Digitale Identität  Bundesregierung fordert Blockchain-Verzicht

Blockchain? Nein, danke! Lautet der Tenor des neuen Diskussionspapiers Beyond EU Digital Identity Wallet des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat (BMI). Ein kritischer Blick.

Sven Wagenknecht
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Bundesregierung, Parlament 2

Beitragsbild: Shutterstock

| Technologieneutralität schreibt sich die Bundesregierung auf die Fahne. Das jüngste Diskussionspaper zur digitalen Identität zeigt ein anderes Bild

Alles wird digital, auch unsere Identität beziehungsweise der Nachweis unserer Identität. Es ist unstrittig, dass physische Ausweisdokumente schnellstmöglich digitale Pendants und digitale Infrastrukturen benötigen. Neben der Privatwirtschaft befindet man sich auch auf nationalstaatlicher sowie europäischer Ebene in intensiven Diskussionen, wie das Thema digitale Identität optimal gelöst werden soll.

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat nun ein Diskussionspapier veröffentlicht, das den Standpunkt der Bundesregierung auf europäischer Ebene zum Thema darlegen soll. Unter dem Namen: Beyond EU Digital Identity Wallet – Diskussionspapier zur Erarbeitung einer prototypischen eIDAS 2.0- konformen Infrastruktur für Digitale Identitäten in Deutschland definiert man in dem Paper unter anderem, wie man sich die Ausgestaltung der Wallet vorstellt, die unsere Identitätsdokumente in Zukunft verwahren soll.

Die Wallet-Anforderungen

Liest man sich die Anforderungen durch, die die Bundesregierung stellt, dann ergeben diese ein schlüssiges Bild:

Digital muss mindestens das möglich sein, was mit physischen Nachweisen auch möglich ist, einfach, sicher und nutzerfreundlich. Darüber hinaus müssen die Möglichkeiten von digitalen Verfahren genutzt werden, um Prozesse datensparsam, fälschungssicher und datenschutzfreundlich zu gestalten, wo dies im Vergleich mit der physischen Präsentation von Nachweisen möglich ist.

Bundesministerium des Innern und Heimat, Beyond EU Digital Identity Wallet, Seite 3

Selbstbewusst möchte man die „EU Digital Identity Wallets“ (EUdi-Brieftaschen) an den Stärken des bestehenden eID-Systems und der dezentralen deutschen Registerlandschaft anknüpfen, wie man betont. Ferner schreibt das BMI „Der Prozess soll transparent und partizipativ gestaltet werden.“ Auch legt man Wert unter anderem auf folgende Eckpunkte, die man auf EU-Ebene in der sogenannten eIDAS-Verordnung 2.0 diskutieren möchte:

  • der Zugriff auf Secure Elements (eine manipulationssichere Hardware, meist ein sicherer Einchip-Mikrocontroller, die in der Lage ist, Applets und deren vertrauliche und kryptografische Daten sicher zu hosten), um Hardware-Sicherheit EU-weit zu gewährleisten und auf dem Endgerät Daten souverän und vertrauensvoll ablegen zu können
  • Peer-to-Peer Verbindung zwischen EUdi-Brieftaschen
  • verpflichtende Open-Source-Bereitstellung der Codes der jeweiligen technischen Umsetzung

Wer bis zur Seite neun des siebzehn-seitigen Papers liest, kann den Eindruck gewinnen, dass Personen am Werk sind, die technologieoffen sind. Man könnte sogar so weit gehen und meinen, dass die angedachten Wallets etwas mit den Wallets zu tun haben, die man aus dem Web3-Sektor kennt. Auch laden die gestellten Anforderungen nur dafür ein, dass man Blockchain-Infrastrukturen und beispielsweise NFT-Konstrukte zum Identitätsnachweis nutzt. Wer das gedacht hat, ist auf dem Holzweg.

Die Knallhart-Aussage der Bundesregierung

Doch dann auf Seite neun werden noch einmal gesondert die Anforderungen der Bundesregierung hervorgehoben, in denen die entscheidende Schock-Aussage fällt, die über dem gesamten Paper schwebt. So heißt es:

Ansätze, die auf Distributed Ledger Technology (DLT) beruhen, werden in der Zieldefinition für Umsetzungen Lösungen im Bereich der Digitalen Identitäten auf absehbare Zeit ausgeschlossen.

Zumal DLT noch deutlich weiter gefasst ist, als Blockchain. Selbst sogenannte Private Blockchains, wie sie von geschlossenen Konsortien geführt werden, schließt man damit aus. Mit dieser Aussage führt man das selbst so gern hochgehaltene Primat der Technologieneutralität ad absurdum.

Anti-Blockchain-Kurs der Bundesregierung ist besorgniserregend

Die Bundesregierung nimmt damit in Europa eine technologiefeindliche Position ein, die im Widerspruch zu den Erfolgen der MiCA-Verordnung steht. Also dem europäischen Bekenntnis, die Krypto-Ökonomie als legitimen Teil des europäischen Innovationsverständnisses anzusehen. Des Weiteren stellt sich das BMI gegen eine Technologie, für die sie selbst Fördergelder bereitgestellt hat.

Die anscheinend vorherrschenden Vorurteile und Ängste des BMI lassen die Blockchain-Strategie der ehemaligen Bundesregierung wie einen Witz aussehen. So hatte man in der Blockchain-Strategie von 2019 auch die Erprobung der DLT-Technologie für die Verwaltung sowie öffentlichen Register vorgesehen. Von dieser Aufgeschlossenheit scheint man inzwischen nicht mehr viel zu halten.

Ignorieren von Privatwirtschaft, Verbänden und Hochschulen

Wenn man so viel Wert auf einen transparenten und partizipativen Prozess legt, wie man im Diskussionspaper schreibt, dann wäre es begrüßenswert gewesen, wenn man bereits im Vorhinein die Interessensgruppen miteinbezogen hätte.

Bislang hat man dies allen Anschein nach nicht getan. Andernfalls lässt sich nicht erklären, wie man zu solchen Knallhart-Aussagen kommen kann. Diese Widersprüchlichkeit zeigt sich auch bei den weiteren Use Cases, die man unter anderen für die „Identitäts-Brieftasche“ in Aussicht stellt:

  • Übermittlung eines Nachweises eines Hochschulzeugnisses für eine Bewerbung
  • Erwerb von personalisierten Tickets (z.B. Mobilität, Kultur)
Bundesministerium des Innern und Heimat, Beyond EU Digital Identity Wallet, Seite 14

Würde man auf die Privatwirtschaft schauen, dann hätte man feststellen müssen, dass NFTs genau dafür in der Erprobung sind. Auch stellen beispielsweise Hochschulen oder staatliche Stellen bereits Blockchain-Nachweise aus, genauso wie die „Ticketing-Industrie“, die Non-fungible Token nutzt.

Entsprechend praxisfremd erscheint die Position der Bundesregierung. Während der Aufbau von Token-Infrastrukturen und die Erprobung öffentlicher Blockchains allgegenwärtig ist, fordert man beim BMI eine Digitalisierung, ohne selbst die Anforderungen der Digital-Ökonomie zu berücksichtigen.

Bundesregierung: Ist man wirklich offen für Anregungen?

Ob man wirklich an der Meinung der Öffentlichkeit interessiert ist, wird sich nun in der öffentlich zugänglichen Konsultationsphase zeigen. So können Kommentare zum Diskussionspaper hier eingereicht werden.

Ob ein Streichen oder Aufweichen des Satzes durch Austausch mit Interessensgruppen oder später im Trilog – dem Konsultationsprozess zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Ministerrat – erfolgt, bleibt abzuwarten.

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