Thomas Dünser von der liechtensteinischen Regierung zur Token-Regulierung: “Viele Staaten arbeiten daran, unser Modell bei sich umzusetzen”

Mit seiner progressiven Blockchain-Regulierung hat das Fürstentum Liechtenstein weltweit für Aufsehen gesorgt. Was die Motivation hinter dem neuen Blockchain-Gesetz ist, welche volkswirtschaftlichen Vorteile sich das Land dadurch erhofft und wo noch regulatorischer Handlungsbedarf besteht, hat uns Dr. Thomas Dünser, Direktor der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation im Fürstentum Liechtenstein, im Interview verraten.

Sven Wagenknecht
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Beitragsbild: Dr. Thomas Dünser

Durch die Verabschiedung des Blockchain-Gesetzes am 3. Oktober hat Liechtenstein international für Aufsehen gesorgt. Dass sich Liechtenstein zu einem Krypto-Hot-Spot in Europa entwickelt hat, ist einer Handvoll Personen und Unternehmen zu verdanken. Einer von ihnen, der von staatlicher Seite die Blockchain-Initiative vorangetrieben hat, ist Dr. Thomas Dünser. Als Direktor der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation im Fürstentum Liechtenstein hat er sich aktiv für die neuen Krypto-Rahmenbedingungen – das sogenannte Token- und VT-Dienstleister-Gesetz – eingesetzt.

BTC-ECHO: Wie würden Sie einfach verständlich, die Vorteile des neuen Blockchain-Gesetzes erklären?

Dr. Thomas Dünser: Mit dem Token- und VT-Dienstleistergesetz [VT bezieht sich auf den Betriff „Transaktionssysteme auf der Basis vertrauenswürdiger Technologien (VT)“] als technologieneutrale Umschreibung von Blockchain schaffen wir eine rechtliche Grundlage für die sogenannte Token-Ökonomie. Uns hat die Vision geleitet, dass die Token-Ökonomie viel mehr als Kryptowährungen oder Finanzdienstleistungen umfasst. Zu diesem Zweck haben wir eine Rechtsdefinition für den Token eingeführt, der alle heutigen und zukünftigen Anwendungen abdeckt. Wir wollen mit unserem Gesetz vor allem Rechtssicherheit für Kunden und Unternehmen gewährleisten: Rechtssicherheit im Umgang mit Token, aber auch im Umgang mit Dienstleistern, die zum Beispiel Token oder Schlüssel verwahren. Des Weiteren dient das Gesetz aber auch dazu, die Rechts- und Planungssicherheit für innovative Unternehmen zu stärken: Wir haben einen klaren Aufsichtsrahmen geschaffen und definieren damit die Leitplanken für Unternehmen in der Token-Ökonomie.

BTC-ECHO: Was war Ihr persönlicher Antrieb, sich für eine krypto-freundliche Regulierung einzusetzen?

Dr. Thomas Dünser: Ich durfte mich im Rahmen der Arbeitsgruppe der Regierung zum Thema Krypto und Blockchain im Jahr 2016 intensiv mit dieser Technologie beschäftigen. Uns ist damals relativ schnell klar geworden, welches Potential diese Technologie besitzt, unsere Welt in vielen Belangen zu verändern. Gleichzeitig habe ich gesehen, wie mühsam es für die Unternehmen ist, neue Anwendungen umzusetzen, mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben, weil die staatlichen Rahmenbedingungen unklar oder schlicht unpassend sind. Wenn Gesetze Innovation behindern, müssen wir als Vertreter von Regierungen handeln, und technologieneutrale und innovationsoffene Regulierungen schaffen.

Mich persönlich fasziniert die Blockchain-Technologie, weil sie es erlaubt, bekannte wirtschaftliche Tätigkeiten mit einer hohen Rechtssicherheit zu digitalisieren und damit völlig neu zu denken.

BTC-ECHO: Wie waren die Reaktionen nach der Verabschiedung des Blockchain-Gesetzes, gab es viele Anfragen – sowohl von der Medien- als auch von der Regierungsseite – aus dem Ausland?

Dr. Thomas Dünser: Bereits seit der Ankündigung des Gesetzesvorhabens ist die internationale Aufmerksamkeit relativ groß. Für viele Unternehmen bietet Liechtenstein mit dem Gesetz eine derzeit einzigartige Rechtssicherheit und unternehmerisch attraktives Ökosystem. Viele Staaten haben sich bereits intensiv mit unserem Gesetz beschäftigt und planen, ähnliche Regulierungen einzuführen. Dementsprechend ist auch die Nachfrage bei Medien durchaus vorhanden.

BTC-ECHO: Hören Sie noch oft die Aussage, dass es sich mit der Blockchain-Technologie um einen vorübergehenden Hype handelt?

Dr. Thomas Dünser: Ja, solche Aussagen höre ich immer wieder – wobei es immer weniger werden. Menschen, die so etwas behaupten, sehen aus meiner Erfahrung vor allem die Anwendungen von Kryptowährungen und Initial Coin Offerings. Ich erkläre ihnen dann, dass die Blockchain-Technologie ein grundsätzliches Problem der Digitalisierung löst und zwar die Kopierbarkeit von digitalen Informationen. Dies ermöglicht enorm spannende Anwendungen in der ganzen Wirtschaft, aber auch der Gesellschaft, die davor nicht möglich gewesen wären. Aus meiner Sicht sind wir erst am Anfang einer längeren Entwicklung. Wir können die Uhr nicht mehr in die Zeit vor der „Blockchain“ zurückdrehen.

BTC-ECHO: Wo sehen Sie für die liechtensteinische Volkswirtschaft die größten Vorteile durch das neue Blockchain-Gesetz?

Dr. Thomas Dünser: Für die Regierung geht es um eine übergeordnete Fragestellung: Wie können wir den Wohlstand und attraktive Arbeitsplätze mittel- bis langfristig sicherstellen? Deshalb geht es uns vor allem um die Fähigkeit des Staates, mit unternehmerischer Innovation gut umgehen zu können: Dies betrifft die Behörden, die effizient und fair in der Lage sein müssen, mit neuen Technologien umzugehen, aber auch die Fähigkeit des Staates, Gesetze und Verordnungen anzupassen, falls die Technologie sich weiterentwickelt. Das Blockchain-Gesetz ist für mich ein greifbares Ergebnis dieser Bestrebungen der letzten Jahre. Wir erhoffen uns durch das Gesetz natürlich auch, dass innovative Personen und Unternehmen in Liechtenstein aktiv bleiben beziehungsweise werden und dazu beitragen, dass wir auch in Zukunft Wohlstand und attraktive Arbeitsplätze für alle Bevölkerungsteile erhalten können. Spannend wird es dann, wenn diese Visionäre mit dem Know-how des etablierten Finanzplatzes zusammenkommen und neue Lösungen entwickelt werden.

BTC-ECHO: Glauben Sie, dass Ihr Tokenisierungsmodell auch von den ausländischen Regulierungsbehörden angenommen wird?

Dr. Thomas Dünser: Ja, früher oder später schon. Heute denken viele Regulierungsbehörden die Token-Ökonomie nur vom Finanzmarkt her und fokussieren auf die Frage, ob ein Token Geld oder ein Wertpapier ist. Spätestens wenn die Wirtschaftsministerien begreifen, dass mit einer zu engen Auslegung des Token einer der wichtigsten Treiber der Digitalisierung abgewürgt wird, kommen sie auf unser oder ein ähnliches Tokenisierungsmodell. Aus den Rückmeldungen vieler staatlicher Vertreter kann ich erkennen, dass unser Tokenisierungsmodell mittlerweile praktisch auf der ganzen Welt bekannt ist und als sehr positiv gewürdigt wird. Viele Staaten arbeiten daran, unser Modell bei sich umzusetzen. Wir begrüßen das sehr und unterstützen diese Staaten gerne mit unserem Know-how. Technologische Entwicklungen wie die Blockchain sind ein globales Phänomen. Nur so kann länderübergreifende Rechtssicherheit für die Token-Ökonomie entstehen.

BTC-ECHO: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Aussichten auf die Übertragbarkeit (Passporting) von Lizenzen in andere Länder des EWR?

Dr. Thomas Dünser: Grundsätzlich gilt das Passporting für EWR-rechtlich harmonisierte Bereiche, wie zum Beispiel für bestimmte Finanzdienstleistungen. Für die Beurteilung, ob für einen konkreten Token Passport-Bestimmungen zur Anwendung gelangen können, ist entscheidend, wie dieser im Einzelfall ausgestaltet ist. Falls die Anwendung von EWR-rechtlich harmonisiertem Finanzmarktrecht nicht möglich ist, kommen die allgemeinen Regelungen des EWR-Abkommens zu den vier Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot zur Anwendung.

BTC-ECHO: Gibt es in Liechtenstein Unternehmen, bei denen man mit Kryptowährungen bezahlen kann?

Dr. Thomas Dünser: Ja, mehrere Restaurants, Hotels, Läden und Dienstleister wie Anwälte.

BTC-ECHO: Was sind denn anstehende Herausforderungen, die Liechtenstein noch nicht abschließend mit dem Blockchain-Gesetz klären konnte?

Dr. Thomas Dünser: Mit dem Blockchain-Gesetz haben wir eine gesetzliche Grundlage für alle Wirtschaftsbereiche der Token-Ökonomie geschaffen und viele grundlegende Tätigkeiten reguliert. Da die Finanzmarktregulierung grundsätzlich technologieneutral gestaltet sein soll, war der Handlungsbedarf nicht so groß wie bei den Fragen, die wir im Blockchain-Gesetz geklärt haben. Nun gibt es in der Finanzmarktregulierung aber doch noch einige offene Fragestellungen: Welche Anforderungen gelten, wenn eine Tätigkeit „finanzmarktnah“ ist, das heißt eine Finanzmarktfunktion erbringt, aber der Geltungsbereich der Gesetze nicht greift? Dann gibt es auch Finanzmarktregulierungen, die mit den neuen Technologien in einem Spannungsverhältnis stehen. Auch hier gibt es aus meiner Sicht Handlungsbedarf. Bei einigen Fragen muss der europäische Gesetzgeber aktiv werden. Wie wir jedoch mit dem Blockchain-Gesetz zeigen konnten und auch weiter anstreben, wollen wir so viele Herausforderungen wie möglich hier in Liechtenstein lösen und diese spannenden Entwicklungen konstruktiv mitgestalten.

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