CBDC  Der digitale Euro der Europäischen Zentralbank: Eine Einschätzung

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat vor wenigen Wochen ihre erste Einschätzung zum digitalen Euro kommuniziert. In dem hierzu veröffentlichten Bericht gibt die EZB erste Einblicke in ihre Vorstellungen zum digitalen Euro. In diesem Gastbeitrag bewerten Jonas Groß, Philipp Sandner und Alexander Bechtel den Bericht der EZB und diskutieren seine drei wichtigsten Aspekte.

Jonas Groß
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Euro-Skulptur vor dem Hauptsitz der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main

Beitragsbild: Shutterstock

| Die EZB erhöht erneut den Leitzins in der Eurozone.

Im Oktober veröffentlichte die Europäische Zentralbank (EZB) ihren lang ersehnten „Bericht“ zum digitalen Euro, einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC) für den Euroraum. Die EZB adressiert das Thema „digitaler Euro“ von der Perspektive ihres Mandats. Hierbei liegt für die EZB die Intention primär darin, eine digitale Form des Bargeldes für europäische Bürger zu schaffen und nicht eine programmierte Form des Euros für die europäische Industrie. Allerdings wird mit Blick auf die Analyse der EZB deutlich, dass der von der EZB skizzierte digitale Euro keine digitale Variante des Bargelds darstellt. So hält es sich die EZB derzeit noch offen, ob der digitale Euro Token-basiert, nicht verzinst und anonym sein wird – allesamt Kerneigenschaften von Bargeld.

Kerninhalte des Berichts

In ihrem Bericht betont die EZB, dass sie noch nicht entschieden hat, ob ein digitaler Euro tatsächlich eingeführt werden wird. Allerdings betonte die Zentralbank gleichzeitig, dass sie bereitstehe, einen digitalen Euro einzuführen, „falls sich die Notwendigkeit ergibt“. Die EZB definiert folgende Szenarien, aus denen sich der Bedarf für einen digitalen Euro ergeben könnte:

  • Erstens soll die Digitalisierung der europäischen Wirtschaft unterstützt werden.
  • Zweitens könnte ein digitaler Euro eine Reaktion auf einen deutlichen Rückgang der Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel sein.
  • Drittens könnte ein digitaler Euro erforderlich werden, um die Abhängigkeit von ausländischen CBDCs oder privaten digitalen Coins, wie beispielsweise Libra, Chinas DC/EP, oder einer US-CBDC, zu reduzieren.
  • Viertens könnte ein digitaler Euro einen neuen Transmissionskanal für die Geldpolitik eröffnen.
  • Fünftens könnte ein digitaler Euro die Resilienz digitaler Zahlungen erhöhen, sodass ein Hackerangriff, eine Naturkatastrophe, eine Pandemie oder andere Extremereignisse die Bereitstellung von Zahlungsdiensten nicht einschränken würden.

Neben diesen Szenarien erörtert die EZB auch Risiken, die sich aus einem digitalen Euro ergeben könnten, etwa in Bezug auf Finanzstabilität, Regulierung, IT-Sicherheit, Kapitalflüsse und den Euro-Wechselkurs. Die EZB betont, dass solchen Risiken adäquat adressiert werden müssen und gibt deshalb Anforderungen vor, die ein digitaler Euro erfüllen muss, um solchen Risiken entgegenzuwirken.

Drei Kernaspekte zum digitalen Euro

Die folgenden drei Kernaspekte sind hilfreich, um den Bericht korrekt zu interpretieren. So ist aus dem Bericht und anhand der skizzierten Vorschläge für den digitalen Euro zu erkennen, dass der digitale Euro kein digitales Bargeld ist. Weiterhin vernachlässigt die EZB leider den Aspekt der Programmierbarkeit, obwohl genau dieser Aspekt äußerst wichtig für die Anwendung in der Industrie ist. Zuletzt ist schon jetzt zu erkennen, das existierende Finanzintermediäre auch bei einem digitalen Euro von der EZB eine wichtige Rolle einnehmen werden.

1. Der digitale Euro ist kein digitales Bargeld

In dem Report betont die EZB, dass der digitale Euro eine Art “digitales Bargeld” darstellen sollte. Daher würde man erwarten, dass der digitale Euro die Eigenschaften von physischem Bargeld so gut wie möglich imitiert müsste. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die im EZB-Bericht erörterten Prinzipien des digitalen Euro unterscheiden sich erheblich von den grundlegenden Merkmalen physischem Bargeldes: Erstens ist Bargeld ein Inhaberinstrument und eine token-basierte Form des Geldes. Zweitens wirft Bargeld keine Zinsen ab. Drittens ermöglicht Bargeld die anonyme Abwicklung von Transaktionen, zumindest bis zu einer bestimmten Schwelle (z.B. 10.000 Euro in Deutschland). Die EZB hat sich bislang auf keine dieser drei Eigenschaften festgelegt. Stattdessen hält sich die EZB derzeit die Möglichkeit offen, einen digitalen Euro kontenbasiert, verzinst und nicht anonym auszugestalten.

2. Die EZB vernachlässigt den Aspekt der Programmierbarkeit

In den vergangenen Monaten haben Diskussionen rund um die Programmierbarkeit von Geld Fahrt aufgenommen. Ein „digitaler programmierbarer Euro“ soll auf einer DLT basieren oder stark mit einer DLT verknüpft sein. Dieser Begriff wird häufig verwendet, um die Nutzung des digitalen Euros für DLT-basierte Geschäftsprozesse und gezielte Fiskal- und Geldpolitik zu beschreiben (siehehier für eine klare Definition der Programmierbarkeit von Geld und Zahlungen). So könnte ein DLT-basierter Euro verwendet werden, um friktionslos für tokenisierte Assets, wie digitale Wertpapiere oder Immobilien, zu bezahlen. Die Industrie hat zuletzt großes Interesse an einem solchen digitalen programmierbaren Euro bekundet. Neben Anwendungen in der Industrie könnte der programmierbare Euro dazu verwendet werden, gezielte Hilfszahlungen während Krisen, wie der aktuellen COVID-19-Pandemie, zu leisten.

Der Aspekt der Programmierbarkeit oder der Einsatz einer DLT ist im Report der EZB kein Schwerpunkt, sodass es sich die EZB derzeit die technologische Basis des digitalen Euros offen hält. Die Tatsache, dass der Begriff “Programmierbarkeit” im gesamten Report lediglich zweimal erwähnt wird, zeigt, dass dieses Thema in den aktuellen Diskussionen der EZB keine Priorität hat.

Die EZB sollte ihre Anstrengungen intensivieren und die Programmierbarkeit einer CBDC ausführlich analysieren, wobei hierbei auch die Expertise des Privatsektors dienlich sein könnte. Beispielsweise könnten einzelne Banken, Konsortien von Banken oder Unternehmen außerhalb des Finanzsektors (wie die Libra Association) beschließen, Geld über DLT-Netzwerke auszugeben, das möglicherweise an den Euro gebunden oder mit Euros (d.h. Zentralbankgeld) besichert ist. Ein solcher digitaler programmierbarer Euro des Privatsektors könnte bereits früher eingeführt werden als der digitale Euro der EZB, der – nach Meinung vonExperten – höchstwahrscheinlich nicht vor 2026 eingeführt wird. Dies könnte jedoch zu spät sein, um die Nachfrage der Industrie nach programmierbarem Geld zu befriedigen, welche in den kommenden Monaten und Jahren noch erheblich steigen wird.

3. Intermediäre werden auch beim digitalen Euro eine wichtige Rolle spielen

Die EZB bleibt in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung eines digitalen Euro zwar vage, allerdings werden erste Tendenzen bezüglich des Designs deutlich. Die EZB hat nicht die Absicht, mit dem digitalen Euro Geschäftsbankengeld zu verdrängen und das Einlagen- und Zahlungsverkehrsgeschäft des Bankensektors zu übernehmen. Stattdessen strebt sie eine öffentlich-private Partnerschaft in Form eines zweistufigen CBDC-Systems an. Der digitale Euro profitiert hierbei sowohl von den komparativen Vorteilen des privaten als auch des öffentlichen Sektors.

Der private Sektor (Banken oder andere Finanzinstitute) ist für die Innovation und den Aufbau intelligenter Lösungen für Endkunden verantwortlich. Dazu gehören die Auswahl einer geeigneten Infrastruktur, Datenmanagement, Compliance-Anforderungen, sowie Screening und Überwachung der Endkunden (einschließlich KYC- und AML-/CFT-Prozesse). Der öffentliche Sektor (d.h. die Zentralbank) konzentriert sich auf Regulierung, Aufsicht und finanzielle Stabilität. Mit anderen Worten: Die Zentralbank unterstützt Innovationen, und stellt sicher, dass Transaktionen innerhalb des regulatorischen Rahmens stattfinden.

Um eine solche Partnerschaft umzusetzen, müsste die EZB möglicherweise den Zugang zum digitalen Euro beschränken oder die Verwendung des digitalen Euro (teilweise) unterbinden. Andernfalls könnte die Einführung einer CBDC (einem risikofreien Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel) zu großen Umschichtungen von Bankeinlagen in den digitalen Euro führen. Dies könnte zu einer Disintermediation des Bankensektors führen. Insbesondere in Krisenzeiten könnte die Möglichkeit, Vermögen in einem risikofreien und liquiden Vermögenswert anzulegen, zu „digitalen Bank Runs“ führen. Angesichts dessen erwägt die EZB die Einführung von Beschränkungen für die Verwendung des digitalen Euro; entweder durch eine Obergrenze für CBDC-Bestände oder durch eine Staffelung der Zinssätze.

Fazit

Es ist nachvollziehbar, dass die EZB den digitalen Euro aus der Perspektive ihres Mandats adressiert. Allerdings vernachlässigt diese Perspektive den Endnutzer, d.h. die hunderte Millionen Bürger und Unternehmen in der Euro-Zone. Es stellt sich derzeit die Frage, wer den digitalen Euro der EZB nutzen würde und aus welchen Gründen? In seiner gegenwärtigen Form würde der digitale Euro weder den Bedürfnissen der europäischen Bürger noch den Bedürfnissen der europäischen Industrie gerecht werden. Erstere benötigen echtes digitales Bargeld in Form eines unverzinslichen Inhaberinstrument mit Anonymitätsmerkmalen. Letztere benötigt programmierbare Zahlungen. Es ist nicht notwendig, dass der digitale Euro der EZB alle Anwendungsfälle auf einmal abdeckt, jedoch sollte die Diskussion der Ausgestaltungsprinzipien einen klaren Anwendungsfall vor Augen haben – entweder den Endkunden oder die Industrie.

Zwar fehlt dem Bericht eine solche klare Orientierung – doch ist sich die EZB dessen zumindest bewusst: Der Report erwähnt, dass „die Kommunikation mit potenziellen Endnutzern und mit den beaufsichtigten Intermediären, die an der Erbringung von Dienstleistungen beteiligt sein könnten, von entscheidender Bedeutung ist, um den tatsächlichen Geschäftsnutzen der Emission zu beurteilen“ (S. 45). Hierbei ist es entscheidend, die Endnutzer im Auge zu behalten, die den digitalen Euro in einigen Jahren nutzen sollen. Bis Mitte 2021 wird die EZB einen Konsultationsprozess durchführen, um Rückmeldungen von potenziellen Nutzern, Regulierungsbehörden und politischen Entscheidungsträgern einzuholen. Erst dann wird die EZB bekannt geben, ob ein digitaler Euro weiter verfolgt wird.

Über die Autoren

Jonas Groß ist Projektmanager am Frankfurt School Blockchain Center und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bayreuth. Zu seinen Forschungsschwerpunkte gehören neben Crypto Assets, digitale Zentralbankwährungen (CBDC) und Stablecoin-Projekte wie Libra.

Prof. Dr. Philipp Sandner leitet an der Frankfurt School of Finance & Management das Frankfurt School Blockchain Center (FSBC), welches im Februar 2017 initiiert wurde. Zu seinen Themengebieten gehören Blockchain, Crypto Assets, Distributed Ledger Technology (DLT), Euro-on-Ledger, Initial Coin Offerings (ICOs), Security Tokens (STOs), Digitalisierung und Entrepreneurship.

Alexander Bechtel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität St. Gallen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören geldpolitische Fragestellungen und digitale Währungen.

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