Teil 1 verpasst? Hier entlang.
BTC-ECHO: Bitcoin-Unterstützer*innen bezeichnen die Kryptowährung gerne als „sicheren Hafen” oder „Rettungsboot”. Könnte die angehende Wirtschaftskrise auch positive Auswirkungen auf Bitcoin und Co. haben?
Peter Bofinger: Nein. Wir erleben ja, wie volatil sich Bitcoin entwickelt und das ist auch logisch. Schließlich besitzt Bitcoin keinen inneren Wert, sprich: es ist Null Substanz dahinter. Bei staatlichem Geld ist das zwar auch der Fall, aber es wird von den Notenbanken in der Regel so reguliert, dass es stabil bleibt. Bei Bitcoin ist keiner da, der die Emission so reguliert, dass der Wert stabil bleibt. Er hängt also ausschließlich von Erwartungen über Erwartungen über Erwartungen ab.
Der britische Ökonom John Keynes, der selbst viel spekulierte, bezeichnete das als „Erwartungen dritten Grades”. Ich muss mir überlegen, wie andere die Entwicklung von Bitcoin einschätzen. Die anderen müssen sich ihrerseits eine entsprechende Erwartung bilden, wie sich wiederum andere die Zukunft von Bitcoin vorstellen. Mit anderen Worten: Wenn ich einen Bitcoin kaufe, ist es unwichtig, wie ich selbst den Wert von Bitcoin einschätze. Ich muss überlegen, wie andere ihn einschätzen.
BTC-ECHO: Was ist bei dieser Lage Ihrer Meinung nach, das allergrößte Risiko für Inhaber*innen von Kryptowährungen, wie Bitcoin?
Peter Bofinger: Die vollständige Implosion. Um nochmal zurück auf John Keynes zurück zu kommen: Die Erwartungen über Erwartungen über Erwartungen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass – wie bei dem Märchen des Kaiser’s neue Kleider – irgendwann jemand feststellt: „Da steckt überhaupt nichts dahinter bei dem Bitcoin.” Wenn sich diese Vorstellungen fest macht, dann kippt alles. Eine Kryptowährung kann dann ganz schnell implodieren.
Anders als bei den staatlichen Währungen besteht bei Bitcoin ja schließlich auch kein gesetzlicher Annahmezwang als Zahlungsmittel. Außerdem kann es sehr gut sein, dass in zwei bis drei Jahren eine neue Kryptowährung existiert, die mit besseren Features deutlich sexyer ist und Leute darauf anspringen. Dann bleibt der Bitcoin wie eine leere Hülle übrig.
BTC-ECHO: Sie sagten, Bitcoin besitze keinen intrinsischen Wert. Im Sinne des Ökonomen Hayek setzen Kryptowährungen beispielsweise Notenbanken unter Druck, auf den privaten Geldwettbewerb zu reagieren.
Peter Bofinger: Hayek hat das in den 70er-Jahren mit relativ hohen Inflationsraten, 7-10 Prozent, vorgeschlagen. Seine Idee, dass Notenbanken ihr Geldmonopol missbrauchen und Inflation erzeugen, hatte damals vielleicht eine gewisse Rechtfertigung. Seit vielen Jahren sind die Inflationsraten in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften allerdings sehr niedrig. Damit ist sein Hauptargument für den Währungswettbewerb somit schon seit vielen Jahren gänzlich weggefallen.
BTC-ECHO: Dann können die Notenbanken ja CBDCs rausgeben. Das wäre doch eine gelungene Mitte zwischen einer digitalen Währung und dem Notenbankengeld?
Peter Bofinger: Aber was will man damit bezwecken? Ich fände es keine gute Idee, wenn Notenbanken in den Wettbewerb mit den Sparkassen oder Banken treten würden. Soll die Bundesbank eine Art bundesweite Sparkasse werden, wo man Konten führen kann und Kredite kriegt? Rein ordnungspolitisch macht das überhaupt keinen Sinn.
BTC-ECHO: Ein Argument wäre, dass diese unkonventionellen Maßnahmen der Notenbanken, wie beispielsweise unendlich viel Geld zu drucken, vielleicht doch nicht so bombastisch funktionieren.
Peter Bofinger: Aber wo ist da das Marktversagen? Das muss geklärt werden, bevor der Staat in Märkten aktiv wird. Unser Bankensystem funktioniert doch nicht schlecht. Es ist ein wettbewerbliches System. Warum sollte eine staatliche Institution in den Wettbewerb der Geschäftsbanken eintreten, und sich als zusätzliche Geschäftsbank etablieren? Dafür sehe ich keinen Grund. Was die Notenbanken gerade bedrückt, ist die Sorge, unter der Digitalisierung die Kontrolle über das Zahlungssystem zu verlieren. Dabei war insbesondere Libra ein Weckruf.
BTC-ECHO: Die Sorge um die wachsende Digitalisierung ist sicherlich nicht vollständig unbegründet. Daher ist auch Schweden mit der E-Krona aktuell mit einer digitalen Währungen in den Markt eingestiegen.
Peter Bofinger: Das ist zu kurz gesprungen. Mit einem ausschließlich schwedischen Zahlungssystem kann ich doch niemals gegen Paypal ankommen. Wenn die Notenbanken hier etwas bewirken wollen, muss es schon ein globales Zahlungssystem sein.
BTC-ECHO: Trotzdem nehmen sich einige Staaten Schweden als Vorbild und wollen mit eigenen Digitalwährungen auf den Zug aufspringen. Woran liegt das?
Peter Bofinger: Weil manche glauben, das Bargeld wäre entscheidend. Warum? Weil das Bargeld zurück geht. Notenbanken verzweifeln und wollen etwas anderes anbieten. Etwas, das so ähnlich ist wie Bargeld – und das wären dann die Einlagen. Vergessen wird dabei aber, dass das Entscheidende die Systeme, also die Netze, sind, und das Bargeld mittlerweile gar keine zentrale Rolle mehr spielt.
BTC-ECHO: Das bedeutet, die Notenbanken sollten sich weniger auf den privaten Geldwettbewerb, wie bei Libra, sondern eher auf die Zahlungssysteme konzentrieren?
Peter Bofinger: Ja. Notenbanken sollten sich überlegen, ob sie in den Wettbewerb mit den Anbietern von Zahlungssystemen treten. Wie wäre es, wenn sie ein Zahlungsverkehrssystem wie Paypal, ins Leben rufen würden? Notenbanken könnten das ordnungspolitisch auch viel besser begründen. Die bestehenden Zahlungsplattformen sind natürliche Monopole, was man an den sehr hohen Gebühren von Paypal ablesen kann. In solchen Netzwerken kann der Wettbewerb nur schwer funktionieren.
BTC-ECHO: Lassen Sie uns noch einmal über das Bargeld sprechen. Sie sagten, das Bargeld wäre nicht entscheidend. In Deutschland gibt es aber doch offensichtlich eine starke Präferenz dafür?
Peter Bofinger: Das Geldwesen ist aber doch im Kern digital. Das Physische ist ein Anachronismus, der mitläuft. Die Zahlungssysteme sind schon lange digital und auch schon lange global. Wenn Sie eine Kreditkarte haben, können Sie überall in der Welt im Internet einkaufen und das völlig unabhängig von der Währung. Es wird alles umgerechnet. Wir brauchen keine Weltwährung, das ist uninteressant. Entscheidend ist, dass die Zahlungssysteme global sind. Wie die bestehenden Systeme zeigen, können sie völlig problemlos mit einer Vielzahl von nationalen Währungen umgehen.
Daher ist auch Libra meines Erachtens fehlgedacht. Eine einheitliche, globale Währung ist so unnötig wie ein Kropf und sie passt auch nicht auf die Bedürfnisse der Menschen. In Europa bin ich doch am besten mit dem Euro bedient, in den USA mit dem Dollar und in Indien mit der Rupiah – statt mit einer Währung, wie Libra, die an den Währungskorb gepeggt ist.
BTC-ECHO: Sie sagten, Libra passe nicht auf die Bedürfnisse der Menschen. Was ist Ihnen da konkret ein Dorn im Auge?
Peter Bofinger: Der Verbraucherschutz. Viele Menschen würden das Modell von Libra nicht durchschauen. Sie geben gutes Geld dafür her und für Facebook wäre es ein großartiges Geschäft, denn sie kriegen Geld für nichts. Beziehungsweise sie bekommen Geld für etwas, das so ähnlich ist wie Monopoly-Geld.
Die Inhaber*innen dieser Währung haben keinerlei rechtlichen Anspruch, dafür zu einem festen Kurs wieder das staatliche Geld zurück zu bekommen. Man müsste schon Facebook klare Regeln auferlegen und sagen, wenn sie Libras rausgeben, dann muss es rechtlich verbindlich auch einen festen Rückzahlungsanspruch geben.
BTC-ECHO: Für Bitcoin-Maximalisten bedeuten Digitalwährungen generell aber auch mehr als eine globale Währung oder ein weltweites Zahlungssystem. Sie verkörpern den revolutionären Gedanken, dass eine dezentrale Währung ohne Einfluss von Staat und Banken möglich sein sollte. Das kann man praktisch auch als eine Kritik an unserem aktuellen, zentralen Finanzsystem verstehen.
Peter Bofinger: Weiß ich gar nicht. Ehrlich gesagt finde ich Bitcoin als Zahlungsmittel sehr umständlich. Sobald Sie einen Bitcoin kriegen, hängt in der Blockchain die gesamte Geschichte dieses einen Bitcoin dran, also alle Transaktionen, bei denen er eingesetzt worden. Das ist ein riesiger Berg an Informationen, die wir gar nicht brauchen. Und umso länger der Bitcoin läuft, desto länger ist auch die daran anhängende, völlig wertlose Kette an Informationen. Natürlich bin ich kein Informatiker, aber aus meiner Sicht erschwert das eher die Transaktionen.
In anderen Feldern wiederum ist es eine spannende Sache, die Informationskette zu kennen. Wenn ich beispielsweise Hirschgulasch aus Litauen kaufe, ist es interessant zu wissen, wo der Hirsch geschossen, auseinander genommen, eingefroren und gelagert wurde. Oder beim Kauf einer Immobilie zu wissen, wem sie alles vorher schon gehört hat. Aber wenn Frau Müller mit einem 10-Euro-Schein in den Supermarkt geht, ist es ihr doch völlig egal wer den vorher gehabt hat.
BTC-ECHO: Glauben Sie also, Kryptowährungen seien noch nicht dafür bereit, Milliarden von Menschen eine Alternative zum bisherigen Finanzsystem zu bieten?
Peter Bofinger: Nein. Währungen sind Maßeinheiten, damit messe ich den Wert von Gütern und den Wert von Schulden. Solche Maßeinheiten sollten möglichst über die Zeit hinweg stabil sein. Es ist ähnlich wie bei einem Meter oder einem Kilo. Ein Kilo hat nicht nur an verschiedenen Orten auf der Welt das gleiche Gewicht, das ist auch über die Zeit hinweg so. Deshalb ist es so wichtig, dass Währungen möglichst im Hinblick auf die Kaufkraft stabil sind.
Wenn wir uns jetzt den Bitcoin als Maßeinheit anschauen, sind das einmal 100g, dann 10kg und dann auf einmal mal wieder 500g. Es ist sehr schwierig, mit so etwas umzugehen. Deswegen sind Bitcoins nur etwas für Leute, die Spaß an hochspekulativem Nervenkitzel haben und ihr Portfolio ein bisschen sexy machen wollen. Aber ich würde bestimmt niemandem aus dem Mittelstand raten, bei der Altersvorsorge auf Bitcoin zu setzen.