Immer mehr Staaten liebäugeln mit der Einführung einer digitalen Zentralbankwährung, einem sogenannten CBDC. China hat seinen E-Yuan schon, die USA räumten kürzlich der Einführung eines digitalen Dollars “höchste Priorität” ein. Kritiker wie Edward Snowden warnen: Das könnte das Ende der Privatsphäre und Freiheit der Bürger bedeuten. Zu recht?
Wir sprachen mit Richard Gardner über die Regulierungswelle in den USA und die Chancen und Gefahren, die von CBDCs ausgehen. Als CEO von Modulus Global baut der US-Amerikaner seit 1997 Technologie für NASDAQ, Goldmann Sachs und andere Schwergewichte der Finanzwelt. Seit einigen Jahren bietet das Unternehmen seine Dienste auch Krypto-Börsen an.
Joe Biden hat im März mit seinem Präsidentenerlass die Regulierung des Krypto-Space in den USA in Gang gesetzt. Viele in der Branche sprachen von einer neuen Ära für Kryptowährungen und digitale Assets. Was denken Sie darüber?
Ich würde mir wünschen, dass dem so wäre. Aber Bidens Vorstoß lieferte uns genauso viele Fragen wie Antworten. Ein Beispiel: Die beauftragen Behörden bekamen die Direktive, die US-Regulierung an die unserer verbündeten Länder anzugleichen. Was soll das heißen? Unter diesen Ländern gibt es einige, die Krypto-Oasen sind, andere haben Vorschriften, die einem Krypto-Verbot gleichkommen. Es wird sich noch zeigen, ob es für die Branche und die Bürger wirklich einen Grund zum Feiern gibt.
Was sind für Sie Fallstricke bei der Regulierung?
Einerseits müssen wir sicherstellen, dass Terroristen, Feinde und Kriminelle digitale Assets nicht nutzen, um Gesetze und Sanktionen zu umgehen. Gleichzeitig müssen wir unbedingt darauf achten, nur solche Vorschriften umzusetzen, die auch die Sicherheit der Bürger gewährleisten.
Die größte Bedrohung sehe ich in einem autoritären Regulierungsansatz, wie ihn China fährt. Das gilt besonders für die Einführung von digitalen Zentralbankwährungen. Dort gibt es ja seit Anfang des Jahres den E-Yuan. Die Regierung kann über ihn alle Transaktionen überwachen, potentiell auch verbieten.
Keine Regierung sollte in der Lage sein, einen CBDC als Alternative zu Bargeld anzubieten und von der Wiege bis zur Bahre unseren kompletten Geldfluss nachzuverfolgen. Jede Regelung, die einer Regierung das ermöglicht, muss gestoppt werden.
Die Biden-Administration räumte einem digitalen Dollar als CBDC aber “höchste Priorität” ein. Was sind die Absichten der Demokraten? Und was wären für Sie Warnzeichen?
Was die Absichten der Demokraten sind, lässt sich jetzt schwer sagen. Wir müssen abwarten und uns ansehen, was sie vorschlagen, welche Sprache sie benutzen. Dann muss die Nation über die Stärken und Schwächen dieses Vorschlags diskutieren. CBDCs können auch positiv wirken: Sie können große Teile der Bevölkerung in das Finanzsystem einbinden, ohne Bankverbindung.
Wie sähe ein CBDC in den USA aus, mit dem sie sich anfreunden könnten?
Es hängt alles davon ab, wer diesen CBDC kontrolliert und Zugang dazu hat. Wenn die Federal Reserve (FED) die komplette Macht über die Geldversorgung an sich reißt, wird es keine Privatsphäre mehr geben. Es muss eine dritte Partei geben, die sie zur Rechenschaft ziehen kann. Sie sollte in ihrer Amtszeit begrenzt sein und gewählt werden, um die finanzielle Autonomie der Bevölkerung zu garantieren. Außerdem muss es eine Möglichkeit geben, die Regierung daran zu hindern, einzelne Transaktionen zu verfolgen.
Worauf sollte die Öffentlichkeit jetzt besonders ein Auge haben?
Für mich ist die größte Sorge, wie die Länder die Finanzdaten rund um ihr CBDC überwachen werden.
Was beunruhigt Sie konkret?
Regierungen weltweit tendieren immer mehr zu autoritären Maßnahmen. Die Bevölkerung sieht diese Gefahr. Nehmen Sie die Ukraine-Krise: Wir alle verstehen, dass Sanktionen eine logische Folge der Eskalation sind. Trotzdem muss man sich das Ausmaß klar machen: In kürzester Zeit wurden Vermögenswerte beschlagnahmt, Russland wurde von dem größten Finanzdienstleister SWIFT ausgeschlossen, selbst die eigenen Reserven des Landes sind wertlos. Diese Maßnahmen sind gerechtfertigt.
Aber den Menschen ist auch klar: Wenn Staaten und Konzerne die Macht haben, das einer globalen Macht wie Russland anzutun, können sie das auch mit Individuen machen. Schauen Sie nach Kanada, auf die Proteste der Trucker. Die demonstrierten gegen Corona-Maßnahmen, die sie als zu hart empfanden. Auf Wunsch der Regierung von Trudeau wurden sie aus dem Finanzsystem ausgeschlossen.
Die kanadische Regierung sperrte die Bankkonten der Demonstranten und bedrohte ihre Spender. War dies Ihrer Meinung nach nicht gerechtfertigt?
Ich finde es schwer, dafür zu argumentieren, dass man friedliche Demonstranten so behandeln sollte wie Terroristen oder Geldwäscher. Es muss ein ordentliches Verfahren geben. Was auch immer man persönlich von diesen Demonstranten hält, Tatsache ist: Es kann auch mich oder sie treffen. Das war ein beängstigender Tag für die Freiheit und ist ein gefährlicher, verhängnisvoller Weg.
Was nehmen Sie aus diesem Fall für die Zukunft von Krypto mit?
Kryptowährungen sollen sicherstellen, dass Big Tech, traditionelle Finanzunternehmen und Regierungen unser Vermögen nicht vollständig kontrollieren können. Das Liebäugeln der Staaten mit dem Autoritarismus sehe ich als einen der Hauptgründe für den Boom im Bereich dezentrale Finanzen (DeFi).
Wir brauchen für Krypto regulatorische Richtlinien, die das Allgemeinwohl schützen und gleichzeitig unsere Privatsphäre und finanzielle Freiheit vor unangemessenen Eingriffen durch den Staat bewahren.