Interview Rechtsexperte Dominik Skauradszun über FTX-Geschädigte: “Europäer haben es schwerer”

Für Insolvenzrechtsexperte Dominik Skauradszun haben europäische FTX-Geschädigte einen großen Nachteil beim Anspruch auf Entschädigung.

Daniel Hoppmann
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Dominik Skauradszun

Beitragsbild: privat / Dominik Skauradszun

| Neben seiner Professur an der Hochschule Fulda berät Dominik Skauradszun auch Ministerien und Behörden zum Thema Krypto

Dominik Skauradszun ist Professor für Bürgerliches-, Zivilverfahrens- und Unternehmensrecht an der Hochschule Fulda, mit Schwerpunkt auf Insolvenzrecht. In diesem Kontext setzt er sich auch mit Kryptowerten auseinander, leitet dazu ein zehnköpfiges Forschungsteam. Darüber hinaus ist er als Sachverständiger für verschiedene Ministerien tätig und verfasste in der Vergangenheit mehrere Gutachten für etliche Krypto-Unternehmen. Im Gespräch mit BTC-ECHO erklärt der Rechtsexperte, welche juristischen Möglichkeiten FTX-Geschädigte haben, welche Hürden Europäer dabei im Vergleich zu US-Amerikanern überwinden müssen und warum Deutschland und die EU dringend präziserer Krypto-Vorschriften im Insolvenzrecht brauchen.

BTC-ECHO: Welche juristischen Möglichkeiten haben die FTX-Geschädigte?

Dominik Skauradszun: Für europäische Anleger besteht die Grundproblematik darin, dass wir kein Insolvenzverfahren in der Europäischen Union haben. Die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) ist folglich nicht anwendbar. Das Verfahren läuft vielmehr in einem Drittstaat. Aus europäischer oder deutscher Sicht kann man insofern keine ernsthafte Einschätzung abgeben, weil weder europäisches noch deutsches Recht anwendbar ist.

In vielen Rechtsordnungen bestimmt der eröffnende Staat, in diesem Fall der US-Bundesstaat Delaware, das anwendbare Insolvenzrecht. Lex fori concursus, heißt dieser Grundsatz. Die Frage, was Anleger tun können, kann nur jemand beantworten, der das Insolvenzrecht von Delaware kennt. Entweder also Rechtsexperten vor Ort oder man fragt Gutachten bei den Max-Planck-Instituten für ausländisches Recht an.

Das klingt nach einem enormen Aufwand. Der deutsche oder europäische Anleger kann aktuell also gar nichts machen?

Nicht wirklich. Das ist ein grundsätzliches Problem, wenn man sich für einen Vertragspartner entscheidet, der nicht im Heimatland oder zumindest in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig ist. Da wird es äußerst kompliziert.

Die Frage ist zuvorderst: Wer ist international zuständig? Mir erschließt sich ohne Kenntnis von den Akten nicht, warum man den Insolvenzantrag in Delaware stellte, wenn man eigentlich auf den Bahamas den Hauptsitz hat. Normalerweise ist es nach modernen Insolvenzrechtssystemen so, dass der Staat, in dem das Verfahren eröffnet wurde, das gesamte weltweite Vermögen erfasst. Dieses Universalitätsprinzip ist sehr wichtig, gerade bei Kryptowerten, die ja typischerweise weltweit verteilt sind und man oft nicht sagen kann, wo diese Vermögensgegenstände belegen sind. Wenn Delaware zuständig ist, würde das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen des Schuldners erfassen, egal wo es auf der Welt liegt.

Der Sinn des besonderen Verfahrens in Delaware ist zudem, zu schauen, ob man den Schuldner restrukturieren kann. Das scheint ja das Ziel des dortigen Antrags zu sein. FTX stellte in Delaware einen Chapter-11-Antrag, gewissermaßen ein Sanierungsverfahren. Da schaut man nicht nur, dass der Ausfall der Gläubiger so gering wie möglich ist, man versucht auch, das Unternehmen zu sanieren. Im Laufe des Verfahrens fordert der Insolvenzverwalter die Gläubiger dann auf, ihre Forderungen anzumelden, typischerweise zu einer Art Insolvenztabelle. Entscheidend ist für diesen Verfahrensschritt jedoch, dass die Gläubiger auch als solche beim Schuldner bzw. Insolvenzverwalter bekannt sind.

Wie sehen Sie die Erfolgsaussichten generell für FTX-Geschädigte aus den USA und Europa?

Für das Insolvenzrecht ist es zunächst egal, ob der Geschädigte aus den USA, Deutschland oder aus einem sonstigen Mitgliedstaat der Europäischen Union kommt. Entscheidend ist der Rang, der bei den Anlegern vermutlich gleich sein wird. Wenn dem so ist, dann sind die Anleger nach dem weltweit anerkannten Prinzip der Gläubigergleichbehandlung gleichzubehandeln, können also entweder alle aussondern oder erhalten alle die gleiche Insolvenzquote.

Der Unterschied ist jedoch, dass ein FTX-Anleger in den USA einfach herausfinden kann, wie das Insolvenzrecht in Delaware funktioniert. Europäische Anleger haben es da schwerer, weil man diese Frage hierzulande nicht so leicht klären lassen kann, das Einkaufen dieser Auskunft teuer ist und man dann schauen muss, ob sich der Mehraufwand im Verhältnis zum Wert ihrer Kryptowerte lohnt.

Welche Schlüsse ziehen sie denn aus dem Untergang von FTX?

Der Zusammenbruch von FTX zeigt einmal mehr, dass wir zumindest in Europa gut beraten sind, im Aufsichtsrecht weiter Kontrolle über solche großen Player zu bekommen. Mit der MiCA-Verordnung sind wir da auf dem richtigen Weg und auch der deutsche Gesetzgeber gibt sich große Mühe, einen größeren Zugriff zu bekommen und Kryptowerte in den einzelnen Rechtsgebieten, wie dem Insolvenzrecht, zu regeln. 

Der Fall zeigt aber auch, dass wir im Insolvenzrecht dringend präzisere Vorschriften brauchen, die sich mit Kryptowerten beschäftigen. Die gibt es weder in Deutschland, noch in Europa. Deswegen sind wir im Insolvenzrecht derzeit etwas am Schwimmen. Da besteht dringend Handlungsbedarf.

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