Revolution oder Dystopie? Worldcoin: So will der ChatGPT-Erfinder Krypto noch 2023 massentauglich machen

Digital-ID, Krypto-Bezahlapp, bedingungsloses Grundeinkommen: Worldcoin will all das verbinden – und startet bald. Doch Kritiker sind alarmiert.

Giacomo Maihofer
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Worldcoin

Beitragsbild: Picture Alliance

| Erst OpenAI, jetzt Worldcoin: Sam Altman hat große Pläne

Die Vision klingt wild. Eine App für alles. Mit ihr soll man in Zukunft gebührenfrei mit Krypto bezahlen, seine Identität fälschungssicher nachweisen. Und sogar: ein bedingungsloses Grundeinkommen beziehen. Das ist Worldcoin. Eines der vielleicht ambitioniertesten Krypto-Ökosysteme der letzten Jahre. Dahinter steht: Sam Altman, der Gründer und CEO von ChatGPT. Die KI ist der am schnellsten wachsende Internetdienst aller Zeiten. Auch hochrangige Investoren setzen auf Worldcoin, u.a. Andressen Horrowitz und Coinbase.

Die These hinter dem Projekt: In wenigen Jahren werden Automatisierung und Künstliche Intelligenz die Wirtschaft komplett verändern. Von der Medizin bis zum Journalismus: In vielen Branchen werden Menschen zunehmend durch intelligente Maschinen ersetzt. Das prognostizieren Experten seit Jahren. Bis zu 80 Prozent der Arbeitsplätze könnten verloren gehen. Andererseits wird es laut Altman durch KI zu einem Boom der Produktivität kommen. Die Stiftung hinter Worldcoin spricht von einer “Ära des Überflusses”. Ihr Anliegen: diesen wieder an die Menschen verteilen, über ihr System. Worüber Staaten seit Jahren diskutieren, will Sam Altman über Krypto einführen: Ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Worldcoin baut auf Optimism auf, einer Layer2-Lösung für Ethereum. Die dazugehörige World-App verspricht gebührenfreie Transaktionen mit FIAT oder Krypto. Sie hat scheinbar auch den Ethereum Name Service integriert. Das heißt: Sie ist offen für dApps aus dem Ökosystem. Der Code soll Open Source bleiben. Gegründet wurde das Projekt 2019, seit 2022 ist es in einer Testphase, launchen will man noch im Sommer 2023. Ein positives Signal, die Tokenomics: 80 Prozent der Coins will man an die Gemeinschaft verteilen, jeweils 10 Prozent behalten das Team und Investoren für sich. Doch die Sache hat einen großen Haken.

Schau mir in die Augen, Kleines

Wer bei dem utopischen Projekt mitmachen will, muss seine Iris von einer Maschine abscannen lassen, Orb genannt. Diese sollen an Universitäten und Supermärkten aufgestellt werden und prüfen, ob eine Person echt und einzigartig ist. Die Augen werden zum Ausweis der Menschlichkeit in einer KI-dominierten Zukunft. “Da keine zwei Menschen das gleiche Irismuster haben und diese Muster nur sehr schwer zu fälschen sind, kann der Orb Menschen genau voneinander unterscheiden, ohne dass er weitere Informationen über sie sammeln muss – nicht einmal ihren Namen“, heißt es seitens Worldcoin.

Mit den Daten wird ein “IrisHash” erzeugt, der lokal im Orb gespeichert wird. Laut Worldcoin wird der Code nie weitergegeben, sondern nur überprüft, ober der Hash schon in der Datenbank existiert. Dazu verwendet das Unternehmen nach eigenen Angaben eine neuartige kryptografische Methode zum Schutz der Privatsphäre, den Zero-Knowledge-Proof. Wenn der Algorithmus keine Übereinstimmung findet, hat die Person die Einzigartigkeitsprüfung bestanden und kann die Registrierung mit einer E-Mail-Adresse, einer Telefonnummer oder einem QR-Code fortsetzen, um seine Worldcoin-Wallet einzurichten. All das soll in Sekundenschnelle geschehen.

Worldcoin löst so gleich zwei weitere Probleme: Menschen lassen sich mit dieser Methode klar von Maschinen unterscheiden, was im digitalen Raum immer wichtiger werden wird. Und man garantiert eine stärkere Privatsphäre als gegenwärtige Lösungen. Denn sollte sich das System durchsetzen, müsste man nicht mehr überall seine Daten angeben, sondern nur den “Iris Hash”.

Worldcoin soll bereits Gesetze gebrochen haben

So zumindest in der Theorie. Denn laut den aktuellen Geschäftsbedingungen werden die Daten der Nutzer durchaus gespeichert, sofern sie einwilligen. Das soll später nicht mehr nötig sein, beteuert das Unternehmen. Die KI zur Iriserkennung müsse erst gut genug trainiert werden. Doch auch ein Bericht des MIT Technology Review wirft Fragen auf. So soll Worldcoin seine ersten halbe Millionen Nutzer vor allem in Schwellenländern mithilfe von fragwürdigen Methoden rekrutiert haben.

Vertreter des Unternehmens sollen “mehr personenbezogene Daten” gesammelt haben, “als sie zugaben”. Außerdem hätten sie “versäumt, eine sinnvolle Zustimmung” bei ihren Testnutzern einzuholen. Stattdessen habe man arme Menschen mit Versprechen von Reichtum gelockt und getäuscht, um an ihre biometrischen Daten zu kommen. Das MIT meint: Worldcoin könnte sogar gegen geltende Datenschutzgesetze verstoßen haben.

Auch die Geschichte rund um OpenAI sollte einen vorsichtig stimmen. Das führende KI-Unternehmen startete mit großen Idealen als Non-Profit-Unternehmen. Viel übrig geblieben ist davon nicht. Seit dem Milliardendeal mit Microsoft fokussiert man sich auf eine Hyperkommerzialisierung der Software, beginnend mit Verkäufen von GPT-Lizenzen und Premium-Zugängen.

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