Cardano-Gründer Hoskinson “Die Identitätskriege beginnen”

Datenmissbrauch, Identitätsdiebstahl: Die Digitalisierung birgt große Herausforderungen. “Identitätskriege” scheinen für Charles Hoskinson unausweichlich.

Moritz Draht
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Cardano-Gründer Charles Hoskinson.

Beitragsbild: BTC-ECHO

| Cardano-Gründer Hoskinson ist großer Befürworter von Open-Source

Identitätsnachweise im Internetzeitalter stellen den Verbraucherschutz vor große Herausforderungen. Wie lassen sich persönliche Daten schützen und kontrollieren, wenn gleichzeitig immer mehr Informationen von Plattformen gesammelt werden? Und wie lassen sich die Gefahren von Identitätsdiebstählen minimieren, wenn Cyberbedrohungen zunehmen? Das Schlüsselkonzept lautet Self Sovereign Identities (SSI) – Selbstbestimmte oder auch dezentrale Identitäten – digitale Fingerabdrücke im Besitz der Nutzer. SSIs sind einer der größten Anwendungsfälle der Blockchain-Technologie. Laut Cardano-Gründer Charles Hoskinson einer der bedeutendsten in den nächsten Jahren. Aber auch einer, der anfällig für Etikettenschwindel ist.

Cardano-Gründer erwartet “Identitätskriege”

Hoskinson zufolge werde die Entwicklung dezentraler Identitäten “in den nächsten 24 Monaten einer der wettbewerbsintensivsten Bereiche” sein. “Die Smart-Contract-Kriege sind vorbei”, so der Ethereum-Mitgründer auf einer Podiumsdiskussion von Messari. “Die Identitätskriege müssen erst noch beginnen, und das wird ein großer Kampf werden.” Identitätskriege – weniger martialisch gehts für Hoskinson scheinbar nicht, der den Konflikt am schmalen Grat zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung verortet.

Dass dezentrale Identitäten auch hinreichend dezentral sein sollten, ist laut Hoskinson keine Selbstverständlichkeit. “Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die beginnen, sich auf subtile Art und Weise in diesen Bereich einzumischen, und weil sie wissen, dass dies der Knackpunkt ist und sie ihn wirklich kontrollieren wollen, müssen wir zum Wohle der Branche sicherstellen, dass derjenige, der gewinnt, dezentralisiert ist.”

Eine Frage der Definition

Als Leitbegriff ist Dezentralität nicht unproblematisch, die Trennlinie zwischen zentral und dezentral äußerst unscharf. Gemeinsamer Nenner hierbei scheint eine möglichst hohe Kontrolle über personenbezogene Daten, erklärt Benedikt Faupel, Bereichsleiter Blockchain beim Digitalverband Bitkom, gegenüber BTC-ECHO: “Durch Dezentralität bei der Verwaltung der eigenen Identität bietet SSI die Möglichkeit, eine größere Unabhängigkeit von zentralen Dienstleistern zu ermöglichen und eine Verbesserung der Privatsphäre der Nutzenden zu erreichen”. Fernab ideologischer Grundsatzdebatten über die Ausbreitung globaler Internetkonzerne in der Privatsphäre wird mit Dezentralität zunächst ein pragmatischer Ansatz verfolgt: den Schutz von Verbrauchern vor Datenmissbrauch.

“Eine Möglichkeit bietet hierbei die Blockchain-Technologie”, führt Faupel aus, “mit der Informationen als Transaktionen manipulationssicher abgespeichert werden können“. Als betrugssichere Datenbank scheint die Blockchain-Technologie prädestiniert für die SSI-Verwaltung. Auch, weil sich Daten austauschen und weiternutzen lassen, etwa zur Monetarisierung von Gesundheitsdaten. Im Rahmen der “European Blockchain Service Infrastructure” (EBSI) protegiert die EU-Kommission mit dem “European Self-Sovereign Identity Framework” (ESSIF) entsprechende Infrastrukturprojekte. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt Schaufensterprojekte in dem Bereich.

Aber: Wie ausreichend dezentralisiert ist eine (über)staatliche Blockchain-Lösung? Oder ist sie es sogar mehr als die eines Privatanbieters? Eine Frage der Definition. Hinter Netzwerken wie Cardano oder Ethereum stehen letztlich wirtschaftliche Interessen. Nicht nur die der Stiftungen und Partner. Auch die derjenigen, die für die Absicherung eines Blockchain-Netzwerks verantwortlich sind, seien es Validatoren oder Miner. Auch über die Art, wie sich Blockchains absichern, lässt sich hinsichtlich Dezentralität streiten.

Entwicklung in Bahnen lenken

Definitorische Spitzfindigkeiten beiseite: Bislang verharren dezentrale Identitäten in der Findungsphase. Trotz vieler potenzieller Anwendungsbereiche, etwa für Bildungszertifikate, Lieferketten oder im Gesundheitswesen, ließen sich technische und regulatorische Hürden, die die breite Einführung von Self-Sovereign Identities blockieren, nicht aus dem Weg räumen. Auch deshalb erwartet Benedikt Faupel die ersten Praxisbeispiele aus der Wirtschaft: “Anwendungen von SSI in der Praxis werden trotz der herausfordernden rechtlichen Rahmenbedingungen wahrscheinlich vermehrt in den Bereichen der Wirtschaft genutzt werden, wo Maschinen als Teil des Internet-of-Things miteinander kommunizieren müssen”. Für diese Daten gelten “weniger strenge gesetzliche Bestimmungen als für hoheitliche Dokumente”. Daher “bieten sich diese Anwendungsfelder an”, meint Faupel.

Dass sich die “Identitätskriege” in den nächsten zwei Jahren entscheiden, wie Hoskinson es prophezeit, scheint mit Blick auf bisherige Umsetzungen übertrieben. Sehr wohl werden aber die Weichen für künftige Anwendungen und damit die Frage gestellt, wie viel Raum für Konzepte wie Dezentralität bleibt. Dieser Prozess könnte sich schleppen, gerade wenn an einheitlichen Lösungen gearbeitet und regulatorische Fragen vorab geklärt werden müssen. Dass SSIs im Alltag mit der Digitalisierung wichtiger werden, daran besteht für Faupel aber kein Zweifel: “Langfristig werden sicherlich auch die Identitäten, die mit personenbezogenen Daten verknüpft sind, eine immer größere Rolle spielen”.

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