Hullcoin – die soziale Kryptowährung für gute Taten

Jede Gemeinde wünscht sich mehr Ehrenamt – will und kann dafür aber nicht zahlen. Die perfekte Lösung dafür scheint der Hullcoin. Die britische Küstenstadt Hull setzt jetzt die Kryptowährung als Belohnung für gute Taten ein. Und alle Beteiligten sind begeistert.

Tim Stockschlaeger
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Freiwillige Helfer bekommen in der britischen Stadt bald mehr als nur ein schön klingendes Danke. Für die freiwillige Unterstützung oder soziale Leistung bedankt sich die Stadt Hull mit den gleichnamigen Coins. Die kann jeder Bewohner der Stadt für eine gute Tat erhalten. Vereine, Schulen, Krankenhäuser und sogar Gefängnisse können einen Antrag stellen, um Hullcoins zu verteilen. Wer wie viele bekommt, liegt dann in deren Ermessen. Das kann der junge Schüler sein, der sich in der Freizeit im Altersheim engagiert. Aber auch ein Kettenraucher, der auf die Kippe verzichtet.

Das Beispiel Kettenraucher macht deutlich, wie der Hullcoin eine Gemeinschaft durch subtile Anreize stärkt. Raucher, das ist belegt, belasten das Gesundheitssystem. Die Belastung ist für den Einzelnen allerdings so gering, dass wir uns nicht darum kümmern. Niemand stiehlt dem Raucher seine Zigarette. Der Hullcoin liefert nun eine (kleine) zusätzliche Motivation, die Kippen in Zukunft steckenzulassen.

Auf so vielfältige Weise Bewohner den Coin bekommen können, so unterschiedlich lässt er sich auch wieder ausgeben. Eine wachsende Anzahl von Unternehmen und Dienstleistern akzeptiert ihn als eine Art Gutschein. Die Firmen bestimmen dabei individuell den Rabatt in ihrem Geschäft. Ein Bäcker mag für jeden Hullcoin 20 % auf sein Sortiment geben, während der Sportladen 35 % anbietet. Die meisten teilnehmenden Unternehmen bieten zehn bis 50 % Rabatt an. Dabei sind die Unternehmen etwas weniger frei bei der Auswahl, auf was der Rabatt gewährt werden darf. Hullcoins sind ein soziales Projekt und sollen beispielsweise nicht auf Alkohol oder Zigaretten angewendet werden. Aber wie steht es mit Fastfood? Eine kleine Ethikkommission, natürlich von Freiwilligen betrieben, entscheidet, welche Projekte geeignet sind. Jedes Unternehmen aus der Gemeinde kann sich bewerben.

Was aber bewegt nun einen Unternehmer, die sozialen Leistungen zu fördern? Firmen profitieren allgemein von einer starken Gemeinschaft vor Ort und sehen den Coin nicht nur als Geldleistung oder Gutschein. Die Unternehmen können ihn an ihre Mitarbeiter oder Kunden unbegrenzt weitergeben. Er verfällt niemals. „Sie sind wie eine Loyalty-Card“, erklärt David Shepherdson, einer der Initiatoren des Programms. Aufgrund der sozialen Komponente wirkt der Rabatt positiv auf das Image des Unternehmens. Übliche Rabattschlachten lassen oft die „Marke“, also das Image des Unternehmens oder Produkts, leiden. Hier setzt sich der Kreis von kleinen positiven Anreizen fort. Jeder in der Gemeinschaft stellt sich besser und trotzdem profitiert die Allgemeinheit davon.

Wert des Hullcoin ist nicht festgelegt

Der Hullcoin hat im Gegensatz zu finanziellen Gegenleistungen keinen festen Wert. Das ist eine wichtige Eigenschaft im sozialen Bereich. Es entfällt die Pflicht, diese Kryptowährung zu versteuern. Auch dürfen Bezieher von Sozialleistungen Hullcoins erhalten, ohne Einschränkungen der staatlichen Leistungen zu befürchten. Ein wichtiger Schritt, um wirklich alle Mitglieder der Gemeinschaft mit einzubinden.

Der Hullcoin basiert technisch auf der Blockchain. Jede Transaktion ist damit für immer gespeichert und einsehbar. Für einige könnte die Kryptowährung damit auch eine Art Anhang zum Lebenslauf sein. Viele Unternehmen suchen ein ausgeprägtes soziales Profil bei Bewerbern. Die Transaktionshistorie von Hullcoin lässt dies nun glaubwürdig belegen. Gleichzeitig steigen hier die Ansprüche an den Datenschutz enorm an. Eine offene Bitcoin-Architektur könnte ungewollte Details preisgeben. Immerhin belohnt der nationale Gesundheitsdienst (NHS) auch einige Patienten mit den Coins.

Der Hullcoin besteht also aus einer ganzen Kette von kleinen Anreizen, die jeden in der Gemeinschaft etwas besser stellen, ohne das jemand benachteiligt wird. Das Ehrenamt und soziale Engagement wird noch mehr gestärkt und ausgebaut. Die Aufgabe galt bislang als Zwickmühle, da für eine angemessene Entlohnung oft das Geld fehlt und nicht jeder gänzlich freiwillig arbeiten mag. Der Hullcoin könnte dieses Dilemma überbrücken und noch mehr Menschen motivieren, sich zu engagieren.

Für die gewissenhafte Umsetzung ist das gemeinnützige Unternehmen Kaini aus Hull verantwortlich. Die britische Regierung unterstützt das Projekt mit 240.000 Pfund (rund 270.000 Euro). Auch in Deutschland ist die Idee bekannt, soziale Leistungen mit einer Komplementärwährung zu honorieren: Der „Chiemgauer“ klingt wie eine weitere Kryptowährung, besteht jedoch bereits seit 2003 – gedruckt auf Papier. In der bayrischen Region Chiemgau hat er eine ähnliche Funktion wie der Hullcoin in Großbritannien. Der große Unterschied liegt allerdings in der einfacheren Anwendbarkeit und Langlebigkeit des Hullcoins. Dies ist größtenteils erst durch die Blockchain möglich geworden. Nach einem Testlauf ist der Hullcoin jetzt in der britischen Stadt frei verfügbar und stößt auf eine positive Resonanz. Wie erfolgreich das Projekt tatsächlich ist, bleibt vorerst abzuwarten. Die Möglichkeiten sind vielversprechend. Auch in Deutschland könnte diese Kryptowährung die lokale Gemeinschaft stärken und gleichzeitig auch das Verständnis und die Akzeptanz von Kryptowährungen in der Bevölkerung verbessern.

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