Mit ARTIS wollt ihr ein Netzwerk schaffen, das eine positive Energiebilanz fördert. Wie passen Blockchain und Energieeffizienz zusammen?
Bernhard Wladkowski: Seit drei Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit der Frage, wie dezentrale Internet-Technologien zu mehr Nachhaltigkeit und Fairness in der Wirtschaft beitragen können. Den Klimawandel und die damit einhergehende Notwendigkeit der Entkarbonisierung sehen wir als dringliche Herausforderung, der wir uns nun radikal zuwenden.
Das Thema Bitcoin und Energiebilanz ist ja in aller Munde. Uns geht es aber nicht darum, Bitcoin zu bashen – Bitcoin verbraucht relativ viel Strom – Punkt. Das liegt vor allem an Nakamotos Proof-of-Work-Konsensmechanismus. Das war von Anfang an ärgerlich: Da gibt es diese neue Technologien, die aber nicht energieeffizient sind. Der hohe Energieverbrauch der Bitcoin Blockchain ist auch ein Grund, warum wir unser Projekt gestartet haben.
ARTIS ist die einzige Blockchain, die sich speziell auf Anwendungen der Elektromobilität und der erneuerbaren Energien konzentriert. Durch die Kompatibilität zu Ethereum (bei einem Bruchteil der Kosten) kann ARTIS Mikrotransaktionen, wie sie bei „Energie-Anwendungen“ nötig sind, sinnvoll auf der Blockchain abbilden.
Grundsätzlich geht es uns aber um Co2-neutrales nachhaltiges Wirtschaften. Momentan wird wahnsinnig viel Geld und Energie darauf verwendet, über das Thema zu diskutieren. Es ist klar, dass hier etwas getan werden muss. Was das aber genau ist, ist oft noch unklar. Hier brauchen wir Blockchain-Lösungen, die sicher und transparent sind. Geschäftsmodelle – Beispiel Micro Grids – gibt es auch schon. Allerdings gibt es hier noch Hürden: Die Stromerzeugung und der Verkauf an die Nachbarn ist technisch und rechtlich noch nicht möglich. Wir sehen für viele Anwendungen, die CO2 neutral sein sollen, die Blockchain-Technologie als ideale Lösung. ARTIS soll also zu einer Blockchain-Grundstruktur werden, um CO2-neutrales Wirtschaften möglich zu machen. Auf der ARTIS Blockchain können E-Charging-Anwendungen oder E-Auto-Sharing abgewickelt werden. Bestehende Lösungen gibt es zwar bereits. Aber hier fehlt es noch an einem Vehikel. Wir sehen uns hier als Game Changer.
Dazu nutzt ihr dann wahrscheinlich nicht Satoshi Nakamotos Proof-of-Work-Mechanismus?
Bernhard Wladkowski: Richtig. Aktuell nutzen wir eine Mischung aus Proof of Stake (PoS) und Proof of Authority (PoA). Momentan ist es also nur mit einer Permission möglich, auf der ARTIS Blockchain eigene Nodes zu betreiben; man muss dafür Coins staken. In Zukunft kann man sich aber auch über Staking beziehungsweise Smart Contracts zusammenschließen – das ist gerade für Teilnehmer interessant, die nicht genügend Coins haben, um eine eigene Node beziehungsweise eigene Nodes zu betreiben. Das Ganze passiert dann mit unserem „Moon“-Upgrade. Wir haben also eine klare Nachricht an die Bitcoin Community: Bei uns gibt es „Moon“ bis Ende des Jahres.
Welche Rolle spielt hier der ARTIS Coin?
Bernhard Wladkowski: Zunächst braucht man ihn für Netzwerkgebühren. Aktuell gibt es lediglich 10 Netzwerkknoten. Jetzt geht es aber darum, das ARTIS-Netzwerk in die Selbstständigkeit zu entlassen. Daher wollen wir Menschen und Organisationen finden, die das Netzwerk langfristig betreiben.
Aber führt der Proof-of-Stake-Mechanismus nicht zu einer Konzentration von Macht im Netzwerk? Seht ihr hier eine Gefahr?
Bernhard Wladkowski: Es kommt immer darauf an, wer den Stake besitzt. Wir haben jetzt über 10 namhafte Partner aus dem Ethereum-Ökosystem, die sich dafür interessieren, Knoten zu betreiben. Wir versuchen nun, 50 Instanzen zu finden, die Knoten betreiben, um das Netzwerk dezentraler zu gestalten. Es ist also keine Zentralisierung zu befürchten – wir suchen Partner, die das Netzwerk langfristig betreiben wollen. Das sind solche Partner, die nicht nur am wirtschaftlichen Erfolg von ARTIS im nächsten Jahr interessiert sind. Uns geht es viel eher darum, auf Basis von ARTIS neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Ihr hattet ursprünglich geplant, ein Initial Coin Offering (ICO) für den ARTIS Token durchzuführen, den Token Sale dann aber abgesagt. Wie kam es dazu?
Bernhard Wladkowski: Die Idee zu ARTIS ist im Jahr 2017 entstanden. Anfang 2018 fingen wir dann an zu programmieren. Damals war das Mittel der Wahl, ein ICO durchzuführen. Im Laufe des Jahres hat sich die Stimmung aber geändert – es gab viele Scams und Pump and Dumps. Wir fragten uns: Wie machen wir das mit der Finanzierung? Schließlich sind wir komplett selbstfinanziert. Sollten wir also den Rest unseres Geldes in ein ICO stecken, um dann eventuell mehr Geld einzusammeln? Wir entschlossen uns dagegen – gegen PR, gegen Werbung, zogen das Geld zurück und konzentrierten uns auf das, was wir am besten können: programmieren. Das ist auch die Basis von ARTIS. In der Zwischenzeit haben wir auch Forschungsförderungen, größtenteils von Förderungsstätten der Regierung, bekommen.
Wir sind als einen anderen Weg gegangen. Anstatt das White Paper zu verkaufen, haben wir daraus ein Netzwerk mit erstem Proof of Concept (PoC) gemacht. Erst heute fangen wir an, andere Knotenbetreiber mit ins Boot zu holen. Nun, wo alles funktioniert, geben wir auch erste Coins heraus.
Wie läuft der Token Sale?
Bernhard Wladkowski: Es ist kein Token Sale im eigentlichen Sinne, viel eher ein Private Sale. Es gibt kein öffentliches Angebot – wir richten uns wie gesagt nur an Entitäten, die bereit sind, das Netzwerk auf lange Sicht zu betreiben.
Plant ihr aber auch, das Netzwerk für eine größere Öffentlichkeit zu öffnen?
Bernhard Wladkowski: Absolut. Mit unserer NFC-basierten Hardware Wallet, die wir mit Infineon entwickeln, wollen wir Menschen im kommenden Jahr eine Möglichkeit bieten, mit der Blockchain zu interagieren. Wenn wir Menschen den Umgang mit Kryptowährungen nicht ermöglichen, dann werden sie sie auch nicht verwenden.
In Deutschland laufen neue Token-Projekte unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Blockchain-Unternehmen beklagen hier jedoch immer wieder die strengen Auflagen. Wie läuft das in Österreich?
Bernhard Wladkowski: Ich muss ehrlich sagen: Wir sind froh, dass wird die BaFin nicht in Österreich haben. Ich will mich jetzt auch nicht negativ darüber äußern. Nur so viel: Die ersten deutschen Blockchain-Unternehmen gehen schon nach Liechtenstein. Doch bleiben wir bei Österreich: Wir als lab10 collective sind ein Zusammenschluss aus über 40 Spezialisten. Wir sind eine Gemeinwohl-orientierte Genossenschaft. Neben Software-Entwicklern, Designern und Leuten aus den Bereichen Business & Kommunikation haben wir auch eine Steuerberaterin und zwei Anwälte, die eng mit der Finanzaufsicht zusammenarbeiten. Als Kollektiv sind wir gut vernetzt, was FMA-Geschichten und Regulierung betrifft. Wir wollen eine positive Regulierung mitentwickeln. Wir schauen oft nach Deutschland. Wenn die das gut machen, übernehmen wir es – wenn nicht, machen wir es anders. Gerade im Bereich Regulierung passiert Letzteres. Wir sind aktuell noch sehr zufrieden.
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