Krypto-Verwahrung wider Willen: Banken üben sich als Innovationsverweigerer

Ab nächstem Jahr wird das Geschäft mit der Krypto-Verwahrung lizenzpflichtig. Daraus ergibt sich eine große Chance für die deutschen Banken, neue Token-Geschäftsmodelle anzubieten. Doch sind diese überhaupt darauf vorbereitet? Warum von den Banken keine Impulse hinsichtlich der Token-Ökonomie zu erwarten sind, was unsere Banken mit dem deutschen Staat gemeinsam haben und welche neuen Wettbewerber das Bankgeschäft an sich reißen. Ein Kommentar.

Sven Wagenknecht
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Krypto-Verwahrung wider Willen: Banken üben sich als Innovationsverweigerer

Beitragsbild: Shutterstock

Letzte Woche wurde durch die 4. Geldwäscherichtlinie die Krypto-Verwahrung für Banken geregelt. Dass bedeutet, dass Banken ab dem 1. Januar 2020 Kryptowährungen beziehungsweise Token verwahren dürfen. So gab die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bereits diese Woche bekannt, dass sich interessierte Finanzinstitute für eine Krypto-Verwahrlizenz bei der Behörde melden können. Anstatt dies zum Anlass zu nehmen, sich gegenüber der Token-Ökonomie öffentlich zu positionieren, gibt es keine öffentlich zugänglichen Statements. Wer sich dazu äußert, sind FinTechs oder kleine Spezialinstitute, nicht aber die großen Universalbanken.

Auf Anfrage von BTC-ECHO teilte die Commerzbank etwa mit, dass man den Krypto-Markt zwar beobachte, bisher aber keine Pläne habe, in das Verwahrgeschäft von Kryptowährungen einzusteigen. Ähnliche Antworten erreichten uns von der Deutschen Bank, ING, Santander und der DZ Bank. Es entsteht der Eindruck, dass man nicht wirklich eine Strategie verfolgt oder es zumindest schafft, sie erfolgreich geheim zu halten. Letzteres dürfte aber eher unwahrscheinlich sein.

Nun mag man an dieser Stelle argumentieren, dass der Token-Sektor im Vergleich zum traditionellen Finanzsektor irrelevant ist. Schließlich ist die Marktkapitalisierung von Kryptowährungen und auch von tokenisierten Assets wie Unternehmen oder Immobilien verschwindend gering. Diese Bestandsaufnahme mag richtig sein, doch sollte es den Banken nicht um das Jetzt, sondern um die Zukunft gehen. Es ist ein großer Denkfehler zu glauben, dass die Digitalisierung von Vermögenswerten ein vorübergehender Trend ist.

Es geht nicht primär um Bitcoin

Selbst wenn man als Bank nicht an die Zukunft von Bitcoin glaubt, entbindet das nicht von der Verantwortung dafür, Lösungen für die Aufbewahrung und den Handel von Token zu entwickeln. In den nächsten Jahren wird die Verbriefung von Vermögenswerten wie Unternehmen und Immobilien immer stärker durch entmaterialisierte Wertpapiere, ergo via Token, durchgeführt. Folglich verlagert sich auch die Wertschöpfung der gesamten Finanzbranche in Richtung Blockchain und Token.

Genügend FinTechs und Blockchain-Start-ups haben bereits Lösungen entwickelt und beginnen, sich am Markt zu positionieren. Ebenjene Dienstleistungen, die mit der Tokenisierung und anschließender Verwahrung der Token verknüpft sind, verfolgen aber nur wenige etablierte Player. Eine Ausnahme ist hier beispielsweise die Stuttgarter Börse. Bereits heute lässt sich dort Bitcoin handeln. Viel relevanter ist hingegen die Arbeit an einem neuen Börsensegment, das zukünftig speziell für tokenisierte Unternehmen vorgesehen ist.

Man hat verlernt, in die Zukunft zu investieren

Aktuell ist diese Pionierarbeit nur mit Kosten verbunden, die die Jahresbilanz trüben. Auch ist kaum davon auszugehen, dass sich die Investitionen der Stuttgarter Börse innerhalb der nächsten zwei Jahre rechnen werden. Der Markt respektive das Volumen für Security Token ist schlichtweg noch viel zu klein. Für etablierte Finanzmarktakteure, ganz gleich ob Bank oder Börse, wird sich die Entwicklung von Token-Dienstleistungen auf kurze Sicht wohl kaum lohnen.

Genau an dieser Stelle wird allerdings vergessen, dass eine Investition in die Token-Ökonomie keine Investition in die nächsten zwei Jahre, sondern in die nächsten fünf Jahre ist. Anstatt sich von Jahresbilanz zu Jahresbilanz zu hangeln – sediert vom billigen Notenbankgeld – müssen Investitionen in die digitale Infrastruktur unternommen werden.

Genauso wie der Staat respektive die Politik einen Investitionsstau in unsere digitale Infrastruktur zu verantworten hat, müssen sich die Banken den gleichen Vorwurf bei „ihrer Infrastruktur“ gefallen lassen. Anstatt mit den aufgebauten Reserven ein großes Infrastrukturprogramm zu starten, fällt den meisten Universalbanken nicht viel mehr ein, als Kosten durch Personaleinsparungen und Filialzusammenlegungen zu kürzen. Es scheint, als hätten sich die deutschen Banken bereits damit abgefunden, von einer neuen Generation an Finanzmarktakteuren ersetzt zu werden. Man bereitet sich auf einen langsamen Tod vor.

Die Wertschöpfung in der Mittelstandsfinanzierung entgleitet den Banken

Das Rückgrat unserer Volkswirtschaft und unserer Banken ist der Mittelstand. Die Finanzierung macht einen Großteil der Bankbilanzen und damit der Einnahmen aus. Dies wissen auch Finanzierungsplattformen wie Kapilendo, die sich immer stärker in die Wertschöpfung der Finanzwirtschaft graben und dabei Banken zu „einfachen Dienstleistern“ degradieren. So hat diese Woche Kapilendo vorgemacht, wie Mittelstandsfinanzierung auf Token-Basis funktioniert. Die Plattform für Unternehmensfinanzierung hat auf der Stellar Blockchain eine Token-Finanzierung für die Pizzakette L’Osteria durchgeführt.

Anstatt also einen Kredit im Firmenkundencenter ihrer Hausbank anzufragen, hat sich die Pizzakette, und das sicherlich nicht nur aus Marketinggründen, dazu entschieden, den Weg der Token-Finanzierung zu gehen. Banken müssen sich die Frage stellen, warum nicht sie diejenigen sind, die neue Geschäftsmodelle erschließen. Innovation im Bereich Banking scheint inzwischen zu einer Aufgabe der Internetplattformen – insbesondere Facebook, Amazon oder Google – geworden zu sein. Die Innovation in den Banken scheint sich auf schicke Hochglanzstudien, wie beispielsweise diese Woche von der Deutschen Bank, zu reduzieren. Man analysiert zwar den digitalen Wandel, vergisst dabei aber das aktive Handeln.

Verwahrung von Vermögenswerten scheint zukünftig nicht mehr Bankensache zu sein

Gleiches gilt für die Token-Aufbewahrung. Alle öffentlich zugänglichen Verwahrlösungen der Token-Ökonomie stammen von FinTechs oder kleinen Bankhäusern. Dabei geht es nicht nur um Wertpapiere und die Entwicklung eines Token-Wertpapierdepots. Spätestens mit dem digitalen Euro wird auch das Bankkonto als Wallet fungieren müssen. Anstatt bereits heute die Entwicklung aktiv nach vorne zu treiben und mitzugestalten, sind es auch hier wieder neue Player, die die Entwicklungsarbeit der Banken übernehmen. So ist es beispielsweise das Berliner Custody-Start-up Finoa, das eine Verwahrlösung für Token auf Bankenniveau entwickelt hat.

So sehr die Regulierung Banken einengt und die existierende Unsicherheit in der Token-Regulierung eingeschränkte Planungssicherheit gibt, darf dies nicht als Ausrede gelten. Nur weil es in Zukunft noch viele Gesetzesänderungen zur Token-Ökonomie geben wird, ist es fahrlässig, sich untätig am Seitenrand hinzustellen.

Banken sind bereits angezählt

Das letzte Woche verabschiedete Gesetz zur Token-Aufbewahrung ist eine große Chance für die Banken in Deutschland. Es ermöglicht ihnen, mit dem Einverständnis der BaFin ein reguliertes Geschäft mit der Token-Aufbewahrung zu starten und sich damit in Europa ganz vorne zu positionieren. Damit wurde die Grundlage geschaffen, ein zukünftiges Ökosystem an Token-Dienstleistungen innerhalb der Bank aufzubauen. Auch die Blockchain-Strategie sollte von den traditionellen Finanzdienstleistern als Aufforderung verstanden werden, nun endlich einen Gang zuzulegen. Es kann nicht angehen, dass unser eher zögerlicher Politik- und Behördenapparat börsennotierten Banken Nachhilfe in puncto Innovationszyklen und Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit geben muss.

Die Internet- und Tech-Giganten wie Apple, Google und Facebook benötigen keine Aufforderung seitens der Politik, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ganz gleich, ob mit oder ohne Token, werden unsere Banken von allen Seiten überholt. Das Silicon Valley beziehungsweise die Plattformökonomie wird es sich schließlich nicht nehmen lassen, noch stärker in das lukrative Bankgeschäft einzusteigen. Spätestens dann dürften in ein paar Jahren – potentielle Wirtschafts- und Finanzkrisen ausgenommen – die traditionellen Banken ein ernsthaftes Problem haben.

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