Das Verbotsdrama um Tornado Cash Schlag gegen Cyberkriminelle – oder Kriegserklärung gegen Privatsphäre?

Das US-Verbot von Tornado Cash ist ein “Wendepunkt der Internetgeschichte”. Und erhitzt die Gemüter. Das sind die Gründe.

Giacomo Maihofer
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Tornado Cash

Beitragsbild: Shutterstock

| Nach dem US-Verbot von Tornado Cash fürchten Krypto-Nutzer um ihre Privatsphäre.

Die USA verbieten Tornado Cash, den populärsten Mixer im Krypto-Space. Es ist eine umstrittene Entscheidung – mit weitreichenden Konsequenzen. Einen “Wendepunkt der Internetgeschichte” nennt es der CEO von Circle, einem der populärsten Stablecoins. Dylan LeClair, Senior Analyst vom Bitcoin Magazin, ist noch drastischer. Auf Twitter kommentiert er: “Der Krieg gegen die Privatsphäre beginnt jetzt.” Die Entscheidung der US-Behörden wirft viele Fragen auf – und ein Schlaglicht auf einen wachsenden Konflikt zwischen staatlichen Regulatoren und Teilen der Krypto-Community.

Tornado Cash ist ein sogenannter Mixer. Offiziell dienen sie der Privatsphäre. Nutzer können ihre Kryptowährungen an einen Pool schicken. Der mischt diese und schickt sie im Zufallsverfahren an die jeweiligen oder andere Adresse zurück, abzüglich einer kleinen Gebühr. Im besten Fall ist die Herkunft des geflossenen Geldes nicht mehr nachzuvollziehen. Tornado Cash ist die populärste Plattform dieser Art.

Die OFAC, ein Arm des US-Finanzministeriums, verkündete am Montagabend, den 8. August 2022: Sie setzt das Protokoll auf ihre schwarze Liste, gemeinsam mit allen Krypto-Adressen, die mit ihm assoziiert sind. US-Bürgern droht eine strafrechtliche Verfolgung bei Nutzung.

Die Begründung: Tornado Cash werde vor allem von Verbrechern zur Geldwäsche genutzt, besonders russischen und nordkoreanischen Hackern. Und habe sich der Kooperation verweigert. Über sieben Milliarden US-Dollar sollen es laut OFAC seit der Gründung der Plattform im Jahr 2019 gewesen sein. Der US-Außenminister Anthony Blinken fügte hinzu: Man werde “aggressiv” gegen alle Mixer vorgehen, “die virtuelle Währungen für Kriminelle waschen”.

Sanktionen von Unternehmen folgten schnell

Die Verkündung setzte augenblicklich eine Kaskade eskalierender Maßnahmen in Gang. Stablecoin Circle frierte alle USDC ein, die mit Tornado Cash interagiert haben. Die Blockchain-Netzwerkanbieter Alchemy und Infura und die größte US-Kryptobörse blockieren das Protokoll. Und die größte Entwicklerplattform Github löschte sogar die Accounts von mehreren Tornado-Cash-Programmierern, darunter dem Gründer, Roman Semenov. Der antwortete auf Twitter mit der Frage: “Ist es jetzt illegal Open Code Software zu schreiben?”

Laut den Krypto-Experten Jerry Brito und Peter Van Valkenburg betritt das US-Finanzministerium mit der Entscheidung neuen Boden. Erstmals sanktioniere man keine Person oder Einrichtung, sondern einen Smart Contract, damit ein Stück Software – im Grunde einen “Roboter”: “Alle Amerikaner, die dieses automatisierte Instrument zum Schutz ihrer Privatsphäre bei Online-Transaktionen nutzen möchten, werden in ihrer Freiheit beschnitten, ohne dass sie ein ordentliches Verfahren erhalten.”

So nutzen Cyberkriminelle Mixer wie Tornado Cash

Nicht von der Hand zu weisen ist: Mixer sind in 2022 zur Anlaufstelle Nummer eins in Krypto für die Geldwäsche durch Cyberkriminelle geworden. Das belegen Zahlen des Datendienstleister Chainalysis. So verdoppelte sich mit dem gesamten Volumen auf der Plattform auch die Zahl an Adressen, die in illegale Aktivitäten verwickelt sind. Sie machen mittlerweile insgesamt fast ein Viertel aus.

Tornado Cash
Quelle: Chainalysis

Der Großteil dieser Geldwäsche-Aktivitäten geht auf das Konto der berüchtigten nordkoreanische Hackergruppe Lazarus, die jährlich mit ihren Raubzügen über eine Milliarde US-Dollar stiehlt. Das Geld soll direkt in das Atomwaffenprogramm von Kim Jong Un fließen. Lazarus nutze Tornado zur Geldwäsche nach einigen der aufsehenerregendsten Krypto-Raubzügen des Jahres, beispielsweise dem 615-Millionen-Dollar Hack auf “Axie Infinity”, dem größten DeFi-Diebstahl der Geschichte.

Tornado Cash
Quelle: Chainalysis

Für Empörung und Spott im Krypto-Space sorgen aber auch offensichtliche Falschmeldungen der US-Behörden. Die OFAC deklarierte mit sieben Milliarden US-Dollar einfach alle Transaktionen, die je auf Tornado Cash getätigt wurden, als illegal. Laut Blockchain-Analyseunternehmen Elliptic sind es 1,5 Milliarden US-Dollar, die auf Cyberkriminelle zurückgehen. Außenminister Anthony Blinken behauptete in einem Tweet, Tornado Cash werde von Lazarus selbst betrieben. Er löschte ihn später.

Außerdem kooperierte die Plattform im Mai 2022 mit den Behörden und setzte bekannte illegale Adressen auf eine schwarze Liste. “Die Wahrung der finanziellen Privatsphäre ist wichtig, um unsere Freiheit zu bewahren, aber sie sollte nicht mit dem Bruch von Gesetzen einhergehen”, erklärte das Tornado Cash Team. Und erntete viel Kritik.

Finanzielle Privatsphäre durch Mixer

Vor allem aber übersehen die US-Behörden, dass Mixer eine wichtige Funktion im Blockchain-Ökosystem erfüllen. Im Normalfall sind alle Transaktionen für jeden einsehbar. “Der Schutz der finanziellen Privatsphäre ist wichtig, insbesondere für Menschen, die unter repressiven Regierungen leben oder die aus anderen Gründen die Möglichkeit benötigen, legale Transaktionen anonym durchzuführen”, schreibt schon Chainalysis in seiner Studie zu Mixern. So erklärte auch der russisch-kanadische Ethereum-Gründer Vitalik Buterin, dass er Tornado Cash genutzt habe – und zwar bei seinen Millionenspenden an die Ukraine. “Meine Absicht war es, die Empfänger zu schützen, nicht mich selbst. Die russische Regierung kennt meine Positionen in der Ukraine-Frage ohnehin.”

Ein DeFi-Entwickler mit dem Twitter-Handle “Foobar” verwies nach Bekanntwerden der Entscheidung auf einen alten Tweet vom März 2022, der das Tornado-Cash-Verbotsdilemma auf den Punkt bringt: “Krypto stehe momentan an einem Scheidepunkt. Entweder entwickelt es sich in Richtung eines globalen CBDC-Panoptikums mit strengerer Überwachung und Zensur als das gegenwärtige Finanzsystem. Oder wir bekommen ein wirklich privates Finanzsystem, in dem Nutzer sich für verschiedene Ebenen der Freigabe von Transaktionsdaten entscheiden können.”

“EU-Bürger sind von den US-Sanktionen nicht betroffen”, twittert Krypto-Berater Patrik Hansen. “Aber Mixer werden im Rahmen der kommenden EU-Verordnung als Hochrisikotransaktionen gesehen. Sie abzuwickeln wird schwer, bedarf einer Rechtfertigung und muss der Finanzaufsicht gemeldet werden.”