Jeder noch so verrückten Idee wurden 2021 Millionen und Milliarden unter dem Label des Metaversums hinterhergeworfen. Der Tenor: Es wird das neue 3D-Internet. Eine Billionen-Dollar-Wirtschaft.
Bewahrheitet hat sich davon bisher: nichts. Im Gegenteil. Metaverse-Plattformen wie The Sandbox oder Axie Infinity locken kaum Nutzer an. Der große Wurf von Meta (früher Facebook) lässt auf sich warten. Ist der Traum vom virtuellen Paradies schon geplatzt?
Der größte europäische Digital-Vermögensverwalter Coinshares veröffentlichte kürzlich einen kritischen Bericht zum aktuellen Stand des Metaverse. Ein Gespräch mit zwei Autoren, Matt Shannon und James Butterfill.
BTC-ECHO: Haben Sie die Hype-Erzählung um das Metaverse geglaubt oder waren Sie von Anfang an skeptisch?
Max Shannon: Ich denke, dass das Metaverse im Moment eher ein Konzept als eine Realität ist. Es passt perfekt in den Hype-Zyklus von Gartner. Die Erwartungen waren auf dem Höhepunkt. Jetzt sind wir in einem Tal der Desillusionierung. Wir werden in Zukunft eine Reihe von Unternehmen sehen, die pleite gehen. Die Menschen sind verwirrt darüber, was das Metaverse eigentlich sein soll.
James Butterfill: Es gibt eine Menge von Inhalten zum Metaverse, die viel zu missionarisch sind. Man sollte mit einer gesunden Portion Skepsis an die Sache herangehen. Das haben wir schon bei anderen Technologien gesehen, zum Beispiel beim frühen Internet im Jahr 1996. Es gab wirklich überzeugende Konzepte, aber keine wirkliche Benutzerbasis. Doch viele Kritiker wurden am Ende eines Besseren belehrt. Das Metaverse ist ein langfristiges Investitionskonzept. Es muss eine umfangreiche Infrastruktur aufgebaut werden, und die Benutzer benötigen eine Menge Hardware. Dennoch ist es falsch, es komplett zu verwerfen.
BTC-ECHO: Wenn es so schwierig zu bauen ist, warum brauchen wir es dann? Abgesehen vom Profit: Wie kann das Metaverse der Gesellschaft nützen?
James Butterfill: Wir leben zunehmend in der digitalen Welt. Wir schauen Netflix, nutzen Google und arbeiten aus der Ferne. Unser Geld ist größtenteils digital, egal ob es sich um Bitcoin oder den Euro handelt. Das gilt umso mehr für die jüngere Generation. Mein Sohn ist ein gutes Beispiel dafür. Er hat einen Fortnite-Skin für 200 US-Dollar gekauft und ihn ein Jahr später für das Doppelte verkauft. Das ist ein Teil ihres Alltags. Das Metaverse ist nur der nächste Schritt auf dieser Reise. Ob das nun gut oder schlecht ist, will ich nicht beurteilen.
Max Shannon: Jedes soziale Medium, in dem wir uns bewegen, hat seine eigenen allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es handelt sich um eine Art isolierte Infrastruktur im Internet. Damit ein Metaverse der Gesellschaft nützt, muss es offen, dezentral, sicher, interoperabel und im Besitz der Nutzer sein.
BTC-ECHO: Mit Meta (ehemals Facebook) als potenziellem Vorreiter dieser Entwicklung besteht die Angst, dass eine dystopische Version des Metaversums unsere Realität wird: Alles, was wir tun und fühlen, wird nachverfolgt und an die Algorithmen weitergegeben, so dass wir mehr oder weniger zur digitalen Beute für die Gewinne der Unternehmen werden. Ist das nur übertriebene Hysterie oder ist das für Sie eine echte Sorge?
Max Shannon: Ich denke, das ist eine sehr berechtigte Befürchtung. Öffentliche Umfragen zeigen: Die Verfolgung und Nutzung persönlicher Daten ist eine der größten Sorgen, die die Menschen haben. Ein weiteres Thema ist Mobbing und psychische Gesundheit. Meta hat fast zwei Milliarden aktive Nutzer. Mit 80 Prozent Anteil hat es auch den Markt für VR-Headsets in der Hand. Sie könnten die virtuellen Erfahrungen kontrollieren, die Menschen machen.
BTC-ECHO: Das Metaverse, das Sie sich vorstellen, muss interoperabel sein. Das heißt: Man muss die Dinge, die man digital besitzt, in andere virtuelle Welten mitnehmen können. Das ist ein großes technisches Problem. Sehen Sie irgendwelche positiven Durchbrüche?
Max Shannon: Ich denke Blockchain-Brücken sind der wichtigste Durchbruch. Sie ermöglichen es, Vermögenswerte, Token und Daten in verschiedene Ökosysteme zu übertragen.
BTC-ECHO: Viele Sicherheitsexperten warnen, dass Brücken ein großes Risiko darstellen. Zwölf von ihnen wurden dieses Jahr gehackt, zwei Milliarden US-Dollar gestohlen. Die meisten sagen: Das wird so weitergehen, denn Brücken sind schwieriger zu schützen als herkömmliche Smart Contracts. Ist das wirklich der Weg in die Zukunft?
James Butterfill: Bei neuen Technologien gibt es häufig Sicherheitslücken. In der Kryptobörsen-Branche gab es anfangs eine Menge sehr kostspieliger Hacks, zum Beispiel bei Mt. Gox im Jahr 2014 (Anmerkung der Redaktion: 800.000 Bitcoin wurden damals gestohlen). Die Börsen reiften mit der Zeit, implementierten Schutzmechanismen. Jetzt passiert so etwas nur selten. Ich bin optimistisch, dass wir mit Brücken eine ähnliche Entwicklung erleben werden.