Interview mit David Chaum „Die Währung der Zukunft sollte nichts sein, was ein staatlicher Akteur zu Fall bringen könnte“

David Chaum gehört zu den Urvätern der Krypto-Bewegung. In seiner Dissertation „Computer Systems Established, Maintained, and Trusted by Mutually Suspicious Groups“ hat Chaum bereits im Jahr 1982 zahlreiche Eigenschaften dessen beschreiben, was später als „Blockchain“ zu Weltruhm gelangen sollte. Darüber hinaus hat Chaum 1995 mit E-Cash Pionierarbeit im Bereich der digitalen Währungen geleistet.

Christopher Klee
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Beitragsbild: Shutterstock

Mit seinem aktuellen Projekt, dem xx network, will Chaum nichts weniger, als das Blockchain-Trilemma aus Sicherheit, Skalierbarkeit und Dezentralisierung lösen. Dazu kombiniert das xx network Praxxis, eine quantenresistente Blockchain, mit Elixxir, einem Kommunikations-Protokoll, das dazu in der Lage ist, Meta-Daten zu „schreddern“. Das Metadaten-Shredding kommt bereits im xx Messenger zum Einsatz. Seit dem 4. März ist die Beta-Version des Messengers für Android und iOS zu haben. Wir haben uns mit David Chaum über die Bedeutung von Metadaten für die informationelle Selbstbestimmung unterhalten – und warum er die Verschlüsselungs-Technologien von WhatsApp, Telegram & Co. für unzureichend hält.

BTC-ECHO: Der xx messenger will seinen Nutzern die größtmögliche Privatsphäre bieten. Dabei ist die Verschlüsselung von Nachrichten längst kein Nischenthema mehr. Selbst WhatsApp, der meist genutzte Messaging-Dienst weltweit, bietet mittlerweile standardmäßig Ende-zu-Ende-Verschlüsselung an. Ist der xx messenger nicht ein bisschen spät dran?

David Chaum: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist wichtig, aber nur eine Facette des Datenschutzes. Ein von Metadaten abgeleitetes Diagramm der Benutzeraktivität kann ebenso viel – wenn nicht sogar noch mehr – über einen Benutzer sagen als der Inhalt einer Nachricht. Und mit dem Aufkommen von Machine Learning wird es zum Standard, diese Daten zu sammeln und zu analysieren, um die Identität der Benutzer zu kennen und gewinnbringend zu nutzen. Wir haben einen langen Weg zurückgelegt, aber wir haben noch einen langen Weg vor uns, und der xx messenger ist der erste einer neuen Generation von Standards zum Schutz unserer Online-Kommunikation.

BTC-ECHO: Warum sollte man sich als rechtschaffener Bürger Gedanken darüber machen müssen, was mit seinen Metadaten angestellt wird? Frei nach dem Motto: Wer nichts zu verbergen hat, hat schließlich nichts zu befürchten?

David Chaum: Diese Idee wurde bereits im Laufe der Geschichte und bei aktuellen Ereignissen in Frage gestellt. Die Fähigkeit, seine Gedanken und Überzeugungen frei zu teilen, ist für jede demokratische Gesellschaft obligatorisch. Leider haben wir gesehen, wie private Organisationen metadatengestützte Analysen zur Manipulation demokratischer Wahlen einsetzen und Regierungen dieselben Informationen zur Unterdrückung von Teilen der Bevölkerung verwenden. Ob ie etwas zu befürchten haben oder nicht, liegt in den Händen der (oft unbekannten) Parteien, die Zugang zu Ihren Daten haben. Das Blockchain-Ethos bestand darin, die Kontrolle über unsere Finanzinfrastruktur wieder in die Hände der Menschen zu legen, weil sich zentralisierte Organisationen als fehlerhaft erwiesen haben. Wir müssen den gleichen Ansatz in Bezug auf die Kontrolle unserer persönlichen Daten verfolgen.

BTC-ECHO: Regulierungs- und Strafverfolgungsbehörden sind Privacy-Technologien naturgemäß ein Dorn im Argusauge. Man denke etwa an den Bitcoin-Mixer bestmixer.io, der im vergangenen Jahr von der europäischen Polizeibehörde Europol zerschlagen wurde. Oder an den Streit zwischen dem FBI und Apple, das 2016 partout keine Hilfestellung bei der Entschlüsselung von iPhones leisten wollte. Auch hierzulande gab es beispielsweise Überlegungen, das Betreiben von Knotenpunkten im TOR-Netzwerk unter Strafe zu stellen. Wie groß schätzt du die Gefahr ein, dass dem xx messenger – beziehungsweise dem gesamten xx network – ein ähnliches Schicksal ereilt wie Bestmixer.io?

David Chaum: Wir haben mit einer Reihe von Schlüsselpersonen im Bereich der Regulierung und der Strafverfolgung gesprochen und wir vertreten die Auffassung, dass private Kommunikation und Zahlungen über persönliche Bargeldtransaktionen seit Jahrhunderten bestehen und für das Wachstum robuster Volkswirtschaften von entscheidender Bedeutung sind. Das Wesen dezentralisierter Netzwerke, einschließlich des xx-Netzwerks, besteht darin, dass sie von einer Gemeinschaft verwaltet und kontrolliert werden. Da die staatlichen Regulierungs- und Strafverfolgungsbehörden für und im Interesse der Gemeinschaft arbeiten, sollten diese Plattformen diese Interessen widerspiegeln. Wir glauben nicht, dass irgendeine Regierungsbehörde rechtfertigen kann, dass Bargeldtransaktionen verboten werden sollten. Dasselbe sollte auch für die Währung des xx-Netzwerks gelten.

BTC-ECHO: Elixxir soll mittelfristig nicht nur Kommunikationen, sondern auch Transaktionen anonymisieren. Im geplanten xx network soll Elixxir in Verbindung mit der Praxxis Blockchain dafür sorgen, dass niemand sieht, wer wem wann wie viel überwiesen hat. Nun tummeln sich im Krypto-Space bereits zahlreiche Projekte, beispielsweise Monero oder Zcash, die den Fokus explizit auf Datenschutz legen. Ringsignaturen, zk-SNARKs, Decoy-Transaktionen… Reicht das nicht?

David Chaum: Genug Privatsphäre ist subjektiv. Einige dieser Privacy Blockchains sind ein wichtiger Schritt zu einer funktionalen Privatsphäre. Die Frage ist nicht wirklich, ob sie privat genug sind, sondern ob sie leistungsfähig und sicher genug sind, um eine Form von digitalem Bargeld zu sein. Keine dieser Plattformen befasst sich mit der Frage, ob es in einigen der heute verwendeten kryptografischen „Standards“ Fallstricke gibt. Einige der Standards aus derselben Quelle haben sich als Fallstricke erwiesen. Und natürlich ist die drohende Bedrohung durch Quantencomputer etwas, das sogar die NSA beschlossen hat, sehr ernst zu nehmen.

Die Währung der Zukunft sollte nichts sein, was ein staatlicher Akteur zu Fall bringen könnte. Die derzeitigen Privacy Blockchains, die du nennst, sind um Größenordnungen langsamer als das, was zur Unterstützung einer globalen Nutzerbasis erforderlich ist, und die Praxxis Blockchain kann, da sie linear skaliert, wie jeder in unserem technischen Paper sehen kann, leicht auf die Verbraucherebene skalieren.

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