie dem von Kiwie geht es ohnehin um mehr als nur Rendite. Das übergeordnete Ziel ist eine gerechte Vergütung für “gesichtslose” Künstler, die keine Lobby haben. Der Ansatz, den Kiwie “auf der Suche nach neuen Ideen” nun verfolgt, mag daher überraschen, entspricht aber gleichzeitig dem Ethos, dem sich die Guerilla-Künstler verschrieben haben: Vermögensverteilung statt Reichtum.

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