Das Interview erschien zuerst in der Kryptokompass-Ausgabe Januar 2020.
BTC-ECHO: Du bist in den letzten Monaten als sogenannter Krisenprophet, nicht zuletzt durch dein Buch, bekannt geworden. Was sind für dich die drei Hauptfaktoren, warum du einen Crash für unausweichlich hältst?
Marc Friedrich: Erstens ist die weltweite Verschuldung auf einem absoluten Rekordniveau – sie hat sich seit der letzten Finanzkrise 2008 verdoppelt und beträgt aktuell 255 Billionen US-Dollar.
Zweitens haben wir in den letzten zehn Jahren die längste Wachstumsphase in der westlichen Welt gesehen. In den USA sind das mittlerweile 126 Monate. Rein wirtschaftshistorisch betrachtet: Nach einer Boomphase ist bisher immer eine Phase der Rezession gekommen. Eine weitere Rezession wird der Euro nicht überleben. Schließlich haben wir jetzt bereits eine Nullzinsphase. Um den letzten Abschwung abzufangen, mussten die Zinsen im Schnitt um fünf Prozent gesenkt werden – zum jetzigen Zeitpunkt hätten wir also Zinsen von minus fünf Prozent. Das würde entweder Bankruns provozieren oder der Abschaffung von Bargeld Vorschub leisten.
Drittens sehen wir jetzt schon wieder, dass die Notenbanken, obwohl es ja angeblich so gut läuft, die Zinsen weiter senken. Trotz steigender Börsenkurse am S&P 500 und einem Präsidenten, der twittert, wie grandios es der amerikanischen Wirtschaft geht. Allein dass die US-Notenbank erst kürzlich 300 Milliarden US-Dollar in den Repo- Markt gepumpt hat, stimmt mich ziemlich kritisch. Aber auch die EZB injiziert seit November wieder 20 Milliarden Euro pro Monat – läuft also.
Und viertens muss ich erwähnen, dass Währungsunionen in der Vergangenheit immer gescheitert sind; dieses Schicksal wird auch dem Euro nicht erspart bleiben. Es ist wirtschaftlicher Unsinn, starke Volkswirtschaften wie Deutschland und Österreich in dasselbe Währungskorsett zu zwingen wie schwache Wirtschaften wie etwa Griechenland. Das Einzige, was wir erleben, ist eine Art gigantische Insolvenzverschleppung und Schadensmaximierung – nicht nur monetär, sondern auch politisch und gesellschaftlich.
Ich bin jetzt noch lange nicht am Ende, da es noch viele weitere Gründe für einen Crash gibt. Es auf drei Hauptfaktoren zu beschränken, hat ja auch nicht so ganz geklappt [lacht].
BTC-ECHO: Für wie wahrscheinlich bewertest du ein Bitcoin-Verbot, wenn eine krisenbedingte Kapitalflucht gen Krypto eintreten sollte? Auch wurde erst kürzlich Unternehmen in Dänemark erlaubt, ihren Mitarbeitern Investitionen in Kryptowährungen zu untersagen. Ist das erst der Anfang?
Marc Friedrich: Als ich die Nachricht gelesen hatte, musste ich erst mal lachen. Mitarbeitern eines Unternehmens, egal welcher Branche, vorzuschreiben, worin sie privat investieren, ist einfach nur unsinnig. Kein Staat kann Bitcoin verbieten. China und die USA haben es bereits versucht – und sind damit gescheitert. Man mag den Handel verbieten können, aber irgendwo auf der Welt wird es immer möglich sein, Bitcoin zu kaufen oder zu verkaufen.
Bei zentralisierten Systemen wie Libra ist das anders. Ich habe von Anfang an gesagt, dass Libra scheitern wird. Keine Regierung der Welt lässt sich ihr Privileg auf die Geldschöpfung leichtfertig wegnehmen. Libra ist insofern das krasse Gegenteil von Bitcoin, da es eine zentralistische Kryptowährung ist. De facto ist es tokenisiertes Fiatgeld. Bitcoin hingegen ist dezentral, zensurresistent und nicht manipulierbar. In kurz: Bitcoin lässt sich nicht verbieten.
BTC-ECHO: Wie viel Prozent sollten Kryptowährungen in einem durchschnittlichen Portfolio ausmachen? Wie viel davon in Bitcoin?
Marc Friedrich: Mit unserer Vermögensberatung empfehlen wir bereits seit 2013, Bitcoin ins Portfolio aufzunehmen. Damals waren die Kurse noch bei 80 bis 90 Euro – so konnten wir doch dem ein oder anderen in die finanzielle Unabhängigkeit verhelfen. Damals waren es etwa drei Prozent des Portfolios, 2015 dann fünf, aktuell sieben Prozent des Gesamtportfolios, das man spekulativ in Kryptowährungen investieren könnte.
Das Kernfundament des Krypto-Portfolios bildet dabei Bitcoin. Wir sagen mindestens 80 Prozent BTC und max. 20 Prozent Altcoins. Einfach weil Bitcoin der erste Coin war, etabliert ist und funktioniert. Darüber hinaus gibt es noch eine Handvoll anderer Coins, in die man investieren kann; die sollten aber immer einen Mehrwert – einen Use Case – haben. Da kann man vielleicht über Ethereum, Monero, Dash oder zCash reden. Aber der Rest vom Fest: weg damit!
BTC-ECHO: Du sprichst dich vor allem für Sachwerte zur Vermögensanlage aus. Wie stehst du zu tokenisierten Immobilien oder Gold?
Marc Friedrich: Das ist schon spannend. Bei einigen Projekten bin ich selbst auch als Berater tätig. Das ist eine gigantische Chance und natürlich wird die Zukunft digital sein – sowohl das Geldsystem als auch Investments werden zunehmend digitalisiert. Die meisten Menschen können sich als Diversifikation ihres Portfolios keine Immobilie leisten; durch Tokenisierung kann man zukünftig aber einen Teil von Sachwerten wie Immobilien oder Kunstwerken besitzen. Das ist eine riesige Chance für Menschen mit einem geringen Vermögen, Diversifikation zu betreiben, den Finanzmarkt zu demokratisieren und teure Zwischenhändler zu umgehen.
BTC-ECHO: Du thematisierst in deinem Buch ein mögliches Goldverbot. Wären nicht gerade hier goldgedeckte Token ein sinnvolles Investment, da man Token auch in einer nicht regulierten Umgebung handeln kann?
Marc Friedrich: Möglich ist es. Die Gretchenfrage ist nur: Wo liegt das Gold? Liegt das Gold in einem Land, in dem das Halten von Gold verboten ist, dann ist es keine gute Idee, Gold-Token zu halten. Und selbst wenn das fragliche Gold in einem sicheren Drittland liegt, ist man als Investor abhängig. Die Grundregel für den Besitz von Sachwerten ist der physische Besitz des Gutes. Bevor man also Token auf Gold kauft, sollte man erst einmal eine physische Goldmünze besitzen. So schaltet man das Drittparteienrisiko aus und hat direkten Zugriff auf den Wertgegenstand. Als Ergänzung kann man natürlich über den Kauf von tokenisierten Assets nachdenken.
BTC-ECHO: Die deflationäre Beschaffenheit von Bitcoin wird vom bevorstehen Halving verstärkt. Wie schätzt du noch zukünftige Preiseffekte des Halvings auf den Bitcoin-Kurs ein, wie sehr ist dieses schon eingepreist?
Marc Friedrich: Ich war eigentlich immer – wie alle anderen auch – bullish. Wenn aber jeder bullish ist, ist das kein guter Indikator. Dann kommt es oftmals anders. Ich denke, dass sich das Halving zeitverzögert auf den Kurs auswirken wird. Eingepreist ist das Halving aber keinesfalls, das zeigen alle Modelle [hier wird unter anderem Bezug auf das Stock-to-Flow-Modell und BEAM genommen, Anm. d. Red.]. Daher haben wir aktuell definitiv Kauf-Kurse. Aber wie es so ist bei Bitcoin, kann es auch nochmals nach unten sacken. Aus diesem Grund sollte man antizyklisch schrittweise in Bitcoin investieren, um einen guten Durchschnittspreis zu erhalten. Das Halving wird sich auf den Kurs auswirken – allerdings erst später: ein halbes Jahr, ein Jahr oder sogar erst Ende 2021. Ich würde aktuell eher zur Besonnenheit raten. Lieber einen Sparplan machen, etwas aufstocken und dann einfach mal abwarten. Nach spätestens 3,8 Jahren ist jedes Bitcoin-Investment im Plus. Man muss jetzt den Fuß in der Tür haben – das ist eine einmalige Chance.
BTC-ECHO: Welche Motivation siehst du hinter den Bestrebungen, dass auf einmal alle Währungsräume eine eigene digitale Zentralbankwährung anstreben?
Marc Friedrich: Das wird kommen. Die Vorteile für die Notenbanken liegen auf der Hand. Meiner Ansicht nach geht es vor allem darum, Negativzinsen zu installieren, um eine Krise abzuwenden. Negativzinsen werden allerdings nicht mit Bargeld funktionieren, da die Leute anfangen werden, ihr Geld von der Bank zu nehmen. Um das zu verhindern, wird man Bargeld abschaffen und durch digitales Geld ersetzen. Griechenland ist das beste Beispiel: Bürgerinnen und Bürger müssen ab dem nächsten Jahr 30 Prozent ihres Einkommens pro Monat digital bezahlen. Andernfalls droht eine Strafsteuer von 22 Prozent. Vordergründig mag es um Geldwäsche und Steuerhinterziehung gehen. In Wahrheit geht es aber um Kontrolle, Überwachung, Enteignung und Erhalt des ungerechten Fiatgeldsystems.
Kein Staat der Welt wird sich das Privileg der lukrativen Geldschöpfung wegnehmen lassen. Libra ist zentralistisch und als Stable Coin nichts anderes als die digitale Abbildung des ohnehin schon maroden Fiatgeld-Systems. Libra wird es weder in den USA noch in China hinbekommen, eine Genehmigung zu erhalten. In Afrika ist das etwas anderes. Dort könnten sogenannte Unbanked People von Libra & Co. durchaus profitieren.
BTC-ECHO: Zum Abschluss der geliebte Blick in die Glaskugel: Wo steht der Bitcoin-Kurs Ende 2020 bzw. zum Jahreswechsel 2021?
Marc Friedrich: Zwischen 30.000 und 40.000 US-Dollar.